Immer mal wieder beginnt ein „Neues“ Jahr, dies (naja) aktuellen Anlasses wegen das: Beim Versuch, mein Alter aus der Perspektive eines noch sehr jungen Menschen zu betrachten, erinnere ich mich an einen kurpfälzischen Spruch: „Alle wolle se alt wärre, bloß käner wills soi“. Und stelle fest, dass ich auch damals schon nicht alt werden wollte, es nun aber doch geworden bin. Und denke daran, wie wir selbst die Welt gesehen haben, als wir 16 waren: Da gab es „uns“ und die wenig Älteren.
Und es gab die anderen.

Wir hatten nichts gegen „die“. Es waren einfach Erscheinungen jenseits jedenfalls unseres Interesses. Und wir hatten schon gar nicht weiter differenziert zwischen 50-jährigen und 77-jährigen. Der Unterschied war nicht wichtig, die eine Gruppe so gleichgültig wie die andere. Autoritätspersonen machten phasenweise eine Ausnahme. Vielleicht war ich abhängig von ihrem Urteil.

Heute, ich: T-Shirt „Too old to die young“ – und meine, ich sei ganz gut in Kontakt mit meinen Gefühlen der jungen Jahre, und manchmal passiere  es mir, dass sich aber der gnadenlose Blick von damals auf s(m)ein heutiges Ich richte. Ein schmerzlicher Moment.

Kürzlich, bei einem Krankenhausaufenthalt, erschienen mir einige Ärzte in ihren gleichförmigen weißen oder blauen Kitteln so jung, dass ich mich, als zwei von ihnen auf mich zu kamen fragte, ob die wohl schon Abitur hätten. Einer stellte sich als der Stationsarzt vor.

Gehört das vielleicht auch schon zum Alterungsprozess, dass man sich einen milden, entschuldigenden Blick auf eigene Unzulänglichkeiten leistet? Das leicht Verschrobene habe ich mir als meine besondere Note ausgelegt. Und in diesem wie in anderen Zusammenhängen festgestellt: Was in der Jugend als charmant gilt, als leicht verrückt vielleicht, als originell, verträumt und sehr individuell: Im Alter wird es übel genommen. Spinnt der? Weiß der überhaupt noch, was er tut?
Noch bin ich lernfähig? – ein gewaltiges Vorurteil, jahrzehntelang gepflegt, konnte überwunden werden zugunsten von Selbstverrat und Selbstverleugnung.

Und, als kürzlich eine bereits in die Jahre gekommene Dame für mich in der Straßenbahn aufstand, verstand ich erst mal gar nicht, was sie wollte. Und als ich es verstand, setzte ich mich, um ihr einen Gefallen zu tun. Aber glücklich war ich nicht. Ich möchte noch immer selber für ältere Damen und schwangere Frauen aufstehen dürfen. Vor allem traf mich die Tatsache, dass s i e  bereits festgestellt hatte, dass ich alt war, als  m i r  das noch gar nicht in den Sinn gekommen war. Sie sah außen etwas, das ich innen nicht spürte! Nicht spüren wollte? Vielleicht hat sie mich ja beim „Einsteigen“ beobachtet …

Wann also bittschön ist man alt?

Wenn es unter denen, die gestorben sind, mehr Bekannte gibt als unter den Lebenden? Und wann hat das alles angefangen? Ein Anhaltspunkt könnte sein, dass plötzlich – (dieses „Plötzlich“ spielt in der Selbstbeobachtung eine entscheidende Rolle: Da mag etwas für Dritte lange schon deutlich gewesen sein, und plötzlich bemerkst du es selbst), dass also plötzlich etwas nicht mehr geht, was lange selbstverständlich war. 
Der Kontrast – jahrzehntelang vorhanden und ohne Dankbarkeit genutzt, dann verloren – ist ziemlich hart. Während es mühelos gelang, erschien es als weiter nicht erwähnenswert, als normal und alltäglich: Das Treppen hinunterlaufen ohne Hand am Geländer zum Beispiel. Eine schnelle Folge von Schritten, im Takt des Herzschlags vielleicht, ein hurtiger Rhythmus, eine Angelegenheit für Beine und Füße, der Blick durfte frei geradeaus sein Ziel suchen. 
Der Schlaf, die beste Zuflucht, die sich denken lässt, wird, fürchte ich, nie wieder werden, was er mal war. Offenbar gehört er zu denen, die mich lange nicht so mögen, wie ich ihn. Er gewährt meist nur kurze Gastspiele, oft bleibt er aus.
Das ein oder andere wird zeitweise wieder besser – nichts aber wird nochmal richtig gut.

William Shakespeare beschreibt in einer seiner Komödien – er selber wurde 52 Jahre alt – sieben Lebensstufen. Bereits die vorletzte ist unangenehm. Nur noch Geiz und mürbes Fleisch und krumme Knochen. Die letzte Phase knüpft wieder an die Kindheit an. Nur fällt das Liebliche und Niedliche weg: Verlust der Selbständigkeit, wenige bis keine Zähne mehr, kein Geschmack, kein Tastsinn, die Augen trübe. Der Dichter zählt nicht weiter auf, was sonst noch alles fehlt, er belässt es bei einem gnädigen: Alles. Alles weg.

Niemand will wissen, was ihm im Alter bevorsteht. Wir sehen es zwar aus nächster Nähe täglich, aber um uns selbst zu schonen, machen wir aus dem Alter ein Tabu: der Gezeichnete selber soll verschweigen, wie widerwärtig das Altern, das Alter ist. Und den Andern genügt zu wissen, dass „der“ was verschweigt!
Dieses Tabu, nur scheinbar im Interesse des Alternden, verhindert sein Eingeständnis vor sich selbst und verzögert den Freitod so lange, bis die Kraft auch dazu fehlt.

Sarkastische Gedankenspiele

Das leistet sich der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Er ist 1911 geboren und wurde achtzig Jahre alt. In seinen 50ern beschäftigte ihn die Idee einer sehr speziellen Vereinsgründung, im zweiten Tagebuch berichtet er davon. Es geht um die Verjüngung der Gesellschaft. Es geht darum, dass die Alten, die Gezeichneten, wie er sie nennt, überzeugt werden sollen, aus freien Stücken auf weiteres Altern zu verzichten.
Auf weiteres Altern verzichten – kann man es schöner sagen?

Das Gebot, das Alter zu ehren, stammt aus Epochen, als hohes Alter eine Ausnahme darstellte. Wird heute ein alter Mensch gepriesen, so meist durch Attestieren, dass er verhältnismäßig noch jung sei, nachgerade noch jugendlich. Unser Respekt beruht immer auf einem NOCH. (noch unermüdlich, noch heute eine Erscheinung, durchaus noch beweglich in seinem Geist, und so weiter). Unser Respekt gilt in Wahrheit nie dem Alter, sondern ausdrücklich dem Gegenteil: dass da nämlich – das solls ja gelegentlich geben – jemand trotz seiner Jahre noch nicht (ganz) senil wäre.

„Yesterday“ –

ein Titel der Beatles, Alleingang Paul McCartneys, damals war er wohl in seinen 20´ern. Ich höre die Ansage im Radio und denke, ach, auch schon wieder vierzig Jahre her. Da sagen sie es: Entstanden vor 50 Jahren, seither tausendfach gecovert round the world. Es braucht kein langes Nachrechnen um zu gewahren, dass ich damals schon gelebt haben müsse. „Yesterday“, das war für mein Gefühl einfach immer da. Wie ein Freund aus Sandkastenzeiten, keine Yesterday-freie Zeit in meinem Leben. Gestern halt …

Wird nicht überhaupt vieles auf die Alterskarre geladen, was früher schon ganz genau so war? Namen zum Beispiel sind mir doch auch damals schon manchmal nicht eingefallen. Ohne dass ich darüber erschrocken wäre.

Der 90jährige Schriftsteller Martin Walser beschwert sich: Seit er alt sei und es noch immer wage, Erotik und, ja, auch Sex zum Thema seiner Romane zu machen, müsse er sich sagen lassen, er sei altersgeil. Als wäre es eine Unverschämtheit seinerseits, dieses Thema weiterhin zu einem seinen zu machen. Früher ja, da war es angebracht, zu bewundern sogar. Jetzt dagegen: grotesk, tragisch, pervers. Dabei gehe es doch um Sprache. Um eine Geschichte, deren Qualität vom Alter des Autors nicht abhänge.

Gerade hat mir wer erzählt – er ist fünfzehn Jahre jünger als ich und wird von mir als sehr jung empfunden, weil er schlank und lebhaft ist und die Haare (auch! – immerhin) nicht grau und er sie nicht verliert – er erzählt also, er sei im Wartezimmer seines Zahnarztes kurz eingenickt. Geweckt habe ihn das helle Stimmchen einer Sechsjährigen:  Mami, warum schläft der Opi?
Verfolgt dich eine solche Episode länger als einen Tag, besteht Grund zu der Annahme, dass du dich irgendwie ertappt fühlst, als würdest du deiner Umwelt den Jüngeren bloß vorspielen. Als wüssten allerdings im Grunde alle, dass es eine Täuschung ist. Nur spricht es keiner aus, um dir die Illusion zu erhalten, von deinen Mitmenschen für jünger gehalten zu werden, als du bist.

Gerade bemerkte wer mit leichter Ungeduld, dass wir, die Angehörigen eines geburtenstarken Jahrgangs, die ersten 70jährigen der Geschichte seien, die sich um 90jährige Angehörige kümmern. Und empört sich: So etwas gab es noch nie! Zugleich müssen wir feststellen, dass die vielen Unverwüstlichen um uns herum, die gen 100 streben, Kinder haben, die weit empfindlicher sind. Krebse, Herzinfarkte, Unfälle, Depressionen, Burnout. Und überhaupt, früher hatte alles noch seine Ordnung. Und da war man in meinem Alter längst nicht mehr am Leben.
Ich komme schon bald die Stufen nicht mehr hoch, sagt wer. Noch kann er sich nicht überwinden, den Treppenlift zu benutzen, den ihr greiser Vater souverän in den Dienst genommen hat. Mit 70 ist das Leben noch ein Park, mit 80 ein Garten – mit 90 ein Blumentopf – hahaha haa …

Das Leben ist unheilbar !

Sobald wir die törichten Redensarten, die sich dem Alter nähern, gar nicht anders können, als auf uns selbst beziehen zu müssen, empfinden wir Unbehagen: Den Endkampf um Berlin haben wir nicht mitmachen müssen, keine Bombennächte im Bunker verbracht, die Folgen von Hunger, Vertreibung und äußerster Not kennen wir nur aus Dokumentarfilmen. Unser Damals hat ein freundliches Gesicht. Weißt du noch die „Nathan“- Inszenierung von Peymann in Bochum – die mit Peter Schumann im Taeter-Theater – haben wir (ha, haha zeitmangels wegen) noch immer nicht gesehen! Mit der Giraffe und dem langen Steg in den Zuschauerraum hinein? Oder der Rücktritt von Willy Brandt? Oder erinnerst du dich, als wir in Griechenland auf dem glitzernden Meer einen singenden Fischer im Ruderboot gesehen haben, der aussah wie Odysseus? Und dem wir dann griechische Volkslieder beigebracht haben?
Die Zeit der Entdeckungen, der atemberaubenden Begeisterung scheint nicht nur, sie ist vorbei. Vielleicht die bitterste Erkenntnis.
Einem Kafka, einem Kleist, einem Gottfried Benn werden wir nicht mehr mit frischen Sinnen begegnen. Weiterhin begleiten sie uns, trösten oder regen uns auf. Aber wir lesen und hören nicht mehr mit unbefangener Neugier, wir betreten kein Neuland mehr; das Neu kommt uns ebenso abhanden wie das Jung. Wir warten nicht mehr auf Wunder. Wir wagen uns nur noch auf vertrautes Terrain, kennen jede Wegbiegung und jeden Hügel – wäre es auch nur der von der Unteren Straße hoch in die Hauptstraße und weiter in die Grabengasse.

Ins Theater gehen und nochmal ne Premiere sehen, aber zwei Stunden sitzen? Haben wir nicht seinerzeit die tolle Inszenierung von … wie hieß der doch noch?
Wir glauben zu wissen, was gut ist und sind der festen Meinung, dass das Erlebte nicht mehr zu übertreffen sein wird. Wir sind nur noch schwer zu überraschen. Und wenn wir staunen, dann allenfalls über Verluste.

Noch wissen wir, wie wir heißen und wo wir wohnen. Die Geheimzahl für unsere Karte haben wir auch schon früher manchmal vergessen. Ein Restaurant muss noch nicht danach ausgewählt werden, ob die Toiletten sich auf derselben Ebene befinden. Aber jetzt ist es mir zum ersten Mal passiert, dass ich ins erstaunte Gesicht der Arzthelferin blickte, die mir, nachdem sie ihren Bildschirm aufmerksam studiert hatte, eröffnete, dass ich mir für den Untersuchungstermin ein falsches Datum gemerkt habe. Nicht der Dienstag in dieser, sondern in der nächsten Woche. Ach ja, ach so. Und den hab ich dann vergessen.

Korrigiere ich noch irgendetwas an meinem Äußeren, wenn ich an einem Spiegel oder einer spiegelnden Schaufensterscheibe vorbei gehe? Selten. Hingegen  ertappe ich mich dabei, dass ich den Selbstbegegnungen im Spiegel ausweiche. Hat es noch Wert, überhaupt um Äußerlichkeiten besorgt zu sein?

Zurück zu den Grundsätzen, hinter denen wir uns verschanzen können und die helfen sollen, unsere tiefe Unsicherheit zu verbergen. Haare färben: nein. Fettabsaugen: niemals. Und so weiter. Doch wer garantiert mir, dass ich morgen noch meiner Meinung sein werde?

Im Krankheitsfall mit ernstem Vorzeichen ist dann sowieso alles ganz schnell ganz anders. Denkt der alte, der alternde Mensch öfter an den Tod, an den eigenen wohl gemerkt, als der junge? Womöglich hat man zum Philosophieren, zum Mutmaßen und Abwägen in der Jugend einfach mehr Muße und weniger Angst. Der Tod ist dann ein mehr oder minder abstrakter Gedanke. Die eigene Sterblichkeit ein fernes, konturloses (sic) „Dann“ …

Dann, irgendwann, dem unendlich viele wichtigere Dinge vorgeschaltet sind. Alternd, wenn das Irgendwann nicht mehr so fern ist, sind es wieder die realen, die naheliegenden Probleme, die dir zum Grübeln über den großen Unbekannten keine Zeit lassen: Wären drei Termine an einem Tag so dicht hintereinander noch zu schaffen? Will ich einem Freund von damals wirklich noch einmal begegnen, oder belassen wir es am besten bei der guten Erinnerung, die wir voneinander haben?

Wer berichtet, er habe morgen einen Termin beim Orthopäden, übermorgen beim Neurologen, Krankengymnastik am Mittwoch, Und so weiter am Freitag. Inzwischen betrachte er (na also, ich doch nicht) sich als eine wandelnde Baustelle für Handwerker und Restauratoren: Kaum sind die Sturmschäden am Dach beseitigt, steht der Keller wieder unter Wasser.
Die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Körpers und seiner Funktionen, die Organisation von alledem nimmt (würde nehmen jedenfalls) so viel Raum ein, dass kaum eine ruhige Minute bliebe, um seinem baldigen endgültigen Versagen auch nur einen Seitenblick zu gönnen. Dennoch spüren wir ihn deutlich, den Tod, und sind wohl gerade deshalb so emsig bemüht, dieses Gespür mit aufgeräumt aufräumender Geschäftigkeit zu überlagern.

Ganz wegschieben lässt es sich nicht. Beerdigungen (zu – Dank Gunther von Hagens´ „Körperwelten“ – meiner kann Keiner!), an denen teilzunehmen wir immer häufiger geladen sind, gehen uns noch lange nach, unabhängig davon, wie nahe uns der Verstorbene stand. Gegen gewisse Witze sind wir (manche gleichen Alters jedenfalls) allergisch geworden: „Wenn du morgens aufwachst und es tut dir nichts weh, dann bist du wahrscheinlich tot“. Viele sind inzwischen vorausgegangen. Gleichaltrige. Jüngere auch. Im Gespräch mit einem Heidelberger Pfarrer im Weinloch habe ich gesagt (wir waren gerade beim Thema), „ich wäre ja schon gerne tot, will nur nicht sterben!“ Er machte ne Predigt daraus.

Dass wir bei aller Ernsthaftigkeit noch richtig auf die Palme gehen können, mag gelten als (m)ein letztes morbides Aufbäumen der Lebenskraft.

Dass ich im Mai nochmal (irgendwann wird einmal alles das letzte Mal gewesen sein!) auf den Gipfel des Olymp-Gebirges, auf den „Mytikas“ halb zu gehen, halb zu steigen mich mit Freunden aufgemacht habe, wurde von einigen anderen meiner (gleichaltrigen jedenfalls) Freunden bereits als verantwortungslos jenen (jüngeren) Freunden gegenüber gescholten, die mitgekommen waren, „weil das „Rote Kreuz“ dort oben wohl – stolperte und oder wäre ich gar mal hingefallen – mir keine Hilfe hätten bieten können und sie dann hätten ran müssen …

Schludrige Sätze, falsche Adjektive, „wie“ nach dem Komparativ, Sprachklischees.
Und dann die Zumutungen der inzwischen auch schon nicht mehr neuen Rechtschreibregelungen. Ein Essay des Lyrikers Rainer Kunze fasst es zusammen: Ein sehr feines, äußerst vielseitiges, auch wohl kompliziertes Instrument wie unsere Sprache, sagt er, darf nicht so weit vergröbert werden, dass möglichst alle – um nicht zu sagen auch die größten Trottel – damit arbeiten können. Es ist viel besser, hinzunehmen, dass es nicht von jedem richtig zu gebrauchen ist, als seine wunderbaren Möglichkeiten leichtfertig einzuschränken, was wir – nenne ich das mal so und (was Wunder) in aller Bescheidenheit).
Bei Rainer Maria Rilke, gestorben mit Anfang fünfzig, geht es häufig um den Tod und immer um die Sprache. Ein Sterbender in einer seiner Geschichten verharrt noch ein wenig im Leben, weil es gilt, das Wort Korridor, das in seiner Gegenwart falsch ausgesprochen wurde, zu korrigieren. Nicht aus Pedanterie, schreibt Rilke. Einfach nur, weil einer nicht aus der Welt gehen kann, ohne die Gewalt zu mildern, die der Muttersprache angetan wurde.

„Ich muss es nicht mehr tun“

Wer meiner Generation angehört, hat einen weiten Weg zurückgelegt. Den von der analogen Welt zur digitalen. Manche sind auf halbem Weg stecken geblieben, verzweifelt oder verschollen. Ich versuche mich (Rundschau-Leser wissen das) im Slalom.
Vorbei die Zeit der Leichtigkeit, kein heiteres Tandaradei mehr und (Rainer Maria Rilke) überhaupt: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr“.
Hinfallen ist keine Schande, aber liegenbleiben“ – das habe ich als 14jähriger in ein Büchlein geschrieben. In diesem Alter konnte man noch beinahe nach jedem Hinfall wieder aufstehen. Nun aber, alt geworden? Je älter, desto hingefallen ohne aufstehen zu können, bleibt man doch ne Weile liegen. Schande?

Zwischen alledem habe ich meine Haltung noch nicht gefunden. Bin ich für meine Freunde überhaupt noch zumutbar? Und, was will ich mir zumuten? „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, ich bin doch zu schade für alle allein“, singt Marlene Dietrich – und wurde uralt dabei.
Ich flattere mal in diese, mal in jene Richtung, begreife mich manchmal als tragik-komische Figur und suche Halt bei den Dichtern; und bei meinen Freunden; die müssen es sich gefallen lassen. Und, ne Pflegeversicherung habe ich ja schließlich auch mal abgeschlossen.

„Hör‘ ich das Mühlrad gehen“ – Joseph Freiherr von Eichendorff ist trotz dieses drohenden Rades fast 70 Jahre alt geworden …

Oder das, auch von ihm:

„Ich weiß nicht, was ich will
Ich möchte‘ am liebsten sterben
Da“(nn!) „wär‘s auf einmal still“.

Hat man das erst einmal gesagt,
kann man ja vielleicht noch mal Mut fassen.
Alsdann: Bis dann …

Apr. 2021 | Heidelberg, Allgemein, Essay, Feuilleton, Gesundheit, In vino veritas, Junge Rundschau, Senioren, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren