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Dieses Positionspapier soll auf der Kreisdelegiertenkonferenz am 12. Dezember um 19.00 Uhr im Deutsch-Amerikanischen-Institut (DAI) diskutiert werden. Wie gewohnt, hält man Solcherlei („vertraulich“) von der Basis fern, die wohl „nicht beunruhigt“ werden soll. Daß sie – was Wunder – längst (zumindest!) beunruhigt ist, wird von den Überfliegern nicht wahrgenommen? Sollte aber! Kommen Sie, diskutieren Sie mit! Fordern Sie, was politischem Anstand geschuldet längst hätte getan sein müssen: Den Rücktritt dieses desaströsen Kreisvorstandes. Keine Zeit am Dienstag, dem zwölften? Am Ende können Sie hier Ihre Meinung schreiben. Tun Sie es!

1. Politisches Profil

Das politische Profil der SPD Heidelberg ist seit Jahren nicht mehr erkennbar. Parolen wie „weiter so“ und „wir müssen sparen“ haben dazu beigetragen, die Diskussion von Zukunftsperspektiven schon im Keim zu ersticken. Die Ziele der SPD als Partei des sozialen Ausgleichs und der Gerechtigkeit sind für die Bürger nicht mehr wahrnehmbar. Eine Programmpartei wie die SPD hat aber in unserer Stadt die Aufgabe, Zielvorstellungen weit über den Tag hinaus auszuarbeiten. Die programmatische Arbeit muß daher wieder in den Vordergrund gerückt werden, wenn die Heidelberger SPD die Menschen gewinnen will.

2. Parteiinterne Demokratie und transparente Entscheidungsprozesse

Die SPD Heidelberg ist in den letzten Jahren zu einer reinen Funktionärspartei verkommen. Wenige entscheiden für viele, ohne diese hinreichend inhaltlich einzubinden. Wichtige strategische Entscheidungen werden von diesen wenigen vorgegeben und der Basis aufoktroyiert. Normalerweise sollten die Funktionäre dem Willen der Basis Ausdruck verleihen. Statt dessen werden die Entscheidungen von sich selbst mandatierenden Parteistrategen in Hinterzimmern getroffen und undiskutiert den Kreisdelegierten zur Absegnung vorgelegt. Eine umsichtige Auseinandersetzung mit den Problemstellungen und eine gegebenenfalls angezeigte Korrektur sind dann nicht mehr möglich. Kritische Stimmen werden ignoriert und systematisch nach dem Motto „Augen zu und durch“ übergangen. Diese Vorgehensweise führt zu Frustrationen und demotiviert große Teile der noch aktiven Basis.

3. Mißbrauch der Basis statt solidarischer Umgang

Viele Genossinnen und Genossen empfinden sich nur noch als Plakatierkolonnen. Sie sollen den Bürgerinnen und Bürgern eine Politik vermitteln, die von ihnen nicht beeinflußbar ist. Wie kann man dies von ihnen erwarten? Abgehobene Mandatsträger nehmen ihre Arbeitskraft in Anspruch, um sie nach getaner Arbeit weder politisch ernst zu nehmen, noch ihnen als Gleichgesinnte gegenüberzutreten. Der schlechte Stil zeigt sich schon daran, daß Wahlkämpfer noch am Wahlabend von einigen Fraktionsmitgliedern nicht einmal mehr gegrüßt werden. Zudem ziehen sich manche Mandatsträger bei Wahlenkämpfen regelmäßig zurück, und dies nicht nur bei den Wahlen anderer Mandatsträger, sondern sogar dann, wenn sie selbst zur Wahl stehen.

4. Diskussionskultur

In den letzten Jahren war die parteiinterne Diskussionskultur von unpolitischer Harmoniesucht geprägt. Kritik wurde als unwillkommener Streit diffamiert. Dabei wurde vergessen, daß das Prinzip der Politik der inhaltliche Streit sein muß. Das Ergebnis waren schwere, im Hintergrund schwelende, Unstimmigkeiten, die die Partei immer mehr gelähmt haben. Der offene, demokratisch ausgetragene Streit besitzt aber eine reinigende und belebende Kraft in politischen Parteien. In dieser Hinsicht muß die SPD Heidelberg zu ihrer eigenen großen Tradition des kritischen Streits zurückfinden. Unsere Partei war in dieser Stadt immer dann am stärksten, wenn sie am streitbarsten war.

5. Teamfähigkeit

Die gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre fordern in allen Bereichen des Gemeinwesens erhöhte Kooperations- und Teamfähigkeit. Diese basieren auf offener Kommunikation, fairen Spielregeln und sich daraus entwickelndem Vertrauen. Teamgeist fördert Kreativität und schließt Wettbewerb um die besseren Ideen nicht aus. Obwohl in Parteien auch der Wille zur Macht und der Ehrgeiz einzelner entscheidend und wünschenswert sind, bedarf es eines funktionierenden Teamgeistes, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Daran mangelte es in jüngerer Zeit vor allem auf der Ebene des Heidelberger Kreisverbandes.

6. Nachhaltige Nachwuchsförderung und attraktives Personalangebot

Die gezielte Einbindung von jüngeren Parteimitgliedern eröffnet Parteien neue Perspektiven sowie Ideen und zwingt sie zum permanenten Nach- und Umdenken. Sie hält Parteien jung und lebendig. Darüber hinaus ist sie auch eine schiere Notwendigkeit, um Jüngere in gesellschaftliche Verantwortung zu bringen und das Fortbestehen der Partei zu sichern. Gerade in einer Universitätsstadt kann eine Volkspartei auf junge und kluge Köpfe nicht verzichten. Sonst kann sich die Gesellschaft auch nicht in ihr widerspiegeln und mit ihr identifizieren. Ein attraktives Personalangebot kann nicht nur an der Anzahl der Mitgliedschaften in Vereinen festgemacht werden. Es geht vielmehr um die Repräsentation der Vielfalt gesellschaftlicher Lebenssituationen.

7. Durchlässigkeit, Fluktuation und Attraktivität für Neumitglieder

Die Attraktivität einer Partei hängt neben der Nachwuchsförderung und dem inhaltlichen Einfluss auf die politische Ausrichtung auch von der Durchlässigkeit einer Partei bei der Besetzung von Mandatsposten ab. Die gegenseitige beharrliche Absicherung von Mandatsträgern macht die Partei weder für Neumitglieder noch für engagierte Parteimitglieder attraktiv. Weiterhin macht es nachdenklich, wenn die Fluktuation in arbeitsintensiven und undankbaren Parteiehrenämtern wie dem Kreisvorstand oder den Ortsvereinen so hoch ist, daß eine funktionsfähige Arbeit kaum mehr möglich ist. Der Verschleiß von hochmotivierten Parteimitgliedern hatte sowohl deren Aufgabe des Parteiengagements als im Extremfall sogar den Austritt aus der Partei zur Folge.

8. Falsche Wahrnehmung der Stadt und Provinzialismus

Die Entscheidungsträger der SPD Heidelberg bilden sich nach wie vor ein, daß ihr Weltbild konform geht mit der Wahrnehmung und den Wünschen der Heidelberger Bürger. Angesichts der fünf Wahlniederlagen in Folge zeugt dieses Festhalten an der selbst zugesprochenen Deutungshoheit über die Wünsche der Bürger einer international ausgerichteten Stadt wie Heidelberg von Ignoranz, Selbstgefälligkeit und Provinzialismus. Dies gipfelte in einem Wahlergebnis von 12,8 % bei der Oberbürgermeisterwahl in diesem Herbst. Solch ein Realitätsverlust ist schlichtweg desaströs und stellt die Überlebensfähigkeit unserer Partei in Frage.

9. Politische Analyse und Bürgerwille

Nach jeder verlorenen Wahl wurde eine tiefschürfende Analyse versprochen, zu der es allerdings nie kam. Zunächst wollte man sich Zeit zur Verdauung der Niederlage lassen, um anschließend nüchtern die eigenen Fehler analysieren und korrigieren zu können. Nach dem Wundenlecken ließ man dann aber die Aufarbeitung unter den Tisch fallen. Somit kam der in den verheerenden Wahlergebnissen zum Ausdruck gebrachte Bürgerwille zu keinem Zeitpunkt zum Tragen. Der Wähler honorierte dies mit der Zufügung noch herberer Niederlagen. Die Angst vor der offenen Aufarbeitung und ehrlichen Selbstkritik ließ die Funktionäre der Partei sich selbst genüge werden. Die SPD Heidelberg hat nur dann eine Zukunft, wenn sie sich wieder dem Diskurs mit den Bürgern stellt.

10. Permanente Präsenz

Die SPD wird in der Heidelberger Stadtpolitik nicht mehr als gestalterische Kraft wahrgenommen. Ihre Politik reduziert sich auf umstrittene und unglückliche Personalentscheidungen. Oftmals wird die Partei nur noch als abstrakter Wahlverein angesehen. Um wieder eine ernstzunehmende politische Größe in Heidelberg zu werden, muß die Heidelberger Sozialdemokratie die wichtigen gesellschafts- und stadtpolitischen Debatten aufgreifen und führen und diese an die Öffentlichkeit kommunizieren. Dazu muß sie sich von ihrer politischen Harmlosigkeit verabschieden und gegebenenfalls auch unbequeme Positionen vertreten. Dies erfordert politischen Mut und die Bereitschaft, auch an Fehlern zu wachsen. Der ständige Dialog mit den Bürgern darf nicht nur kurz vor den Wahlen stattfinden. Die SPD Heidelberg muß wieder Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte der Bürger werden. Nur durch eine stärkere permanente Präsenz in allen Stadtteilen und gesellschaftlichen Gruppen kann die SPD Heidelberg wieder ihre alte Bürgernähe und damit einhergehend Zugkraft erreichen.

Die SPD Heidelberg muß sich daher einer grundlegenden Erneuerung unterziehen.

Ulrich Arnswald, Vorsitzender SPD-Ortsverein Heidelberg-Bergheim

Dez. 2006 | Heidelberg, Allgemein, Politik, Zeitgeschehen | 5 Kommentare