Die Evangelische Landeskirche im Rheinland hat sich mit deutlichen Worten von AfD-Positionen abgegrenzt. Die christliche Botschaft tauge nicht „zum Kronzeugen nationaler Identität“, sagte (Foto) der Präses Manfred Rekowski.
Der „Alternative für Deutschland“ (AfD) warf er eine „Pervertierung des christlichen Glaubens“ vor. Zudem kündigte er auf der Landeskirchensynode in Bad Neuenahr „massiven Widerstand“ gegen eine deutsche Leitkultur an, die Juden und Muslimen keinen Platz in der Gesellschaft lässt.
Der Glaube habe nichts gemein mit Hass gegen einzelne Menschen oder Menschengruppen, sagte der Präses in seinem Jahresbericht. „Das ist keine Alternative für Christen, sondern eine Pervertierung des christlichen Glaubens.“ Es sei „ein falsches Zeugnis“, wenn die AfD ihre Politik in ihrem Grundsatzprogramm mit einer diffusen religiösen Überlieferung des Christentums begründe, sagte Rekowski.
Den richtigen Weg im Umgang mit der AfD zu finden, ist für die christlichen Kirchen eine Herausforderung, denn auch in ihren Reihen hat die Partei Anhänger. Ende Oktober 2015 gründeten die sogar einen eigenen Verband, die „Bundesvereinigung der Christen in der Alternative für Deutschland“. Der soll laut Präambel die „politischen Interessen der Christen“ in der AfD vertreten und eine „christliche konservative Politik entsprechend der biblischen Ethik in unsere Gesellschaft und Politik“ hineintragen. Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche hatten sich zwar schon zuvor von der AfD distanziert, nicht aber in dieser Deutlichkeit.
Die christliche Botschaft tauge auch nicht nur ansatzweise „zum Kronzeugen nationaler Identität“, sagte Rekowski jetzt. Der Präses der mit 2,6 Millionen Mitgliedern zweitgrößten deutschen evangelischen Landeskirche warnte vor Positionen, die in der aktuellen politischen Debatte zwar mit dem „Etikett ‚christlich‘“ verwendet würden, die der christlichen Botschaft aber deutlich widersprächen. Von den Mitgliedern der Synode erhielt Rekowski viel Unterstützung für seine Linie. Die Debatte über den Umgang mit der rechtspopulistischen Partei stehe aber erst am Anfang, hieß es auf der Tagung der Kirchenvertreter.
Diese Debatte könnte allerdings schnell konkreter werden. Denn im Mai sind Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und ein ranghohes Mitglied der örtlichen Kirchenverwaltung aus dem Wuppertaler Kirchenkreis tritt für die AfD an. Auch ein pensionierter Pfarrer der Rheinischen Landeskirche will für die Partei kandidieren. Der Vizepräses der Landeskirche, Christoph Pistorius, kündigte an, die Kirche werde beim „Überschreiten roter Linien“ durch ihre Beschäftigten nicht zusehen. Es gebe Positionen der Partei, die nicht mit Grundpositionen der Landeskirche übereinstimmten.
„Nicht über jedes Stöckchen springen …“
Mehrere Abgeordnete des Kirchenparlaments baten um Orientierungs- und Argumentationshilfen für den Umgang mit der AfD. Ein anderes Mitglied der Synode sagte, man müsse den Populisten „die Maske abreißen und zeigen, was sie wirklich sind“. Im Mittelpunkt solle in jedem Fall die inhaltliche Auseinandersetzung stehen, betonte Rekowski. Wahlergebnisse im zweistelligen Bereich könne man nicht ignorieren. Es gehe darum herauszufinden, „wes Geistes Kind wer ist“ und die Fragen und Verunsicherungen der AfD-Wähler ernst zu nehmen, sagte der Präses. „Wir müssen versuchen, zu begreifen, was sie bewegt.“
Der Präses rief in seinem Bericht die Parteien in Deutschland auf, soziale Gerechtigkeit zu einem bestimmenden Thema der Wahlkämpfe in diesem Jahr zu machen. Es sei ein politischer Streit um tragfähige Lösungen zur Bekämpfung von Armutsursachen nötig. Sonst drohe eine gespaltene Gesellschaft und der Staat könnte die Loyalität seiner Bürger verlieren. „Davon profitieren in der Regel nur radikale oder populistische Bewegungen, die mit einfachen Antworten auf komplexe Verhältnisse reagieren“, sagte der Theologe. Zur Frage, welche Themen die evangelische Kirche bei den Wahlkämpfen ansprechen will, sagte Rekowski, er wolle „nicht über jedes Stöckchen springen, das uns die AfD hinhält“.
Verschiedentlich habe er sich dafür ausgesprochen, dass die Auseinandersetzung mit der AfD und den von ihr vertretenen Positionen auch von unserer Kirche aktiv geführt wird. Insofern habe er eine Einladung der Nachrichtenagentur idea zum Streitgespräch mit Frau Petry angenommen. Eine redaktionelle Nachricht über dieses Doppelinterview hat idea vorab schon auf seinem Internetauftritt veröffentlicht.
Bei diesem Gespräch habe Präses Manfred Rekowski keine Zweifel gelassen:
Für mich ist klar:
Wann und wo immer Positionen vertreten werden, die der christlichen Botschaft widersprechen, obwohl das Etikett „christlich“ benutzt werde, sei der Widerspruch unserer Kirche gefordert. Es gehe nicht darum, dass Christen, die sich auf das Evangelium des menschgewordenen Gottes beziehen, nicht über die jeweiligen politischen Konsequenzen streiten könnten. Als reformatorische Kirche, die kein Lehramt kennt, setze diese auf das vom Evangelium geschärfte Gewissen der Menschen. Deshalb gebe es „zwar bei uns in ethischen Fragen Pluralität, aber es gebe auch nicht zu überschreitende „rote Linien:
- Aus dem universalen Evangelium darf keine national begrenzte Religion werden. Das ist die Erkenntnis aus unserer eigenen oft bitteren Geschichte. Die Botschaft Jesu Christi gilt allen Menschen in gleicher Weise. Christus taugt nicht ansatzweise als Kronzeuge nationaler Identität.
- Eine Infragestellung oder Relativierung der Gleichwertigkeit aller zum Ebenbild Gottes geschaffener Menschen widerspricht christlicher Grundüberzeugung.
In der Barmer Theologischen Erklärung von 1934 heißt es: „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben“. Das ist ein maßgebliches Bekenntnis unserer Kirche. Die AfD bekennt sich jedoch in ihrem Grundsatzprogramm zu einer deutschen Leitkultur. Das ist etwas völlig anderes.
Martin Luther sagte: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Christen sind, so verstehe ich den Reformator, also in der Gottesbeziehung befreit, aber in der Pflicht gegenüber dem Nächsten gebunden. Wer die Pflicht gegenüber dem Nächsten aufkündigt, der tritt aus der Gemeinschaft der Glaubenden heraus.“