Putin persönlich soll Hacker-Angriffe zur Manipulation des US-Wahlkampfes angeordnet haben. So lautet die Kernaussage eines Berichts der US-Geheimdienste.
Einige Kommentatoren sorgen sich nun über russische Einmischungen in die europäische Politik. Andere halten den Vorwurf der Cyberangriffe für einen westlichen Propaganda-Schachzug.
DILEMA VECHE (RO)
Kreml hat das nächste Ziel schon im Blick
Als nächstes wird Moskau den Bundestagswahlkampf manipulieren, sagt Dilema Veche voraus:
„Der Kreml hat allen Grund, in die Offensive zu gehen. Seit der Krim-Annexion 2014 war Angela Merkel die entschiedenste Stimme, die sich für Sanktionen gegen Russland ausgesprochen hat. Sie ist am entschlossensten für eine vereinte EU aufgetreten, als Bastion liberaler Werte, als eine Art politischer und ökonomischer Wall gegen Russland. Die New York Times schreibt, es scheint, als wolle Russland Merkel in diesem Jahr das bescheren, was es 2016 Hillary beschert hat. Die Zeitung hat keinen Zweifel, dass die Hacker-Armeen bereits den Auftrag dazu haben. … Die Folgen solcher Kampagnen aus Propaganda, Falschinformationen, Ängsten und einem Hassdiskurs hat man ja eindeutig sehen können. Die Behörden haben allen Grund, das als wahre Aggressionen einzustufen und entsprechend zu reagieren.“
Ovidiu Nahoi
LE MONDE (FR)
Schwäche der USA besorgniserregend
Die Lage in den USA ist auch für Europa höchst beunruhigend, findet Le Monde:
„Die konfliktbeladene Amtsübergabe ist bedauerlich. Aber die Destabilisierung der amerikanischen Geheimdienste ist es noch mehr, denn das geht über innenpolitische Spannungen hinaus. Sie schwächt die USA gegenüber Russland zu einem Zeitpunkt, wo Präsident Putin seinen Willen nach einem starken Auftreten auf der internationalen Bühne immer mehr Nachdruck verleiht, und wo die westlichen Demokratien, tief in mehrere Krisen verstrickt, sich zurückziehen. Es gibt keinen Zweifel daran, dass China und andere das künftige amerikanische Regierungsoberhaupt mit größtem Interesse gestikulieren und zetern sehen. Aus europäischer Perspektive betrachtet ist das Spektakel nicht nur bedrückend, es ist höchst besorgniserregend.“
DE TIJD (BE)
Die digitale Welt ist unsicher
Der Bericht der US-Geheimdienste zeigt, dass der Cyberkrieg längst Realität ist, stellt De Tijd fest:
„Erneut ist das ein Beweis dafür, dass die digitale Welt eine total unsichere Welt geworden ist. Buchstäblich alles kann ausgegraben und geraubt, gefälscht oder missbraucht werden. Sicherheit existiert nicht in der Cyberwelt – das ist offensichtlich. Natürlich nutzen die Großmächte die Cyberwelt, um ihren Einfluss zu vergrößern – das wird Putin sicher auch tun. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es fast nur amerikanische Unternehmen sind, die die Cyberwelt gestalten. Die US-Geheimdienste haben also einen natürlichen Vorsprung vor dem Rest der Welt. Das Problem ist nur, dass jeder die Löcher im System ausnutzen kann. Und genau das geschieht nun in den USA.“
Jean Vanempten
NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (CH)
Das eigentliche Problem heißt Trump
Das größte Problem in der Debatte um den US-Geheimdienstbericht ist nicht Wladimir Putin, sondern Donald Trump, urteilt die Neue Zürcher Zeitung:
„Es braucht keinen Geheimdienstbericht, um zu erkennen, dass Russland einen eigentlichen Informationskrieg gegen westliche Demokratien führt. Auch private Sicherheitsfirmen haben Indizien für eine russische Spur hinter den Hackerangriffen auf die Partei Hillary Clintons zusammengetragen. Die Präferenz des Kremls für den Republikaner Trump war nie ein Geheimnis, ebenso wenig wie dessen Bewunderung für den starken Mann in Moskau. Das Beunruhigendste an dieser Geschichte ist nicht, dass Russland die amerikanische Politik manipulieren will. Alarmierend ist vielmehr, dass bald ein Mann im Weissen Haus sitzt, der vor dieser Tatsache beharrlich die Augen verschliesst und die von Russland ausgehende Gefahr nicht erkennen will.“
Andreas Rüesch
NEWS.BG (BG)
Vorwurf der USA ist Unsinn
Den Bericht der US-Geheimdienste über russische Hackerangriffe im US-Wahlkampf hält das Nachrichtenportal news.bg für Propaganda:
„Zu bestimmen, aus welchem Land ein Hackerangriff kommt, ist so gut wie unmöglich, weil die Hacker über Tausende IP-Adressen verfügen. Sie könnten beispielsweise über Japan und China angreifen und dabei absichtlich kyrillische Buchstaben in den Code einstreuen. So etwas dient zur Ablenkung und kann nicht als Beweismittel dafür verwendet werden, dass der Angriff aus Russland kam. Die Hacker könnten in Russland, Japan oder auch in Afrika sitzen. Zu behaupten, dass Putin persönlich hinter dem Hackerangriff steckt, ist demnach völliger Unsinn. Das Vorgehen der Geheimdienste wird mit Sicherheit früher oder später als Teil der amerikanischen Propaganda im Informationskrieg auffliegen.“
Simeon Nikolov