Ärzte machen Politik gegen die Union. «Wer keine Arztpraxen mehr will, wählt CDU», plakatieren sie in ihren Praxen. Damit nehmen sie sich nach der SPD die zweite große Partei vor. Mit dem Unterschied, dass es jetzt wirklich jemanden interessiert.
Jetzt setzt die Ärzteschaft zum Rundumschlag an. Nachdem sie sich seit März öffentlich gegen die Gesundheitspolitik der SPD stellt, ist nun auch die CDU dran. In den Arztpraxen der Republik hängen hellblaue Plakate. Auf ihnen steht: «Am 27. September geht es um ihre Gesundheit.» Die Ärzte geben auch gleich eine Nicht-Wahlempfehlung zur Bundestagswahl ab. «Wer keine Arztpraxen mehr will, wählt CDU oder SPD.»
Hinter dem Aufruf verbirgt sich die sogenannte «Aktion 15». Sie mischt sich mit ihren Plakaten aktiv in den Wahlkampf ein. Ihr Ziel: CDU und SPD sollen jeweils nicht mehr als 15 Prozent der Stimmen bekommen. Außer in Bayern. Da lautet der Slogan nach den Ergebnissen der Europawahl: «Zehn Prozent für die SPD. Das reicht.» Initiiert hat das alles Thomas Fix. Er ist CDU-Mitglied, Gynäkologe und verärgert.
Die Ärzteschaft sei tief enttäuscht von der Unio, das Regierungsprogramm – vor einer Woche beschlossen – biete bezüglich der Gesundheitspolitik «viel heiße Luft und Blabla». Unterschiede zur SPD seien nicht mehr erkennbar. Kurz nach seiner Attacke gegen die Union verabschiedete er sich in einen dreiwöchigen Sommerurlaub und ist für weitere Gespräche nicht mehr erreichbar.
Die Union bleibt in ihrem Programm hinsichtlich der Gesundheitspolitik sehr vage. Auf 3 von 61 Seiten ihres Manuskripts macht die Partei lediglich einige Andeutungen. Unter anderem steht da geschrieben: «Wir setzen auf eine Kultur des Vertrauens und des Verantwortungsbewusstseins im Gesundheitswesen.» Die außerdem von der CDU geforderte freie Arzt- und Krankenhauswahl bewertet Thomas Fix nur als Lippenbekenntnis.
In wie vielen Wartezimmern die Plakate bereits hängen, ist unklar. Die Vordrucke kann sich jeder auf der Internetseite von Hippokranet herunterladen. Nach eigenen Angaben haben sich bereits mehr als 40.000 Nutzer auf der Plattform registriert. Die aktuellen Plakate wurden 2200 Mal von der Seite gezogen. Thomas Fix schätzt, dass in 40.000 Praxen in Deutschland ein solches Wahlkampfplakat hängt.
Die SPD wollte bereits im März die Aktion lässig aussitzen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gehe davon aus, dass es eh nur wenige SPD-Wähler unter den Ärzten gebe. Im Rundschau-Gespräch äußerte ihr Sprecher Klaus Vater damals, dass er nicht glaube, die Ärzte würden den Sozialdemokraten das Superwahljahr verhageln. Außerdem war er der Meinung, dass es den Streit nicht zwischen Ärzten und Ministerin, sondern zwischen Verbandsvorsitzenden und Ministerin gibt.
Bei der CDU sieht es etwas anders aus. Ärzte wählen traditionell CDU oder CSU, was bei den Christdemokraten bekannt ist. Die Union dürfte sich für dieses Thema sehr interessieren, da ihnen eine wichtige Wählergruppe weg brechen könnte. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsbundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz, lässt allerdings durch ihr Büro auf Anfrage erklären, dass sie sich nicht zu diesem Thema äußere. Man gehe davon aus, dass es sich lediglich um eine kleine Minderheit von Ärzten handle.
Ob das der tatsächliche Grund ist, kann angezweifelt werden. Immerhin äußert sich die Politikerin auch zu anderen Themen, die nicht unbedingt die breite Masse tangieren. Zum Beispiel nahm Annette Widmann-Mauz Anfang des Jahres persönlich mittels eines Briefes zur Vergütungsproblematik bei den in Ausbildung befindlichen Psychotherapeuten Stellung. Es ging um den Teil der Ausbildung, den die zukünftigen Therapeuten mit der praktischen Arbeit verbringen. Die Frage, ob dieses Thema, oder die zukünftige Gesundheitspolitik der Union, den Ärzten stärker auf den Nägeln brennt, kann jeder für sich selbst beantworten. tno