TV/ Tatort: SturmEin Anschlag an einem öffentlichen Platz, ein Dutzend Tote und Verletzte: Der Neujahrs-„Tatort“ erinnert an die Ereignisse von Berlin. Die ARD hält bislang an der Ausstrahlung fest. Es lässt sich an dieser Stelle nicht vermeiden, das Ende eines noch nicht gesendeten „Tatort“ zu verraten. In der Folge „Sturm“ aus Dortmund, dessen Ausstrahlung für den Neujahrssonntag geplant ist, gibt es ein Finale, das im Nachklang des Berliner Anschlags besonders verstörend wirkt:

Ein Transporter rollt auf einen öffentlichen Platz, eine Autobombe wird gezündet, über der Stadt steigt Rauch auf, zum Schluss liegen rund ein Dutzend Tote und Verletzte auf dem Pflaster.

Das „Tatort“-Jahr 2017 beginnt wie das „Tatort“-Jahr 2016: mit Terror. Am ersten Sonntag des Jahres lief damals der Til-Schweiger-„Tatort“, in dem gleich zu Anfang das „Tagesschau“-Studio von Tschetschenen mit islamistischem Hintergrund gestürmt wurde. Auftakt für eine ganze Reihe von Dschihadisten-„Tatorten“; 2016 stellte neben dem Cyber War der Heilige Krieg das Trendthema in der Krimireihe dar.

In der im März ausgestrahlten Falke-Folge „Zorn Gottes“ ging es um eine Braunschweiger Terrorzelle, der Kieler Fall „Borowski und das verlorene Mädchen“ vom November erzählte von einer zum salafistischen Islam konvertierten jungen Deutsche, die an Kämpfer des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) vermittelt werden sollte. Für Furore sorgte der eher schwache Borowski-„Tatort“ vor allem deshalb, weil in der anschließenden Anne-Will-Sendung eine junge Schweizerin mit Nikab saß.

Weihnachtsmarkt? Lieber nicht!

Auch in dem noch nicht ausgestrahlten Dortmunder „Tatort“ mit Ermittler Peter Faber geht es um zum Islam konvertierte Menschen ohne expliziten Flüchtlings- oder Migrationshintergrund. Die mögliche religiöse Radikalisierung wird hier an einem Deutschen durchgespielt – an einem Bankangestellten, der sich einen Sprengstoffgürtel umgelegt hat und in dieser Montur in der Innenstadtfiliale seines Arbeitgebers hohe Summen transferiert, mutmaßlich an den sogenannten IS. Am Ende dann das infernalische Szenario, das in einigen Punkten an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin erinnert.

Sollte man den Film also nicht besser verschieben? Zumal die ARD-Programmplaner inzwischen die für den 23. Dezember angesetzte Wiederholung der Saarländer Episode „Weihnachtsgeld“ gestrichen haben, da diese zwar nicht von Terroristen handelt, aber doch zu großen Teilen auf dem Weihnachtsmarkt spielt.

Zumindest ein Blick auf Schweigers ARD-Krimi legt die Streichung des neuen Dortmund-„Tatort“ nahe: Schweigers Tschetschenen-„Tatort“ sollte ursprünglich schon im Herbst 2015 gesendet werden. Doch nach den Anschlägen in Paris vom 13. November 2015 entschied die ARD, den Film aus Pietätsgründen zu verschieben. Schweiger grollte daraufhin, die Einschaltquote im Januar 2016 war ziemlich schlecht. Die Umprogrammierung stieß auch ARD-intern nicht nur auf Begeisterung. Aber einen Terror-„Tatort“ mit dem Titel „Fegefeuer“ wollten die Verantwortlichen den Zuschauern nach den Ereignissen von Paris nicht zumuten.

Indes, den Dortmunder „Tatort“ mit dem Titel „Sturm“ sollen die Zuschauer trotz möglicher Einwände zeitnah sehen können. Ausstrahlung bleibt laut dem verantwortlichen WDR nach bisheriger Planung der 1. Januar. Möglicherweise eine Entscheidung, die dem Schweiger-Debakel geschuldet ist. Möglicherweise aber auch eine etwas generellere Entscheidung vor dem Hintergrund einer beständigen Gefahrenlage. Wohin soll man Krimis, die sich mit dem Terror beschäftigen, schieben, wenn der Terror sowieso stets präsent ist?

Besonders irritierend am Faber-„Tatort“ Ende nächster Woche: Der eigentliche Fall ist längst schon abgeschlossen, die Polizei scheint alles im Griff zu haben, dann kommt kurz vor Abspann der Gewaltakt. Keine frohe „Tatort“-Botschaft für das kommende Jahr: Sicherheit ist eine Illusion.

Dez. 2016 | Allgemein, InfoTicker aktuell, Zeitgeschehen | Kommentieren