Das Bundesverfassungsgericht hat heute, am 13. Oktober, über die Eilanträge von Campact, foodwatch und Mehr Demokratie gegen die vorläufige Anwendung des geplanten Handelsabkommens CETA zwischen der EU und Kanada entschieden.
Die drei Organisationen reagieren darauf mit ersten Bewertungen:
Jörg Haas von Campact: „Das Urteil ist eine Ohrfeige für die Bundesregierung. Es ist ein großer Erfolg und eine große Ermutigung für über 125.000 Bürgerinnen und Bürger, die sich mit uns an dieser Verfassungsbeschwerde beteiligt haben. Nun müssen wir weiter Druck machen, damit CETA nicht ratifiziert wird. Wir werden die deutschen Europaabgeordneten auffordern, CETA abzulehnen. Aber auch die Grünen in Landesregierungen stehen beim Bürger in der Pflicht, CETA im Bundesrat zu stoppen.“
Thilo Bode, Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch: „Es ist ein Riesenerfolg, dass das Bundesverfassungsgericht unsere Bedenken in einem Hauptsacheverfahren prüfen will – schließlich haben weder die Bundesregierung noch die Europäische Kommission die Argumente bisher ernstgenommen. Das ist ein Schlag ins Kontor von Sigmar Gabriel und Angela Merkel, deren Versuch, ein Hauptsacheverfahren zu verhindern, grandios gescheitert ist. Wir mussten bis zum Höchsten Gericht gehen, damit endlich über die massiven Gefahren von CETA für unsere Demokratie diskutiert wird. Das Gericht winkt die vorläufige Anwendung nicht einfach durch, sondern formuliert strenge Auflagen – das zeigt, dass die Bundesregierung die Folgen des Abkommens für die Demokratie allzu sehr auf die leichte Schulter genommen hat. Fazit: Wir haben nicht alles gewonnen, aber vieles. Unser Kampf gegen dieses verfehlte Abkommen geht weiter!“
Roman Huber, Geschäftsführender Vorstand von Mehr Demokratie: „Wir haben in diesem Eilverfahren wichtige Erfolge: Unsere Argumente wurden gehört, sie werden im Hauptverfahren ausführlich verhandelt werden, und die Bundesregierung muss sicherstellen, dass Deutschland die vorläufige Anwendung aus eigener Kraft wieder aufkündigen kann. Die Ausschüsse müssen jetzt demokratisch legitimiert werden und es dürfen weniger Teile von CETA vorläufig in Kraft gesetzt werden als geplant. Wir haben mehr Demokratie erreicht. Nach dem Verlauf der Anhörung ist es wahrscheinlicher denn je, dass CETA gegen das Grundgesetz verstößt.“
Was Wunder haben nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Ceta Wirtschaftsexperten und Freihandelskritiker unterschiedlich reagiert. Während der Außenhandelschef des Münchner ifo-Instituts, Gabriel Felbermayr, die Entscheidung der Richter lobte, wollen die Kläger ihren Kampf im EU-Parlament fortsetzen.
„Der Handel Deutschlands mit Kanada könnte sich durch CETA langfristig mehr als verdoppeln“, meinte Felbermayer und bekam Unterstützung vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Die Ökonomin Galina Kolev sprach von einer wichtigen Entscheidung für Europa. Eine Blockade durch das Bundesverfassungsgericht hätte hingegen „eine der Kernkompetenzen der europäischen Institutionen in Frage gestellt“, erklärte die IW-Forscherin.
Zuvor hatte sich bereits Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), klar für das Vertragswerk zwischen der EU und Kanada ausgesprochen. „Das Ceta-Abkommen wird sich positiv auf die Exporte und die deutsche Wirtschaft auswirken“, hatte Fratzscher gesagt.
Ceta-Gegner hingegen wollen nicht klein beigeben Das Klägerbündnis aus der Organisationen „Campact“, „Foodwatch“ und „Mehr Demokratie“ gab sich noch nicht geschlagen und will nun an anderer Stelle das Vertragswerk stoppen. „Wir werden die deutschen Europaabgeordneten auffordern, Ceta abzulehnen. Aber auch die Grünen in Landesregierungen stehen beim Bürger in der Pflicht, Ceta im Bundesrat zu stoppen“, sagte Jörg Haas von Campact.
Das Bündnis sah in der mündlichen Eilverhandlung in Karlsruhe trotz der Niederlage einen großen Erfolg.
„Das Gericht winkt die vorläufige Anwendung nicht einfach durch, sondern formuliert strenge Auflagen“, erklärte Foodwatch-Chef Thilo Bode.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch bewertet das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada als „Riesenerfolg“. „Es erfüllt mich mit großer Genugtuung, dass all die Punkte, die wir jahrelang diskutiert haben, die einfach abgetan wurden, dass die heute ernsthaft besprochen werden“, sagte Geschäftsführer Thilo Bode am Donnerstag nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe.
In der Tat haben die Verfassungsschützer die Erlaubnis zur Zustimmung im EU-Handelsministerrat am kommenden Dienstag an drei Bedingungen geknüpft:
Dazu zählen, dass Deutschland erstens aus Ceta wieder aussteigen können muss, dass zweitens die gemischten Handelsausschüsse kein Recht setzen dürfen und dass drittens klar zwischen den Kompetenzen der EU und denen der EU-Mitgliedstaaten getrennt wird.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der die Bundesrepublik im Rat der Handelsminister vertritt, sagte zu, die Auflagen zu erfüllen. „Wir werden das im Handelsministerrat und Kabinettsbeschluss sicherstellen“, sagte der SPD-Vorsitzende nach der Eilentscheidung.
Große Koalition zufrieden mit Karlsruhe.
Die Wirtschaftspolitiker der Großen Koalition zeigten sich erleichtert über das Karlsruher Urteil. „Deutschlands Wohlstand beruht ganz entscheidend auf dem internationalen Handel“, sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs. Die Kanadier hätten in den letzten Monaten viel Geduld geübt, wofür ihnen zu danken sei. Die EU müsse, so Fuchs, nun auch „ein verlässlicher Partner sein“.
Sein Pendant bei der SPD, Hubertus Heil, sah die Linie seiner Partei bestätigt. „Der Weg ist nun frei, um aus einem in vielen Bereichen fortschrittlichen Abkommen durch rechtsverbindliche Klarstellungen ein wirklich gutes Abkommen für freien und fairen Handel zu machen“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende.
Für die Grünen stellt sich die Sache genau gegenteilig dar. „Ceta ist ein gefährliches und hochumstrittenes Abkommen und sollte weiterhin politisch gestoppt werden“, verlangte Fraktionschef Anton Hofreiter.