Die Sonderausstellung „Barock – Nur schöner Schein?“ beweist, dass das Zeitalter weit mehr zu bieten hat als Puder, Pomp und Dekadenz. Bis zum 19. Februar 2017 stellen die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (Museum Zeughaus C5) die Epoche erstmals in ihrer ganzen Vielschichtigkeit vor und hinterfragen gängige Klischees. Die Jahre zwischen 1580 und ca. 1770 waren eine Zeit voller Widersprüche: Neben üppigen „Rubensweibern“ gab es ein klassisch-antikes Schönheitsideal und religiöser Wunderglaube stand wissenschaftlicher Rationalität
gegenüber. Während die einen rauschende Feste feierten, litten andere an den katastrophalen Folgen verheerender Kriege. Bisher widmeten sich Barock-Ausstellungen einzelnen Künstlern und Genres, regionalen Kulturlandschaften oder spezifischen Phänomenen. Die Mannheimer Präsentation verfolgt einen umfassenderen Ansatz und vereint erstmals Kunst, Wissenschaft, Literatur, Musik, Geschichte, Religion und Alltag zu einem Kaleidoskop der Barockzeit.
![Himmelsglobus Heimatmuseum Oettingen Jodocus Hondius, 1601 Den Aufstieg der Niederlande zur Handelsnation würde man heute als erfolgreich geglückten Spionageakt ansehen. Dank eines in portugiesischen Diensten stehenden Niederländers gelangten Ende des 16. Jahrhunderts portugiesische Karten und Handelsrouten in niederländischen Besitz. Mit der Grundung der Niederländischen Ostindien Compagnie 1602 avancierte in der Folge Amsterdam zum weltweiten Zentrum der Kartographie. Exakte Karten und Globen waren die Grundlage für weltweite Expeditionen und die Erschließung der terra incognita. Einer der ersten Kartographen und Globenbauer war Jodocus Hondius, dessen Globen so berühmt waren, dass Johannes Vermeer sie sogar ein halbes Jahrhundert später noch in seinen Bildern darstellte. © Heimatmuseum Oettingen](https://rundschau-hd.de/wp-content/uploads/2016/09/BAR300_43_Himmelsglobus-300x200.jpg)
Himmelsglobus
Heimatmuseum Oettingen
Jodocus Hondius, 1601
Den Aufstieg der Niederlande zur Handelsnation würde man heute als erfolgreich geglückten
Spionageakt ansehen. Dank eines in portugiesischen Diensten stehenden Niederländers
gelangten Ende des 16. Jahrhunderts portugiesische Karten und Handelsrouten in
niederländischen Besitz. Mit der Grundung der Niederländischen Ostindien Compagnie 1602
avancierte in der Folge Amsterdam zum weltweiten Zentrum der Kartographie. Exakte
Karten und Globen waren die Grundlage für weltweite Expeditionen und die Erschließung
der terra incognita. Einer der ersten Kartographen und Globenbauer war Jodocus Hondius,
dessen Globen so berühmt waren, dass Johannes Vermeer sie sogar ein halbes Jahrhundert
später noch in seinen Bildern darstellte.
© Heimatmuseum Oettingen
Im Barock herrschte Aufbruchsstimmung. Zahlreiche Entwicklungen und Neuerungen bereiteten den Weg zur Aufklärung und zum Klassizismus. Sie bildeten das Fundament der heutigen Gesellschaft. Bahnbrechende Erfindungen wie das Fernrohr, mit dem Galilei die Gestirne erforschte, oder das Mikroskop, mit dem van Leeuwenhoek die Bakterien entdeckte, stammen aus dieser Zeit. Die immer gewagteren Reisen der Händler und Missionare veränderten die Weltsicht nachhaltig, unbekannte Länder wurden erschlossen, Exotisches gelangte nach Europa.
Sechs Themenkomplexe machen die faszinierende Barockepoche greifbar. Unter den Überschriften „Raum“, „Körper“, „Wissen“, „Ordnung“, „Glauben“ und „Zeit“ stellt die Sonderausstellung die wichtigsten Charakteristika des Zeitalters vor. Anhand von rund 300 herausragenden Exponaten präsentiert die Ausstellung den Barock als europäisches Phänomen, schlägt aber stets auch eine Brücke nach Mannheim und in die Region. Der Facettenreichtum der Epoche spiegelt sich auch in der Vielfalt der gezeigten Objekte wider: Das Spektrum reicht von prachtvollen Gemälden, Grafiken und Büsten über seltene Bücher, fragiles Porzellan und außergewöhnliche Möbelstücke bis hin zu wissenschaftlichen Instrumenten, Globen und Alltagsgegenständen.
Mit der Schau setzen die Reiss-Engelhorn-Museen ihre langjährige enge Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum Wien fort. Zahlreiche hochkarätige Gemälde kommen aus der österreichischen Metropole nach Mannheim, darunter Werke von Rembrandt, van Dyck und Gentileschi. Weitere namhafte europäische Museen und Sammlungen unterstützen das Projekt ebenfalls durch Leihgaben. Darüber hinaus sind Schätze aus den reichen Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen zu bewundern.
Den historischen Originalen werden an ausgewählten Stellen Arbeiten zeitgenössischer Künstler gegenübergestellt, die sich mit Kunst, Wissenschaft, Musik oder Mode der Barockzeit auseinandersetzen. So schlägt beispielsweise eine Kostümkreation, die die berühmte Modedesignerin Vivienne Westwood für eine Barock-Punk-Performance zu Händels Oratorium „Semele“ geschaffen hat, den Bogen in unsere Zeit. Hörbeispiele und Mitmachstationen runden den Ausstellungsrundgang ab.
![Plan Mannheims und der Festung Friedrichsburg vor dem Dreißigjährigen Krieg Mannheim, Reiss-Engelhorn-Museen Mathäus Merian, 17. Jahrhundert © rem, Foto: Maria Schumann](https://rundschau-hd.de/wp-content/uploads/2016/09/BAR300_25_Plan_Festung_MA-300x219.jpg)
Plan Mannheims und der Festung Friedrichsburg vor dem Dreißigjährigen Krieg
Mannheim, Reiss-Engelhorn-Museen
Mathäus Merian, 17. Jahrhundert
© rem, Foto: Maria Schumann
Die Barockstadt Mannheim bietet den idealen Ort für diese umfassende Barock-Ausstellung. Unter den Pfälzer Kurfürsten stieg die vielfach zerstörte und wieder errichtete Festungsstadt im 18. Jahrhundert zu einer der bedeutendsten Residenzen Europas auf. Noch heute zeugen das Mannheimer Schloss oder die Jesuitenkirche von dieser Glanzzeit. Nicht nur in Mannheim, sondern im ganzen Südwesten ist das barocke Erbe spürbar. Streng gezirkelte Städte, prächtige Kirchenbauten, herrschaftliche Gartenanlagen und monumentale Residenzen gilt es zu entdecken. Anlässlich der Ausstellung haben sich 41 Orte in fünf Bundesländern zum Netzwerk „Barockregion“ zusammengeschlossen. Ergänzend zum Besuch der Mannheimer Präsentation bieten die Partner Aktionen und Veranstaltungen an barockzeitlichen Originalschauplätzen.
Die Sonderausstellung „Barock – Nur schöner Schein?“ ist vom 11. September 2016 bis 19. Februar 2017 im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim zu sehen. Zur Ausstellung gibt es ein abwechslungsreiches Begleitprogramm für Kinder, Erwachsene und Schulklassen. Der reich bebilderte Begleitband erscheint im Verlag Schnell & Steiner. Eine CD mit barocken Musikbeispielen zur Ausstellung wurde von Harmoni Mundi France produziert.
Bilder und Rechte oben (links): Doily (rechts): Bildnis einer lesenden Frau
Hendrik Kerstens (*1965) Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim
Fotografie, 2011 Peter Paul Rubens / Jan Boeckhorst, 17. Jahrhundert
© Hendrik Kerstens © rem, Foto: Jean Christen
Abwechslungsreiche Angebote für Kinder und Familien zur aktuellen Barock-Ausstellung
Zur aktuellen Sonderausstellung „Barock – Nur schöner Schein?“ bieten die Reiss-Engelhorn-Museen zahlreiche Angebote und ein abwechslungsreiches Begleitprogramm für Kinder, Jugendliche und Familien. Zahlreiche Führungen und Workshops entführen in die facettenreiche Barockzeit. Hier finden Sie alle Termine im Überblick.
Mitmachstationen
Spezielle Kindertexte und Mitmachstationen vermitteln in der Ausstellung einen spielerischen Zugang für junge Besucher. Bei einer Riechstation schnuppern die Mädchen und Jungen den Duft der großen weiten Welt. Sie erfahren, welche fernen Länder im Barock bereist wurden und welche exotischen Gewürze und Speisen nach Europa gelangten. An einem Schminktisch lernen sie Schönheitstricks der Barockzeit kennen und stellen ihr Geschick als Perückenmacher unter Beweis. Der Barock war eine Zeit der großen Erfindungen. Neben dem Fernrohr feierte auch das Mikroskop eine Blütezeit. Die Kinder entdecken, welche faszinierenden, mit dem bloßen Auge unsichtbaren Details unter der Linse eines Mikroskops sichtbar werden. Jeder Besucher kann die strenge Kleiderordnung des Barock auf den Kopf stellen und sich mit seiner Kreation fotografieren. Zeitungen und Flugblätter verbreiteten im 17. und 18. Jahrhundert Neuigkeiten in Windeseile. In Anlehnung an eine Druckerwerkstatt gestalten die Besucher ihre eigene Postkarte.
Entdeckerrallye
Neben einer Audioguide-Führung für Kinder gibt es an der Kasse im Museum Zeughaus C5 auch das Heft „Die Barock-Entdecker“. Dieses ist kostenlos erhältlich und richtet sich an Familien. Gemeinsam mit den Museumsmaskottchen Carl T und Lotte gehen Klein und Groß auf eine spannende Reise in die Barockzeit. Sie lösen knifflige Rätsel und nehmen ausgewählte Exponate in der Ausstellung genauer unter die Lupe. Aufgaben sorgen auch zuhause für barocken Spaß.
Kindergeburtstag
Der Kindergeburtstag wird im Museum zum Erlebnis. Gemeinsam mit seinen Gästen taucht das Geburtstagskind in die Zeit des Barock ein. Beim Besuch der Sonderausstellung gibt es viel zu entdecken. Wie lebten die Menschen vor mehr als 250 Jahren? Wie sah die Mode aus? Welche Speisen kamen damals auf den Tisch? Danach schlüpfen die Mädchen und Jungen in die Rolle edler Hofleute und geschickter Handwerker und gestalten ihren eigenen barocken Prunkrahmen.