Donnerstag, 21.07 – 10:30 Uhr: Nach der Verhängung des Ausnahmezustands in der Türkei durch Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt am Nachmittag (14.00 Uhr Ortszeit/13.00 Uhr MESZ) das Parlament zusammen. Die Nationalversammlung in Ankara kann die Dauer des Ausnahmezustandes verändern oder ihn aufheben, was aber angesichts der Mehrheit von Erdogans AKP als ausgeschlossen gilt. Der Ausnahmezustand trat am Donnerstagmorgen um 01.00 Uhr mit der Veröffentlichung im Amtsanzeiger landesweit in Kraft. Er gilt 90 Tage.
Erdogan will damit die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen bekämpfen, den er für den Putschversuch mit mehr als 260 Toten verantwortlich macht. Unter dem Ausnahmezustand kann Erdogan weitgehend per Dekret regieren. Seine Erlasse haben nun Gesetzeskraft und treten mit der Veröffentlichung im Amtsanzeiger in Kraft. Noch am selben Tag müssen sie dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden, das sie angesichts der AKP-Mehrheit aber abnicken dürfte.
Die Erlasse des türkischen Präsidenten haben künftig Gesetzeskraft. Zwar müssen sie noch am selben Tag dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden. Angesichts der AKP-Mehrheit ist aber zu erwarten, dass die Abgeordneten Verfügungen des Präsidenten billigen werden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte die Türkei auf, den Ausnahmezustand möglichst kurz zu halten. Er müsse „auf die unbedingt notwendige Dauer beschränkt und dann unverzüglich beendet“ werden, sagte Steinmeier am Mittwochabend (Ortszeit) bei einem Besuch in Washington. Zugleich mahnte er: „Bei allen Maßnahmen, die der Aufklärung des Putschversuchs dienen, müssen Rechtsstaatlichkeit, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.“
Beschwichtigend gab sich der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. „Der Ausnahmezustand steht der Demokratie, dem Gesetz und der Freiheit keineswegs entgegen. Ganz im Gegenteil, es dient der Wahrung und Stärkung dieser Werte“, verkündete er im Kurznachrichtendienst Twitter. Unter dem Ausnahmezustand können die Behörden beispielsweise Ausgangssperren verhängen, Versammlungen untersagen und Medienberichterstattung zensieren oder verbieten.
Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte, der Ausnahmezustand werde den Alltag der gewöhnlichen Menschen keinesfalls negativ beeinflussen. „Unsere Bürger sollen sich sicher sein, dass wir fest entschlossen sind, die Beseitigung dieser Verräter fortzusetzen und alles dafür zu tun, unsere Gesetzesordnung, Demokratie, wirtschaftliche Stabilität und öffentliche Ordnung zu schützen.“
Die Linken-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Sahra Wagenknecht, forderte die Bundesregierung auf, sie müsse „jetzt endlich ihren Premiumpartner Erdogan aufgeben“. Mit der Verhängung des Ausnahmezustands habe Erdogan „jegliche demokratische Maske fallen lassen“.
In den USA erklärte – was Wunder – der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, er werde im Falle eines Wahlsieges keinen Druck auf die Türkei oder andere autoritäre Verbündete ausüben, falls diese politische Gegner ausschalten oder Bürgerrechte einschränken sollten. Sehr lobend äußerte er sich über Erdogan. „Ich zolle ihm große Anerkennung, dass er in der Lage war, das herumzudrehen.“