Wie auf Mallorca zwei an die Finca eines Heidelberger Ehepaars gebauten Säulen zu immerfortwährendem Denken einladen. Was sie denn tragen sollten, die beiden immerhin drei Meter hohen Säulen aus Santany-Stein, die das deutsche Ehepaar Ulla und Dietrich T. an ihre Finca zwischen S´ Alqueria Blanca und Cala Dor gestellt haben wollten, fragte Steinbruch-Betreiber Lorenzo Verger aus Santanyi. Nichts, wurde ihm geantwortet, die sollen da einfach nur so stehen. Natürlich nahm er den Auftrag an, obgleich, wie er später, als die Säulen nach einigem Aufwand standen, einräumte, Säulen ohne Sinn und Zweck bislang noch nie gebaut zu haben, um dann aber einzugestehen, das Werk gefalle ihm nun doch ganz gut …
Einige Besucher nahmen „diese Steine“ als Herausforderung, verstiegen sich zu vorgerückter Stunde darin, die Enge als Mahnung, – eingedenk nächtelanger Gespräche mit Hans-Georg Gadamer in Heidelberg – als hermeneutisch-mahnenden Hinweis darauf zu begreifen, es sei unsere Freiheit im Blick auf unser ewiges Schicksal verantwortungsvoll zu gebrauchen und zugleich als eindringlichen Aufruf zur Umkehr. Im weiteren Verlauf des Abends erwies sich die dem Wein und dem Gespräch geneigte Runde zudem als bibelfest: „Geht“ – wurde Mathäus 7 Vers 13 und 14 zitiert – „durch das enge Tor! Denn das Tor ist weit, das ins Verderben führt, und der Weg dahin ist breit, und viele gehen auf ihm. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal, und nur enige finden ihn,“ Und diese beiden Säulen gäben den Weg doch immerhin als einen nach oben hin offenen solchen. …
Da kamen denn auch die Auftraggeber dieses Seinsmals ins Grübeln und fingen an, mit diesen santanyitischen Steinen „als Schlüssel ein Fenster zu öffnen zur großen weiten Kunstwelt“, das – auch dies ward angesprochen – vielen Zeitgenossen freilich selten genug zum Ausblick diente; und fingen nächtens damit an, munter mitzuschreiben, was unter hell leuchtendem Sternenhimmel noch so alles gesagt worden war als – sozusagen – philosophischer Überbau diesen Steinen umgehängt; und, zu guter Letzt – und lange noch nicht zuletzt auch des Vollmondes wegen, der sich, wenngleich mit gemessener Langsamkeit wandernd, die Exponate verändernden fahlen Schatten, die auf den Steinen und um die Steine herum waberten, fesselten die Steine durch die (je nach Standort) unerwartet reiche Vielfalt nicht nur des bildnerischen Ausdrucks, sondern auch der archaischen Sprache, der außerordentlichen Kraft von Visionen, von der auch letzte Details dieser – wiewohl aus klaren Linien entstandenen – ungewöhnlich verwirrenden Arbeiten durchdrungen sind und bei deren Enträtseln Beschauer in Dechiffrierlust verfallen und kreativ zu sein – oder es zumindest sein zu wollen – in die Lage versetzt werden. Und, je mehr Flaschen geöffnet waren, desto offener wurden einige der Betrachter für mehrschichtige, für freilich nicht immer für alle nachvollziehbare Erfahrungen; „Man kann einem Menschen“- hat Galileo geschrieben – „nichts lehren,
man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.“
Dies vereinnahmen wir für die mittlerweile von uns Zweisäulen-Philosophie genannte Lehre, was sowohl eine besondere Art von Dialektik meint, als auch das Ozillieren zwischen Gegensätzen und ihre Synthese auf zwei immerhin drei Meter hohen Ebenen.
Da ist sie nun also, die Dialektik zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Verstandesmäßigem und Gefühlen, zwischen Realismus und dem Schaffen von Raum für Visionen und Kreativität, innerhalb derer sich einige der Kunstbetrachter offenkundig der kruden Sprache von Kunstkritikern bedient – und sich auf eine Gratwanderung begeben haben zwischen Halluzination und tiefer Einsicht – das Wort war Stein geworden …