“Schlimmer als Böhmermann” – so lautet Bömermanns Bühnenprogramm – dürften nur wenige seiner Kollegen sein, wie er beispielsweise mit seinem Scoop zu #Varoufake eindrucksvoll unter Beweis stellte. sz-magazin.sueddeutsche.de (Porträt von Stefan Niggemeier), zeit.de (“Der Alleinunterhalter”), taz.de (“Arschloch mit Herz”-Interview) Und nu? („Herr Erdogan: „Deutschland ist nicht Kurdistan“ Hallervorden). Noch lange nicht haben aber alle alles dazu gesagt. Lesen Sie hier kurze Statements von Politikern zur Entscheidung der Bundeskanzlerin in der Causa Bömermann:
Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
„Die Entscheidung der Bundesregierung im Fall Böhmermann ist richtig. Satire darf alles, aber nicht jede Beleidigung ist Satire. Wo die Grenze liegt, entscheiden in unserem Rechtsstaat die Gerichte. Deswegen hat die Bundesregierung hier richtig gehandelt.“
Frank-Walter Steinmeier, Bundesaußenminister (SPD)
„Das war eine schwierige Entscheidung. Für beide Alternativen gibt es gute Gründe. Die SPD geführten Ressorts haben nach sorgfältiger Überlegung gegen die Erteilung der Ermächtigung gestimmt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Bundeskanzlerin. Wir sind der Auffassung, dass die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht hätte erteilt werden sollen. Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit sind höchste Schutzgüter unserer Verfassung.“
Heiko Maas, Bundesjustizminister (SPD)
„Paragraf 103 Strafgesetzbuch wollen wir abschaffen. Die Sonderregelung der Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern ist aus der Zeit gefallen. Der Gedanke einer Majestätsbeleidigung passt nicht mehr in unser Strafrecht.“
Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament
„Türkische Journalisten und Künstler werden noch mehr leiden.“
Matthias Höhn, Bundesgeschäftsführer der Linkspartei
„Despoten aller Länder, beeilt euch! Satire ab 2018 wieder erlaubt.“
Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef im Bundestag
„Ich halte die Entscheidung für falsch. Strafverfolgung von Satire wegen ‚Majestätsbeleidigung‘ passt nicht in moderne Demokratie.“
Elke Ferner, SPD-Parteivorstandsmitglied
„Thomas Oppermann hat völlig recht! Majestätsbeleidigung ist für das vorletzte Jahrhundert.“
Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
„Ich hätte von unserer Kanzlerin hier eine klar andere Haltung erwartet. Stattdessen werden wir nun Teil der türkischen Satire von Präsident Erdogan.“
Simone Peter, Bundesvorsitzende der Grünen
„Der EU-Türkei-Deal wirkt: Erdogan setzt sich durch, Satire ist das Opfer. Für die Zukunft: (Paragraf) 103 abschaffen.“
Christian Lindner, FDP-Chef
„Die Symbolwirkung im Fall Böhmermann ist sehr groß. Merkel hätte politisch anders entscheiden müssen.“
Peter Tauber, CDU-Generalsekretär
„Die Bundesregierung nimmt den Rechtsstaat ernst. Auch wenn es manchmal wehtut.“
Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linksparte
„Unerträglicher Kotau: Merkel kuscht vor türkischem Despoten Erdogan und opfert Pressefreiheit in Deutschland.“
Niels Annen, SPD-Parteivorstand
„Ich halte das für eine falsche Entscheidung der Kanzlerin.“
18.Apr..2016, 12:38
„Merkel hat eine klare Lektion in puncto politischer Führung erteilt. Ihre Ansprache ist ein politisches und juristisches Meisterwerk. Sie führt Erdoğan aufs Glatteis der Rechtstaatlichkeit, auf dem er keine gute Figur macht. Sie rechnet damit, dass der türkische Präsident an der Stelle ausrutschen wird, wo es um Medien- und Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz und die Unschuldsvermutung geht – alles Errungenschaften, die, wie Merkel richtig anmerkt, bei ‚unserem Partner und Verbündeten‘ Türkei nicht ausreichend gewährleistet sind. Und Böhmermann? Ihn erwartet keine Gefängnisstrafe, sondern ganz im Gegenteil – eine glorreiche Zukunft wegen seines Beitrags zur Abschaffung des schwachsinnigen Paragrafen 103 StGB, die Merkel angekündigt hat. Der Dumme wird am Ende Erdoğan sein.“
M. W.
18.Apr..2016, 12:44
„Sie hat nicht nur zu Recht auf die Zuständigkeit der Rechtsprechung verwiesen, sondern zugleich endlich die Abschaffung des ‚Majestätsbeleidigungs‘-Paragrafen (§103 Strafgesetzbuch) in Aussicht gestellt. Seine Streichung empfiehlt sich nicht nur, weil nicht einzusehen ist, dass ein ausländisches Staatsoberhaupt einen umfassenderen Rechtsschutz verdient als jeder andere Bürger. Sie ist auch deshalb geboten, weil mit der Anwendung des § 103 StGB stets ein Eingriff in die Gewaltenteilung droht. Denn nach § 104a StGB kann die Bundesregierung – wie geschehen – der Justiz die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilen oder verweigern. … Eine Regelung aber, die eine Verletzung des Prinzips der Gewaltenteilung in das Ermessen der Spitze der Exekutive stellt, gehört nicht ins Strafgesetzbuch.“
18.Apr..2016, 19:58
Es stellt sich die Frage, ob sich das Verfahren so lange hinzieht, dass der § 103 StGB dann möglicherweise schon abgeschafft sein wird. Und ob das dann Kalkül von Merkel und ihren Beratern war/ist.
Dennoch: Die Kanzlerin hätte dies besser nicht gemacht. Es hätte ja wegen der Privatklage sowieso ein Verfahren gegeben. Mit einem geringeren Strafmaß. So hat sie das falsche Signal gegeben und Erdogan ermuntert. Ein politisches Signal, das jetzt schon die Satirelandschaft verändert. Und andere Bürgerschinder werden sich befleißigt sehen, es Erdogan nachzutun und zu Felde ziehen.
Wir werden über Jahre damit beschäftigt sein. Und das ist es, was Erdogan will. Er mag partout nicht, dass wir uns in seine bzw. die inneren Angelegenheiten der Türkei einmischen. Obwohl 4 Mio. Türken auch hier leben.
Er wird die Gelegenheit nutzen, zum Prozess zu erscheinen oder zumindest einen Vertreter zu entsenden. Er wird den Prozess beobachten, der wohl fair sein wird. Aber das wird diesen gekränkten Narzissten kein Milligramm dazu bewegen, in seinem Land auch nur annäherend ähnliche Verhältnisse zu schaffen.
Wir sind in Deutschland manchmal etwas naiv.
Beste Grüße
Fritz Feder