FliegeDas Musterbild Jemandes, der mit gepappten an Kinder verteilten Appellen an dumpfe Vorurteile, Karriere als Altstadtbeirat, oder als was auch immer zu machen versucht, der muss Populist genannt werden dürfen. Und, welche, die auf alles losgehen, was man mit Schildern, Transparenttexten und mit nur wenig Phantasie als Schuldzuweisung für den schrecklichen Unfalltod des neun Jahre alten Ben lesen musste, sind welche, die Kinder auf widerwärtige Weise instrumentalisieren. Für – und schon gar nicht für stille – Trauer war auf dieser Veranstaltung jendenfalls kein Platz.

Ausschließlich ging es um politischen Erfolg in Sachen Grünen-Verkehrs-Denke die keine differenzierte Argumentation braucht, solange man nicht an die Urteils-, sondern nur an die Vorurteilskraft seiner zu Instrumentalisierenden appelliert.

IMG_5635Weil er, sie, es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon von anderen Selbstdarstellern gelernt hat, dass im Krieg der Meinungen die Lufthoheit über den Stammtischen entscheidend ist. Weil der zentralen Lehrsatz des Populismus verinnerlicht wurde: Das einfache Argument schlägt jederzeit das richtige. Diffamieren geht über Studieren; dies frei nach dem Motto: „sem­per ali­quid hae­ret“ – „es bleibt immer etwas hängen“.

Trauer zeigen, das wollten die Veranstalter nicht; stattdessen wollte man auch mit diesem „Stillen Protest“ ganz  einfach nur etwas aufführen, was aus dem Rahmen fällt und schon deshalb mit Sicherheit ins Gespräch und – um, das möchte ich gerne einräumen,  der Sache willen – von willfährigen Journalisten dann per Bildregie ins Blatt oder auf den Bild-Schirm gebracht wird, das die Einen schockiert, die Anderen ärgert, manche traurig macht und aber alle irgendwie beschäftigt. Stille Trauer oder eine Trauerrede hätte das nicht zu Stande gebracht, ein Streichquartett auch nicht. Wer Reichweite sucht, der muss es – was genau so geplant und abgelaufen ist – populistisch krachen lassen.

IMG_5633Der Begriff ist jünger als die Sache: Menschen zu packen, an ihrer  Angst, an ihren Abneigungen und Vorlieben, etwas schlimm zu reden, mal zum Souverän, mal zum Vollstrecker eines „höheren“ Willens, ist eine alte und zugleich widerwärtige Kunst derer, denen Gefühle Jener, also in diesem Fall den trauernden Kindern, um die es (eigentlich) vorgeblich ging und Jenen, die stumm aber dann als Träger für die pappig-manupilativ-schreienden, unverfrorenen Dummsprüche ge- und missbraucht wurden.

Aus den gekommenen Kindern und deren (in der Regel) Müttern wurden via solcher Sprüche zwar stumme Kinder, aber Polemik schreiende insofern, als sie es waren, die diese Schilder und Transparente hingehalten und so Schuldzuweisungen an die Leute und in die Medien brachten. Viele wären sicher gar nicht gekommen, hätten sie gewusst, wozu sie da benutzt und missbraucht werden. Die Macher dieses Spektakels, die „üblichen Verdächtigen,“ standen derweil im Hintergrund, freuten sich über reges nicht nur Medieninteresse: selbsternannte Meinungs-Führer und Verführer.

d546c8c8f2Wobei der Populismus nicht die Endstufe der Demagogie darstellt, nicht das Programm und nicht die Exekution von Recht und oder Politik, sondern eine Art Weichspülung, den ersten Arbeitsgang, ein erstes Vorpreschen, das Aufmerksamkeit erregt, Zulauf bewirkt, aber nur selten und auch auf diesem „Event“ nicht brachte, was es vorgeblich bringen sollte.

Dass Populismus etwas (in gewissen Kreisen) bereits längst völlig Normales zu sein scheint, eine durch Jahrhunderte abgeschliffene, trainierte Taktik, die sich zum explodierenden Extremismus verhält wie tausend kleine, korrigierende wenig wahrgenommene Beben zum großen zerstörerischen Aufprall der Erdplatten, ist eine, ich weiß das wohl,  nicht gern vernommene Meinung; denn schon der leiseste Ausschlag des Seismographen verursacht in nicht nur aber gerade hier besonders gern gepflegten Diskussionen – Ernst Bloch hatte dazu diese Meinung: „Heidelberg ist ein Mekka des Geschwätzes“ – als ob er je eine Gemeinderatssitzung abgesessen hätte – Heidelberger Diskussionen, eine Art pflichtgemäßer, nachgerade „geschuldeter“ Erregung – so als müsse man und könne nicht anders, das politische Fundament, auf dem man steht, für erodiert halten.

„Heidelberger Verkehrspolitik Ignoranz mit Todesfolge” - das beinhaltet nichts anderes, als sich einer Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht zu haben (§ 227 StGB). Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf, instrumentalisiert auf dem Rücken dieses schrecklichen Unfalls !

„Heidelberger Verkehrspolitik Ignoranz mit Todesfolge” – das beinhaltet nichts anderes, als die Schuldzuweisung, sich einer Körperverletzung mit Todesfolge strafbar gemacht zu haben (§ 227 StGB). Das ist ein ungeheuerlicher Vorwurf, instrumentalisiert auf dem Rücken dieses schrecklichen Unfalls! Welcher Paragraph ist wohl dafür zuständig?

Eine Unruhe geht um, ein Gespenst: Der Populismus, den man fürchtet, rumort  hier und wo man nur noch die Zukunft ängstlicher betrachtet als die Vergangenheit, da ist Populismus jedem wohlfeil und wird von all all jenen benutzt, der sich an  Fragen reibt wie „Schilder aufstellen hilft gar nix“, „Autos sollen ganz draußen bleiben aus der Altstadt” oder „Sperrzeitverkürzung” und so weiter.

Womit auch hier wieder „LindA´isch-Grün-fleischgewordene-Selbstgerechtigkeit” angesagt wäre – und all das reibt Po- und möchtegern -litiker jedweder Farbe, je nachdem, wovon gerade die Rede ist. Der populistische Popanz: Angst verengt seine Definition.

Populisten und Instrumentalisten haben sich noch immer jener Triebkräfte bedient, die sich verstärken, instrumentieren, instrumentalisieren – und besänftigen lassen. Dass aber Populismus ohne Krise nicht zu begreifen wäre, das ist ein Irrtum. Auch Verkehrssicherheit, Wohlfahrt und ihre Gewährleistungen schließlich sind – wären allemal jedenfalls – Mittel, nötige politische Segel zu stellen.

Jürgen Gottschling

Feb. 2016 | Heidelberg, Allgemein, Junge Rundschau, Sapere aude | Kommentieren