Eröffnung am 30. Januar 2016 zwischen 10 und 16 Uhr. Galerie Schlichtenmaier
Schloss Dätzingen – 71120 Grafenau

Die Galerie ist am 30. Januar 2016 bis 16 Uhr geöffnet.
Ausstellungsdauer: 30. Januar 2016 bis 12. März 2016
Öffnungszeiten: Dienstag-Freitag: 11-18:30 Uhr, Samstag: 11-16 Uhr

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Zur Ausstellung:

Der deutsche Südwesten hatte einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Moderne. Neben den Pionieren der Abstraktion, insbesondere aus dem Hölzel-Umkreis, griffen auch die figurativen Maler in der ersten Jahrhunderthälfte des 20. Jahrhunderts und noch nach 1945 eine farbbewusste Bildsprache auf, die im Zentrum der aktuellen Ausstellung in der Galerie Schlichtenmaier stehen. Lange galten viele dieser Künstler als eine ›Lost Generation‹. Inspiriert vom Impressionismus und manchen realistischen Strömungen aus Frankreich, entfaltete sich hierzulande eine Bewegung, die spätimpressionistische, expressiv-realistische und wirklichkeitsnahe Elemente ebenso miteinbezog wie eine zuweilen kritische Sicht auf die Dinge und die Gesellschaft. Viele der hier gezeigten Künstler standen in Verbindung mit der Stuttgarter Neuen Sezession (Geyer, Henninger, Lehmann u.a.). Darüber hinaus präsentiert die Schau aber auch gewichtige Einzelgänger einer zwar regionalen, doch auch – in der späteren Rezeption – nach außen strahlenden Malerei (Bräckle) sowie Protagonisten der gesamtdeutschen Kunstgeschichte (Dix, Meidner).

Zu sehen sind Arbeiten folgender Künstler:

Heinrich Altherr (1878–1947)
Jakob Bräckle (1897–1987)
Rudolf Dischinger (1904–1988)
Otto Dix (1891–1969)
Hans Fähnle (1903–1968)
Wilhelm Geyer (1900–1968)
Ernst Hassebrauk (1905–1974)
Manfred Henninger (1894–1986)
Karl Hubbuch (1891–1979)
Paul Kleinschmidt (1883–1949)
Alfred Lehmann (1899–1979)
Ludwig Meidner (1884–1966)
Rudolf Müller (1903–1969)
Manfred Pahl (1900–1994)
Wilhelm Schnarrenberger (1892–1966)
Peter Jakob Schober (1897–1983)
Fritz Steisslinger (1891–1957)
Alfred Wais (1905–1988)
Walter Wörn (1901–1963)

Heinrich Altherr (Basel 1878 – Zürich 1947) reagierte auf die Geschehnisse seiner Zeit mit einem hintergründig-expressiven, wenn nicht sogar existenzialistischen Stil, welcher sich jedoch der Farbgewalt der Brückmaler genauso entzieht wie der poetischen Ausdruckweise des blauen Reiters. Er ist vielmehr der klassischen, an Hans von Marees orientierten Formensprache verpflichtet. Dessen ungeachtet kommentierte der Karlsruher, dann Stuttgarter Akademielehrer in seinem Werk die gesellschaftlichen Entwicklungen in teils visionären Bildern.

Jakob Bräckle (Winterreute/Biberach 1897 – Biberach 1987) suchte seine Motive bevorzugt in der oberschwäbischen Landschaft und im Arbeitsleben der Bauern, blieb aber auch während der 1930er und 1940er Jahren frei von idyllischer Verbrämung und von jeglichem Pathos, das er schon in seinen kleinen Formaten kaum hätte einfangen können. Unter dem Erlebnis der in seiner Heimat eingelagerten Arbeiten von Kasimir Malewitsch wandelte sich sein intimes Naturbild später zu einer stark vereinfachten, nahezu abstrakten Farbfeldmalerei.

Rudolf Dischinger (Freiburg i. B. 1904 – Freiburg i. B. 1988) gehörte zu den neusachlichen Malern, die sich besonders im Landschaftsbild und im Stillleben profilierten. Als Schüler von Georg Scholz und Karl Hubbuch war ihm der Weg ein Stückweit vorherbestimmt, wobei es sich Dischinger nicht nehmen ließ, nach 1945 einen intensiven Exkurs in die abstrakte Kunst zu machen, bevor er zum gegenständlichen Motiv zurückkehrte.

Otto Dix (1891 Untermhaus bei Gera –1969 Singen) ist als Verist bekannt, der seinen Stil aus einem futuristisch anmutenden, politischen Dadaismus heraus entwickelte, und auch sein an der Donauschule und an religiösen Genres orientierter Spätstil aus der Zeit der Inneren Emigration am Bodensee und danach ist vertraut. Seine Malerei begann jedoch in einer luftigen Pleinair-Manier, die von einem französisch geprägten Kolorit ausging. Um 1912 schuf er einige der selten gezeigten Hafenansichten aus dem Dresdner Raum.

Hans Fähnle (Flein bei Heilbronn 1903 – Stuttgart 1968) ist als typischer Vertreter eines Expressiven Realismus einzuordnen, der die »vom Expressionismus errungenen Freiheiten in Farb- und Formgebung mit der koloristischen Kultur des Impressionismus« (Rainer Zimmermann) verbindet. Hier zeigt sich ein süddeutscher Sonderweg neben den surrealistischen, neusachlichen und abstrakten Positionen, welcher sich zum einen auf Hans von Marées, Max Slevogt u.a. beruft und sich zum anderen im Kreis um Wilhelm Geyer festigt.

Wilhelm Geyer (Stuttgart 1900 – Ulm 1968), Mitbegründer und zeitweise Vorsitzender der Stuttgarter Neuen Sezession, ist vorwiegend als religiöser Maler bekannt, doch weist sein Werk auch Porträts, Landschafts- und Gartenmotive auf. Selbst seine profanen Arbeiten zeigen eine Malkultur von ekstatischer Kraft, die die nationalsozialistischen Machthaber veranlassten, Geyers Werk als entartet zu denunzieren. In der figurativen Kunst ist sein humanistischer wie rebellischer Geist zu spüren, der ihn damals in den Kreis um die Ulmer Geschwister Scholl zog.

Ernst Hassebrauk (Dresden 1905 – Dresden 1974) wandelte sich vom Nachimpressionisten, der sich von den Franzosen wie von Lovis Corinth inspirieren ließ, zum expressiven Farbmeister. Reagierte er hier auf die Zeitläufte – die Wende fand im Gefolge der Befreiung von der Naziherrschaft statt –, zeugen seine Stillleben schon zuvor von einer heiteren Stimmung, deren Intimität im figurativen Spätwerk noch an Sinnlichkeit zunimmt. Hassebrauks Auffassung von Freiheit findet sich wieder im malerisch ausladenden, pastosen Farbauftrag.

Manfred Henninger (Backnang 1894 – Stuttgart 1986) schuf mit vibrierendem, vital fließendem Strich spannungsvolle Naturstudien, Stillleben und Figurenkompositionen. Obwohl der Mitbegründer der Stuttgarter Neuen Sezession zu den Künstlern des Expressiven Realismus gezählt wird, geht er in der Abstrahierung über diesen hinaus, ohne die Gegenständlichkeit ganz zu verlassen: Die arkadische Überzeugung vom zeitlosen Einssein von Mensch und Natur sowie vom Mysterium der Schöpfung war für ihn abstrakt nicht zu formulieren.

Karl Hubbuch (Karlsruhe 1891 – Karlsruhe 1979) nimmt eine Position zwischen Verismus und Neuer Sachlichkeit an: in der politischen Aussage ist er weniger zugespitzt bzw. aggressiv als Dix oder Grosz, in der Farbgestalt und Motivik ist er dagegen malerischer und kritischer als Kanoldt u.a. Früh fiel er Hubbuch als »kühler Beobachter« typischer und individueller Charaktere in der Gesellschaft und als »philosophischer Kopf voller Einfälle« (aus einem Pressebericht 1924) auf. Mitte des 20. Jahrhunderts setzte er sich intensiv mit der Bildsprache und Raumwirkung bei Max Beckmann auseinander.

Paul Kleinschmidt (Bublitz/Pommern 1883 – Bensheim/Bergstraße 1949) schafft in einer unerschrockenen Direktheit und ungeschönt moderne Monumente der Weiblichkeit: Auf seinen Gemälden agieren üppige Bardamen, Kellnerinnen, Dirnen, Tänzerinnen und Zirkusreiterinnen mit großer Gelassenheit in scheinbar banalen Situationen. Kleinschmidts primäres malerisches Interesse zeigt sich darin, dass er seine Gemälde ganz aus der Farbe heraus entwickelt, die Dinglichkeit als pastos aufgetragene Farbe unmittelbar körperlich fixiert.

Alfred Lehmann (Stuttgart 1899 – Stuttgart 1979) huldigte in seinem durchweg gegenständlichen Werk, das sich weder eindeutig einer impressionistischen oder expressiven noch einer naturalistischen Position zuordnen lässt, dem Stil Paul Cézannes, ohne ihn freilich zu imitieren. Lehmann legt keinen Wert auf die oberflächliche Abbildung der Welt, auf realitätsnahe Zeitkritik oder auf den Ausdruck eines momentanen emotionalen Zustands. Lehmann geht es – im wörtlichsten Sinn – »ums Zeitlos-Ganze«, um die Stellung des Menschen in der Welt.

Ludwig Meidner (Bernstadt/Schlesien 1884 – Darmstadt 1966) gehörte zu den visionären Expressionisten, wofür seine »Apokalyptischen Landschaften« von 1912 stehen. Auf der Suche nach seiner religiösen Identität entstehen in den 1920er Jahren selbstporträthafte Darstellungen von Propheten und biblische Szenen sowie psychologisch intensive Bildnisse. Im Alterswerk spannt sich Meidners stilistische Bandbreite vom expressiven Ausdruck bis zu einer naturalistischen Auffassung: Durch tonale Farbabstufungen gelingen ihm die stoffliche Nuancierung wie eine dramatische Inszenierung seiner Sujets.

Rudolf Müller (Stuttgart 1903 – Stuttgart 1969) durchlief in seinem Werk postimpressionistische, expressiv-realistische, spätexpressionistische und tendenziell abstrakte Phasen, wobei ihm anfangs Christian Landenberger wie auch – später – Max Beckmann oder Emil Nolde Pate standen. In den 1930er Jahren setzt Müller die Farbe suggestiv als Äquivalent für Seelenerlebnisse ein, während sich in den 1940er Jahren seine Pinselzüge zu großen symbolhaltigen Gesten verdichten. Statt anekdotischer oder illustrativer Elemente baut er auf zeitlos-einfache und existenzielle Formen.

Manfred Pahl (Ebingen 1900 – Stuttgart 1994) begann, beeindruckt von Adolf Hölzel, mit einer abstrakten Bildsprache, ehe er seinen ganz eigenständigen Stil in der figurativen Darstellung allgemein menschlicher bzw. gesellschaftlicher Belange fand. Das hoch kultivierte Kolorit blieb allerdings der Inspiration aus dem abstrakten Geist verpflichtet. 1929 spielte Pahl eine entscheidende Rolle bei der Gründung der Neuen Stuttgarter Sezession.

Wilhelm Schnarrenberger (Buchen/Baden 1892 – Karlsruhe 1966) gehörte in den 1920er Jahren den neusachlichen Malern an, fand aber später zu einem expressiven Realismus. Nachdem er sich 1938, gebrandmarkt von den Nazis und in Vorahnung des Krieges, in den Schwarzwald zurückgezogen hatte, beschäftigte er sich nachdrücklich mit dem Stillleben, dem er bei genau überlegter und vorbereiteter Komposition eine große malerische Natürlichkeit verlieh.

Peter Jakob Schober (Gschwend 1897 – Bad Bleiberg 1983) reiste von den expressiven Realisten wohl am meisten, was ihm eine Weitläufigkeit verlieh, die sich auch in seinen Arbeiten niederschlug. Unter dem Eindruck Paul Cézannes fand er seinen originären Stil, welcher immer der Gegenständlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts verpflichtet blieb. Die bewunderten älteren Kollegen – die bis zu Rembrandt und Poussin zurückreichten – waren ihm aber eher Inspirationsquellen als Vorgänger. Er selbst suchte eine Verschmelzung von Figur und Landschaft, die sich im Spätwerk zum Fragmentarischen öffnete.

Fritz Steisslinger (Göppingen 1891 – Tübingen 1957) hat in der Auseinandersetzung mit den symbolistischen, expressionistischen und neusachlichen Tendenzen seiner Zeit seinen eigenen künstlerischen Ausdruck gefunden, der sich vom Stil anderer expressiver Realisten abhebt. Seine Kunst zeichnet sich durch Spontaneität, expressive Dynamik und den leuchtend kontrastreichen Einsatz der Farben aus. Seine Naturansichten und Städtebilder vermitteln authentische stimmungsvolle Eindrücke, ob sie den Regionen seiner schwäbischen Heimat oder exotischen Fernzielen wie z. B. Brasilien verpflichtet sind.

Alfred Wais (München 1905 – Stuttgart 1988) zog zur Darstellung von Erlebnismomenten zwar den gegenständlichen Stoff heran, gebrauchte ihn aber nicht auf erzählerische Weise. In seinen Stillleben, Interieurs, Landschaften und figurativen Szenen entsteht Raum vorrangig aus Farben unter weitgehendem Verzicht auf perspektivische Konstruktionsmittel. Vielmehr setzt er die Deformation der Erscheinung wie auch die Farbdissonanz bewusst ein. Die autonome Farbstruktur reicht vom geradezu plastisch hervortretenden, bis zum flach aufgetragenen Strich.

Walter Wörn (Stuttgart 1901 – Stuttgart 1963), Schüler Heinrich Altherrs, beschäftigte sich mit dem zeitlos gültigen Menschenbild, fernab augenblicklicher Momente. Hieraus resultiert die Tendenz zur monumentalen Darstellung und einer arkadisch anmutenden Reduktion in der Form. Die Statuarik gleicht er durch eine sensibel gesetzte Farbigkeit aus, die eine heiter-sinnliche, fast hymnische Leichtigkeit vermittelt.

Jakob Bräckle (1897 Winterreute/Biberach - 1987 Biberach) Ohne Titel (Pflüger mit zwei Pferden), 1937 Öl auf Pappe 19 x 18,5 cm signiert und datiert u. r.: J. Bräckle 37., verso in Ritzung datiert: 22. Nov. 1937. BRAECKJ/M 100

Jakob Bräckle (1897 Winterreute/Biberach – 1987 Biberach)
Ohne Titel (Pflüger mit zwei Pferden), 1937
Öl auf Pappe
19 x 18,5 cm
signiert und datiert u. r.: J. Bräckle 37., verso in Ritzung datiert: 22. Nov. 1937.
BRAECKJ/M 100

 

 

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Jan. 2016 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell | Kommentieren