ViktorKlempererExilArchivDer seit 1906 mit einer Nichtjüdin verheiratete und 1912 zum protestantischen Glauben konvertierte Romanist Victor Klemperer verlor 1935 durch die Nationalsozialisten seine Professur an der Universität Dresden. Die ihm aufgezwungene Untätigkeit nutzte er, um noch intensiver als zuvor Eindrücke und Gedanken schriftlich festzuhalten. Er schrieb eigentlich keine Tagebücher, sondern Notizen auf losen Blättern, und weil er befürchtete, dass die regimekritischen Aufzeichnungen bei einer unangemeldeten Hausdurchsuchung entdeckt werden könnten, brachte seine Frau Eva die Blätter regelmäßig zu einer unverdächtigen Freundin, die sie bei sich aufbewahrte. So blieben Victor Klemperers Tagebuch-Aufzeichnungen erhalten.

Er selbst hatte wohl keine Veröffentlichung geplant, aber nach seinem Tod am 11. Februar 1960 in Dresden bereitete seine Witwe Hadwig (seine zweite Ehefrau) die Blätter im Archiv der Sächsischen Landesbibliothek für eine Publikation vor. Walter Nowojski, ein ehemaliger Schüler Victor Klemperers, editierte 1995 die „Tagebücher 1933 – 1945“ in acht Bänden unter dem Titel „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“.

Die „Tagebücher“ zeichnen sich durch präzise wiedergegebene detaillierte Beobachtungen aus dem Alltag unter dem NS-Regime und scharfsinnig-kritische Analysen aus. Bücher von Dieter Wunderlich Victor Klemperer schilderte viele Kleinigkeiten und hielt auch Witze, Gerüchte und Frontmeldungen fest. Sein besonderes Augenmerk galt der nationalsozialistischen Sprache, der lingua tertii imperii (LTI), über die er 1947 ein Buch veröffentlichte. Die „Tagebücher“ zeigen auf, welches Unrecht den Juden im „Dritten Reich“ angetan wurde. Aus einer Eintragung vom 16. März 1942 geht hervor, dass Victor Klemperer zu diesem Zeitpunkt bereits von Auschwitz gehört hatte.

9783945733127Als kritische Chronik des „Dritten Reiches“ und Dokument der Zeitgeschichte stieß die achtbändige Ausgabe „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 – 1945“ auf großes Interesse. Während die gedruckte Version gekürzt und sprachlich überarbeitet worden war, gaben Walter Nowojski und Christian Löser inzwischen den vollständigen Originaltext digital heraus (Victor Klemperer: Die Tagebücher 1933 – 1945. Digitale Bibliothek, Directmedia Publishing, Berlin 2007).

Nach Motiven aus „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 – 1945“ inszenierte Kai Wessel 1999 mit Matthias Habich als Hauptdarsteller einen zwölfteiligen Fernsehfilm über Victor Klemperer: „Klemperer. Ein Leben in Deutschland“.Klemperer. Ein Leben in Deutschland – Regie: Kai Wessel – Drehbuch: Peter F. Steinbach, nach „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933 – 1945“ von Victor Klemperer – Kamera: Rudolf Blahacek – Musik: Andreas Hoge – Darsteller: Matthias Habich (Victor Klemperer), Dagmar Manzel (Eva Klemperer) u. a. – 1999; 630 Minuten (zwölfteiliger Fernsehfilm)

1881 Geburt Victor Klemperers in Landsberg/Warthe
1902 Reifeprüfung am dortigen Königlichen Gymnasium
1906 Hochzeit mit Eva Schlemmer
1912 Taufe
1913 Doktorprüfung in München über Friedrich Spielhagen
1914/1915 Die zweibändige Studie Montesquieu erscheint.
1915 Lektor in Neapel
1915-1918 Militärdienst als bayrischer Feldartillerist in Flandern und Buchcensor im Gebiet Oberost (ab 1916)
1920 Ernennung zum Professor der TH Dresden
1925 Reise nach Argentinien
1933 Frontkämpferbescheinigung
1935 Vorzeitige Versetzung in den Ruhestand
1936 Ernennung zum Hauswart, ziviler Luftschutz
1936  Auseinandersetzung wegen des Gartens
1939 Warteliste USA
1941 Verurteilung wegen Nichtverdunkelung des Hauses
1942 Hausverkauf
1945 Fluchtweg
1945 Einstellung TH Dresden
1946 Personalausweis Dresden
1947 Entlassung aus der TH Dresden
1950 Wohnraumzuweisung Dresden
1951 Ehrendoktor der TH Dresden
1960 Tod in Dresden, Grab auf dem Friedhof Dölzschen

Dez. 2015 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton | Kommentieren