Der Karikaturenstreit beschäftigt auch die deutschsprachigen Satiremagazine. Wie «Titanic», «Pardon» und der «Nebelspalter» mit dem aktuellen Thema umgehen, schildert die folgende Presseschau.
Der Karikaturenstreit hat die satirischen Zeitschriften zu einem ungünstigen Zeitpunkt erwischt: Für die Monatsmagazine «Titanic» und «Nebelspalter», erst recht für die Quartalszeitschrift «Pardon» kam der Höhepunkt der weltweiten Unruhe zu spät für die Ausgaben vom Jahresanfang. Und jetzt sorgen sich die Redaktoren, ob die Leser nicht schon genug vom Thema haben. Dennoch haben sich alle Blätter entschieden, in ihren neuen Heften mit ihren Mitteln in die öffentliche Auseinandersetzung einzugreifen.
«Titanic» dokumentiert das Dilemma
«Titanic» bringt 15 Seiten dazu und hat das Thema schon auf dem Titel. Unter der Überschrift «Religionen im Vergleich» sieht man dezent stilisierte männliche Geschlechtswerkzeuge unterschiedlicher Grösse, die jeweils dem Christentum, dem Buddhismus, dem Islam und dem Judentum zugeordnet werden. Mit dieser Anspielung auf die unter pubertierenden Knaben üblichen Grössenvergleiche sensibler Körperteile macht «Titanic» seine Lesart des Konflikts klar: Es geht um Macht und nicht um Religion.
Dieser Linie folgen auch die anderen einschlägigen Beiträge. Im Essay «Gharb & Garp – was treiben und was umtreibt die Muslime eigentlich so?» liefert Jürgen Roth einen furiosen Rundumschlag gegen die Scharlatane und Schurken der islamischen Welt und im Milieu ihrer europäischen Dialog-Enthusiasten. Das ist bösartig, einseitig und bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen pauschalem Muslim-Schimpf und wuchtiger Kritik an der politischen Instrumentalisierung der Religion.
Um diese Verschränkung von Religion und Politik geht es auch in der Rubrik «Humor-Kritik», in der unter dem Pseudonym Hans Mentz deutsche Schriftsteller jeden Monat eine Qualitätskontrolle von komischen Texten, Zeichnungen und Filmen liefern. Hans Mentz greift diesmal die negativen Geschmacksurteile über die skandalisierten dänischen Karikaturen auf. So sehr es ihn dazu drängt, im Konflikt nicht auf Versöhnen, sondern aufs «Spalten» zu setzen und auf dem «Recht zu beharren, Religionsstifter vergackeiern zu dürfen», so zurückhaltend ist Hans Mentz anderseits, wenn «der Spaß am Spalten aufhört, wenn Menschenleben auf dem Spiel stehen».
Verzicht auf weitere Provokationen
Deshalb verzichtet «Titanic» darauf, mit neuen Mohammed-Karikaturen weiter zu provozieren, und bietet eher solide Schmunzelware neben den erwähnten Grundsatzartikeln. Auf fünf Seiten sind unter der Überschrift «Religionen unter spitzer Lupe» Cartoons versammelt, die in einem fingierten Dossier belegen sollen, daß gegen Christentum, Hinduismus, Buddhismus und Judentum schon viel «religionsverachtender» gezeichnet wurde. Man merkt dem «Titanic»-Heft die Schwierigkeiten der Satiriker mit dem Thema an. Obwohl man sich nicht an einem Wettbewerb der Provokationen beteiligt, will man dennoch klar das Recht auf eine Kritik verteidigen, die sich auch nicht durch Berufung auf dubiose Qualitätsurteile einschüchtern läßt. Herausgekommen ist ein respektables Dokument des Dilemmas.
Überraschende Erklärung im «Pardon»
«Pardon» macht es sich – in geringerem Umfang – etwas einfacher, indem es die vertrauten Mittel satirischer Polemik einsetzt. Auf dem Titel steht klein gedruckt: «Aus Rücksicht auf unsere Familien keine Mohammed-Karikaturen». Schon die Rubrik «Nachrichten – Fakten – News» greift allerdings den Kulturkampf mit einer überraschenden Erklärung für die Häufigkeit des Namens Mohammed unter Muslimen auf: «Mohammed darf im Islam überhaupt nicht abgebildet werden. Deshalb ist der Name beliebt, man glaubt, das Foto darf dann nicht auf Fahndungsplakaten auftauchen.»
In seinen Zeichnungen setzt «Pardon» den «running gag» fort, den die Zeitschrift schon seit langem pflegt: Übers ganze Heft verstreut publiziert sie immer wieder Cartoons zu den muslimischen Selbstmordattentätern. Darunter gibt es gelungen-boshafte, die die knubbligen Attentäter-Figuren mit ihren Bombengürteln in ganz harmlose Alltagssituationen versetzen. So zum Beispiel in eine Attentäter-Schule («Die Ausbildung dauert lang, dafür ist die Arbeitszeit kurz») oder ins Kinderspiel «Reise nach Jerusalem»: «Wenn die Musik aufhört, sprengt sich der, der keinen Platz abbekommen hat, in die Luft!».
Diese Cartoons zielen auf die kaum faßbare Alltäglichkeit, die der Kult um die Selbstmörder in manchen Milieus bekommen hat. Schade, daß den «Pardon»-Zeichnern ausgerechnet fürs neue Heft eher schwache Bilder aus dieser Serie eingefallen sind. Auch die aktuelle Folge des Seriencomics «Captain Germany» und der «Spendenaufruf» saudiarabischer Frauen, doch bitte reichlich Fahnentuch für die Flaggenverbrenner abzuliefern, verlassen nicht die Bahnen routinierter Witzbewirtschaftung.
«Pardon» will sich auf keinen Fall einschüchtern lassen und den Aufruhr der Muslime als ganz normalen Rohstoff für satirische Zeichner und Texter behandeln. Das ist die Botschaft. Eine forcierte Unbekümmertheit prägt die dem Thema gewidmeten Partien des Hefts. Auch wenn in vielen Städten der islamischen Welt der Mob rast, ist das kein Grund für den Satiriker, hierzulande den Ausnahmezustand auszurufen. «Zum Satiriker gehört ein gewisses Maß an Unerschrockenheit», sagt «Pardon»-Chef Bernd Zeller. Das ist aber nur eine notwendige, nicht aber schon hinreichende Bedingung für den Erfolg einer satirischen Anstrengung.
Angriffslustiges im «Nebelspalter»
Der «Nebelspalter», der erst am Donnerstag der kommenden Woche erscheint, wirkt angriffslustig und nachdenklich zugleich. «Vielleicht liegt das an unserem Leitbild», sagt Chefredaktor Marco Ratschiller, «vielleicht aber auch schon an der Selbstzensur.» Als das Schweizer Fernsehen die Zeichner besuchen wollte, die an der neuen Ausgabe arbeiten, haben einige das nach Ratschillers Angaben abgelehnt. Die «Rücksicht auf unsere Familien», die «Pardon» mit frecher Geste auf den Titel setzt, wirkt hier tatsächlich und läßt die Zeichner den Schutz der Pseudonyme suchen, unter dem sie dann allerdings auf zehn Seiten «Carte blanche» haben.
Dabei sind ein paar schöne angriffige und auch hintersinnige Stücke entstanden. So dreht eine Zeichnung das Bilderverbot um: Unter der Überschrift «Mohammed vor dem Spiegel» sieht man nur die Pantoffeln vor der Spiegelfläche. Ein «Nebelspalter-Demo-Service» liefert Bastelanleitungen für die acht meistgehaßten Flaggen. Aus dem Archiv gibt es Beispiele für ein früheres Feindbild Islam. Nicht schlecht sind auch die beiden verworfenen Titelbilder, die die Ausgabe zeigt: Das eine kündigt «30 Seiten schöne Ornamente» an. Das andere zeigt Feder und Krummsäbel über Kreuz. «Kampf der Kulturen. Endlich wieder ein Feindbild» steht drüber. Schade, daß es verworfen wurde. Denn damit hätte der «Nebelspalter» vermutlich das haltbarste Titelblatt zur Affäre produziert. tno