Weniger als die Hälfte aller Deutschen sagt heute, der Islam habe „eine bewundernswerte Kultur hervorgebracht“. Wem es gelingt, aus diesem Umfragebefund einen klaren Schluß zu ziehen, bei dem muß es sich um einen Vorurteilsforscher handeln. Für alle anderen Leser von Wilhelm Heitmeyers gerade vorgestellter Studie über abwertende Meinungen in der Bevölkerung bleibt die eigene Urteilsfähigkeit übrig. Die könnte zur Rückfrage beim Bielefelder Pädagogen führen, was denn überhaupt gemeint war? Eine gegenwärtig vom Islam hervorgebrachte Kultur, welche immer das wäre – die in Marokko, Indonesien oder Neukölln -, oder eine einstmals existierende? Gern auch hätten wir erfahren, ob jene knappe Hälfte, die nach wie vor bewundert, auch anzugeben vermag, was genau sie denn bewundert. Aber zur Vorurteilsforschung gehört es ja nicht, Sympathie genauso zu analysieren wie Ablehnung, etwa als kenntnisfreies, wohlfeiles Vorurteil. Ihr genügt es, daß der Islam, egal welcher, heute weniger bewundert wird als noch vor ein paar Jahren, und schon hat sie Zahlen in der Rubrik „Islamophobie“ produziert. Ein solches Krankheitsbild hat Heitmeyer nämlich ermittelt. Es gehört für ihn in eine Reihe mit anderen Erscheinungsformen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“: Antisemitismus, Vorurteile gegen Fremde, Frauen, Behinderte oder Homosexuelle. Aha, der Islam ist also eine Gruppe, und die Fremden sind es auch? Man sollte Heitmeyer zum Bachelorstudium der Soziologie zulassen, da hätte er große Chancen zu erfahren, was eine Gruppe im Unterschied zu einem Personenmerkmal ist. Im Kern, berichtet ein Mitstreiter Heitmeyers, gehe es jeweils um dasselbe: die Abwertung von Andersartigen und Entbehrlichen. Und die nehme zu. Hat man sich bei den Befragten auch erkundigt, inwiefern sie Frauen für entbehrlich und andersartig halten? Oder reden so nur Vorurteilsforscher, deren Kategorienbildung unbegreiflicherweise so lausig ist wie begreiflicherweise die Islamkenntnis der Leute? Am liebsten fragen sie die Bevölkerung genau so blöd, wie sie glauben, daß sie sei – um dann alle Dummheiten und Rohheiten, die sie aus ihr herausgefragt haben, aufzuaddieren, weil so der Effekt natürlich noch viel dramatischer ist. Dann kann man beispielsweise sagen: Es gibt Vorurteile gegenüber Behinderten, Juden und Muslimen. Aber die soziale Realität hinter den Phrasen, etwa die Anteile dieser „Gruppen“ an der Gesamtbevölkerung oder in einzelnen Stadtquartieren oder in Hauptschulen oder in den Kriminalstatistiken oder an den Fürsorgeempfängern oder an den Analphabeten, sind damit überhaupt nicht berührt. Und damit auch nicht ein immerhin in Betracht kommender Grund für Vorurteile: die Wirklichkeit. „Deutsche Zustände“ heißt die Buchreihe, in der Heitmeyer sein Geforsch publiziert. Der Zustand der Vorurteilsforschung ist ein verwahrloster. got