Es steht geschrieben, „Im Anfang war das Wort“ – aber auch: „Gott sprach, es werde Licht! Und es ward Licht“ (Mose 1). Heute könnte geschrieben werden: Am Anfang war die Zahl. Denn „Er der ist und sein wird“, so die alttestamentarische Definition von Got, beschreibt eine kosmische Ausdehnung, die möglicherweise unendlich ist. Der erste bedeutende Mathematiker Europas, Leonardo von Pisa, genannt Fibonacci (ca. 1170 – 1240) entwickelte eine der Natur immanente Zahlenfolge, deren Beschleunigung rasch ins unermeßliche steigt:
1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55 … Das Prinzip besteht also darin, dass die vorausgehende Zahl mit der nachfolgenden addiert wird. Fibonacci hat die Zahlenfolge durch genaue Naturbeobachtung eruiert. Beispiele gibt es viele, so – zum Beispiel – in der Struktur von Tannenzapfen.
Des Mathematikers Fibonacci Denken umfasst gewaltige Zeiträume. Er dachte in Begriffen der Natur, deren Expansion, vergleichbar mit jener des Universums, unaufhaltsam ist. Die Natur – und, was Wunder ist der Mensch trotz Vielerlei und Alledem immer noch Teil der Natur- ist das Gewalttätigste, das wir uns vorstellen in der Lage sind.
In der hier gezeigten Arbeit (Mario Merz: Numeri in Colonna, 1986) sind die beiden übereinander gelagerten Zylinder aus Bienenwachs die charismatische Substanz, aus der sich die Fibonacci-Reihe entwickelt. Die Rundform der Zylinder entspricht geometrischder sechskantigen Wabenform. Beide sind Grundformen der Natur. Auch Josph Beuys hat die Interferenz von Organischem und Anorganischem in seinem Schaffen thematisiert, so, wenn er beispielsweise eine Raumecke mit Pflanzenfett in Form eines Tetraeders ausfüllte.
Die Zahl, das ist in Fibonacci wie in der Arbeit von Mario Merz die Formulierung dessen, was Worte nicht mehr fassen können. Sie nimmt von unserer Vorstellungskraft – wenn wir uns darauf einlassen – Besitz, verwandelt sich in Bilder-und-Worte, die uns entrücken und bescheiden machen. got