Drei Tage brauchte die Deutsche Presseagentur (dpa), ihre Falschmeldung zu korrigieren, wonach der philippinische Soziologieprofessor Walden Bello auf der Bühne Demonstranten «zum Krieg aufgerufen» habe, «denn mit friedlichen Mitteln erreichen wir nichts». Das Gegenteil ist richtig: Bello hatte zur Diskussion über den Krieg aufgerufen, «weil es ohne Frieden keine Gerechtigkeit geben kann».

Obwohl Blogger fast zeitgleich Ausschnitte des Videos ins Internet stellten, beharrten viele Blätter auf der Darstellung und der knackigen Schlagzeile. «Wir haben keinen Anlass, am Wahrheitsgehalt des Berichts zu zweifeln.» Schliesslich sei der Bericht von einem eigenen Korrespondenten geschrieben worden, man habe lediglich die dpa zur Bestätigung hinzugezogen. Die halbe deutsche Blogosphäre verweist auf den Satz: Er steht für die Arroganz etablierter Medien.

Blogger sehen Medienschaffende als überhebliche Schwätzer, die aus dem Elfenbeinturm gezerrt werden müssten. Und die empfinden Blogger als dilettantische Wadenbeisser, denen man das Grundrecht auf Pressefreiheit entziehen sollte, wie ein Sprecher der deutschen WAZ-Verlagsgruppe forderte. Sie fühlen sich bedrängt, denn Blogger lassen sich nicht mehr wie Leserbriefschreiber mit einem «Machs zuerst besser» zum Schweigen bringen.

Was ist schon ein falsch geschriebener Name?

Sie mischen sich ein und halten sich nicht an fragwürdige Kodices: Medien zitieren sich gegenseitig nur, wenn sie müssen, und Journalisten kritisieren Berufskollegen am liebsten gar nicht.

Das kümmert die Blogger nicht. Sie leiden weder unter Zeitdruck, Platz- oder Sendezeitmangel, noch scheren sie die Pflichtregeln, denen die professionellen Kolleginnen unterworfen sind. Was ist schon ein falsch geschriebener Name? Im Journalismus ist er eine Todsünde, in der Redaktion der Neuen Rundschau kostet das den Falschschreiber 10 Euro.

Blogger scheren sich auch nicht um das Presserecht, denn sie kennen es kaum. Sie verteidigen stolz ihre «Freiheit» in Verkennung der Rechte anderer, etwa des Anspruchs auf «das eigene Wort» oder auf Schutz der Privatsphäre. Sie veröffentlichen Antworten auf E-Mails im vollen Wortlaut, obwohl sie den Absender darüber nie aufgeklärt haben – was rechtlich nicht (immer) zulässig ist. Sie kopieren Artikel und Bilder ohne Zustimmung der Urheber.

Aber das sind Kollateralschäden. Eigentlich wollen sie nur die Diskussion in Gang bringen und Fehler korrigieren, eigene wie fremde. Aufmerksamkeit ist der Lohn für die Arbeit; „Links“ sind die Währung, mit der man sich gegenseitig bezahlt. «Autorität» nennt die Blogsuchmaschine Technorati.com den Rang auf ihrer Liste von 70 Millionen Blogs: Er basiert auf der Anzahl der Querverweise von anderen Blogs, also der Konkurrenz.

«Zynische Dreckschweine» und naiver Tatendrang

Darob übersehen die Blogger, dass sie mit ähnlichen Boulevard-Methoden um Aufmerksamkeit kämpfen, die sie den professionellen Kollegen ankreiden. Mit erstaunlichen Auswüchsen: Dank ätzender Kritiken hat sich in der deutschen Medienbloggerszene «Don Alphonso» alias Journalist Rainer Meier zum Star aufgeschwungen, der seine Berufskollegen auch schon mal pauschal als «zynische Dreckschweine» bezeichnet, aber einer anderen Bloggerin, die das Zitat auf ihn selber umbiegt, mit dem Anwalt droht.

In der Regel liegen den Ausfälligkeiten und Verstössen allerdings mangelnde Rechtskenntnisse und naiver Tatendrang zu Grunde. «Transparenz» ist alles, und blind vor Eifer übersehen viele Blogger, dass der freche Kommentar, den sie zitieren, weil der Name eines Promis daruntersteht, ebenso gut von deren Erzfeind stammen könnte und sie sich des Rufmordes schuldig machen.

Warum also sollten sich Journalisten mit diesen Dilettanten einlassen? Weil sie ebenso viel von ihnen lernen könnten wie umgekehrt. In den USA haben das die Medien erkannt. Sie scannen Blogs auf Themen und nutzen sie als Anlaufstelle für eine Recherche. Denn der lokale Freizeitschreiber – sagen wir mal aus Waldhilsbach“ weiss häufig mehr als der Journalist aus der weit entfernten „Grossstadt“ Heidelberg, und in seiner Kommentarspalte finden sich weitere Geschichten und jene Experten, die man als Journalist bislang mühsam suchen musste.

Hier zu Lande lesen die wenigsten Journalisten Blogs, und Kommentare zu hinterlassen, kommt aus Gründen der Distanzwahrung und aus Furcht vor dem eigenen Arbeitgeber nicht in Frage. Medienleute scheuen die öffentliche Diskussion. Und Kritik mögen sie schon gar nicht. So wenig, dass sich eine nicht ungroße Zeitung gar dazu verstieg, Querverweise des kritischen Pendlerblogs mit technischen Mitteln zur «Süddeutschen Zeitung» weiterzuleiten.

Einen entsprechenden Umgang pflegen sie mit eigenen Fehlern – und die passieren nun mal auch Journalisten. Aber während grosse Zeitungen in den USA eine feste Rubrik für die Korrekturen des Vortags führen und jeden falsch geschriebenen Namen berichtigen, geschieht dies hier zu Lande meist nur in gravierenden Fällen und irgendwo im Blatt. Sie werden auch dem Gedächtnis der Zeitung nicht automatisch den Artikeln zugefügt. Dies geschieht nur auf Antrag der Chefredaktion und in Handarbeit. Angesichts von oft falsch geschriebenen Namen ein Anachronismus.

Und wenn der Fehler in einem Blog erwähnt wird und der Journalist das merkt, weil er mal wieder seinen Namen gegoogelt hat, dann schimpft er abends in der Bar über die Blogger. Dabei beweisen die wenigen Fälle, in denen Journalisten sich zu einer Stellungnahme in einem kritischen Blog durchgerungen haben, wie rasch der Ton respektvoll und die Diskussion interessant werden kann. Nichts ist so simpel, wie es dargestellt wird. got

Feb 2008 | Allgemein, Zeitgeschehen | Kommentieren