Im Internet haben einige Blogger dem Islam den Krieg erklärt. Seit den Anschlägen des 11. Septembers 2001 und mit noch grösserer Konsequenz seit dem Streit um die Mohammed-Karikaturen wehren sich die Blogger gegen eine «schleichende Islamisierung Europas».
Sie versorgen die Leser mit einer täglichen Informationsmischung aus Gruseligem und Lächerlichem, mit alarmistischen Aufrufen zum Widerstand gegen die neuen Invasoren und mit Mahnungen, sich wieder auf die eigenen Werte zu besinnen. Eine Revue der Schlagzeilen dieser Internet-Publizisten zeigt Ton und Bandbreite der Berichterstattung: «Berlin: Türkischstämmiger Schüler greift Lehrer mit Kopfstoss an», «Vereinigte Staaten: Schüler wegen Schinkensandwichs von der Schule verwiesen», «Kanada: Muslime schlagen und bedrohen Islam-kritischen Journalisten», «Australien: Schwerverbrecher konvertieren zum Islam», «US-Soldaten in Bagdad: Zivilisiert im Haus des Hasses», «Islam macht’s möglich: Porentief sauber mit Staub»
Publizistisch Unbekannte
Die ganze Welt erscheint hier, im weltweiten Netz, als Schauplatz einer säkularen Auseinandersetzung. Überall finden «Akte Islam», «Politically Incorrect», «Fakten & Fiktionen», «Jihad Watch», «Daniel Pipes», «Gudrun Eussner», «Roncevalles», «Dhimideutsch» und ihre Kampfgenossen Belege für ihren Verdacht, dass «der» Islam und «die» Muslime offen und verdeckt an der Machtübernahme arbeiten. Während in den USA bekannte Publizisten wie Robert Spencer (Jihad Watch) und Daniel Pipes die Blogs betreiben, sind es in Deutschland und der Schweiz bis auf ganz wenige Ausnahmen publizistisch Unbekannte.
Der Angriff, den es abzuwehren gilt, erfolgt nach Ansicht dieser Blogger auf allen Ebenen: Er betrifft den kleinen Alltag ebenso wie Grundfragen der Verfassung und der gesellschaftlichen Ordnung. Die Durchsetzung islamischer Speisegesetze in Schulen, in denen Muslime nur eine Minderheit sind, unterwirft die Mehrheit fremden Regeln. Muslimische Taxifahrer, die am Minneapolis-St. Paul International Airport sich weigern, Passagiere in Begleitung «unreiner Blindenhunde» oder mit Alkohol im Gepäck zu befördern, machen banale Dienstleistungen zum ethno-religiösen Konfliktfeld.
Skurriles
Skurriles wird zum Thema, wenn die Kampf- Blogger glauben, dass Unternehmen und öffentliche Verwaltung aus kommerziell motivierter Feigheit und aus multikultureller Korrektheit sich unterwerfen. So geriet jüngst eine Baumarktkette ins Visier, als sie in Reaktion auf erwartete oder tatsächliche Proteste von Muslimen Aufkleber vom Boden ihrer Verkaufslokale entfernte, auf denen der Taj Mahal mit Zitaten aus heiligen Schriften des Islam abgebildet war, welche nicht durch die Füsse der Kunden geschändet werden sollten. Ähnliche Empörung löste die (rasch korrigierte) Entscheidung der Offenbacher Kreisverwaltung aus, bei den im Amtshaus ausgehängten Aktbildern die Geschlechtsorgane der Frauen mit Rücksicht auf muslimische Besucher zu überkleben. In jüngster Zeit sind es vor allem die Attacken auf Schwule und Juden, die von den bloggenden Islamgegnern angeprangert werden.
In diesem Islam-Bild gibt es keine Zwischentöne und auch keine Unterscheidungen. In rabiater Übernahme eines Denunziationsmusters der «antifaschistischen» Aktivisten gilt hier auch, dass nicht der verrückte Rand eines Milieus das Problem ist, sondern das gesamte Milieu. Nicht die Islamisten und die sich mit Versatzstücken des Islam kostümierenden Terroristen sind die eigentliche Gefahr, sondern die ganze Umma. Jeder Muslim wird so auf eine Identität reduziert, die ihn zur Bedrohung werden lässt. Entsprechend schrill ist der Ton. Da werden bei «Politically Incorrect» (PI) die Muslime zu «Anhängern eines pädophilen Massenmörders» erklärt oder als «Handabhacker und Steiniger» bezeichnet. Die Leserkommentare nehmen den Stil dieses Blogs gern auf. Eine Zeitlang wurden sogar offene Mordwünsche publiziert: Dies scheint jetzt eingestellt zu sein. Unter den politischen Blogs rangiert «PI» ganz oben in der Popularität.
«Akte Islam» gibt sich moderater und journalistischer, ohne jedoch das Prinzip des pauschalen und globalen Alarmismus aufzugeben. Es ist das Organ des ehemaligen «FAZ»-Redaktors Udo Ulfkotte, der die Gründung einer Partei angekündigt hat, die der multikulturellen Verirrung der Deutschen politisch entgegentreten soll.
Tunnelblick
Zweifellos ist vieles, was diese Blogger publizieren, unappetitlich, ressentimentgeladen und kein Argument für ihren Anspruch, hier dem «Schweigekartell der Mainstream-Medien» die Wahrheit entgegenzusetzen. Denn eigene Recherchen bieten sie nicht. Mit dem Tunnelblick des islamfeindlichen Zeloten durchforsten diese Kulturkrieger die Websites der internationalen Presse, wobei sie auch die Lokalteile beachten. So kommt eine extrem einseitige Auswahl zustande, die massiert angeboten wird und keine Unterscheidung erlaubt. Ihre Arbeit zielt gerade darauf, jene Grenzen zu sprengen, mit denen zum Beispiel Tageszeitungen weniger Wichtiges von Wichtigem unterscheiden. Diese Blogger machen eine nur im Lokalteil einer bayrischen Provinzzeitung gemeldete Pöbelei türkischer Jugendlicher gegen eine katholische Prozession zu einem Ereignis, das weltweit wahrgenommen werden kann.
Wer sich differenzierter über aktuelle Entwicklungen im Islam und in den islamischen Ländern informieren will, findet bei «qantara.de» Verlässlicheres. Diese Website wird von der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung, von der Deutschen Welle, vom Goethe-Institut und vom Institut für Auslandsbeziehungen gemeinsam betrieben und macht die innerislamische Diskussion auf Deutsch, Englisch, Türkisch und Arabisch verfügbar.
Nicht bloss abwehren
Einfach bloss abwehren sollte man die Provokation der bösen Blogs dennoch nicht. Denn sie spiegeln offenbar einen durchaus populären Widerstand gegen jene Form der Vermischung von Information und Pädagogik, die jüngst ein unverdächtiger Zeuge, der ehemalige Leiter des Adolf- Grimme-Instituts, Bernd Gäbler, kritisierte. Das Ausblenden unerfreulicher Aspekte des multikulturellen Zusammenlebens, das generelle Verschweigen der ethno-religiösen Zugehörigkeit von Straftätern und die manchmal allzu aufdringliche Propaganda der guten und schönen Seiten fremder Sitten und Kulturen schüren bei einem nennenswerten Teil des Publikums erst den Verdacht, den die hier beschriebenen Blogger lautstark bestätigen.