Ausstellungen vom 30. August 2014 bis 2. November 2014 im Heidelberger Kunstverein
Seiichi Furuya
›Wo die Wahrheit liegt‹
30. August 2014 – 2. November 2014
Eröffnung: 29. August 2014 | 19 Uhr
Halle
Seiichi Furuya
›Wo die Wahrheit liegt‹
Studio
›Dubayyland‹
Sophie-Therese Trenka-Dalton
Foyer
›War Porn‹
Christoph Bangert
Im Mittelpunkt von Seiichi Furuyas fotografischem Werk steht seine persönliche Auseinandersetzung mit Grenzen – Grenzen der Erinnerung, der Wahrnehmung und des Mediums Fotografie, politisch-geografischen Barrieren und existentiellen Grenzsituationen im eigenen Leben.
Zwischen 1981 und 1983 entstand die Serie „Staatsgrenze“, in der Furuya die Grenze zwischen Österreich und den Ostblockstaaten fotografierte. Aus Japan stammend, wo die Grenze durch das Meer natürlich definiert ist, interessiert er sich für die Grenzen, die mitten durchs Land führen, teilweise unsichtbar sind und dennoch Menschen, Kulturen und Ideologien voneinander trennen. Während sich die Weltöffentlichkeit vor allem auf die innerdeutsche Demarkation konzentrierte, nahm Furuya die Grenzgebiete zu Ungarn, Jugoslawien und der Tschechoslowakei auf, womit er ein politisches und gleichzeitig persönliches Dokument der Zeitgeschichte schuf.
Seiichi Furuya siedelte 1984 mit seiner Familie in die DDR über, wo er bis 1987 lebte. Die Ausstellung präsentiert eine umfangreiche Auswahl von Bildnissen seiner Frau Christine, die er von 1978 bis zu ihrem Selbstmord im Jahr 1985 regelmäßig porträtierte. Entstanden sind sehr persönliche Aufnahmen, die er nach Christines Tod in seinen Fotobänden, den „Mémoires“, immer wieder neu ordnete und kombinierte, um so seine Erinnerung zu manifestieren. Es entstand ein Archiv, das stetig wechselnde Formen annimmt.
„Zu Hause in Ost-Berlin“, die dritte Serie, die im Kunstverein zu sehen ist, zeigt, ebenso wie „Staatsgrenze“, Bilder aus einer Welt, die so nicht mehr existiert. Eine Dia-Installation übersetzt die Fotografien in rhythmische Überblendungen und damit in eine sich fortwährend wandelnde Geschichte. Der Ausstellungstitel „Wo die Wahrheit liegt“ beschreibt die Suche des Künstlers nach Antworten auf Fragen, auf die es keine eindeutigen Antworten gibt.
Seiichi Furuya (*1950 in Izu, Japan) verließ Japan 1973. 1980 war er Mitbegründer der Zeitschrift „Camera Austria“, heute lebt und arbeitet er hauptsächlich in Graz.
Im Frühjahr 2014, 30 Jahre nach dem Entstehen der Fotografien, erschien im Spector Verlag Leipzig das Künstlerbuch „Staatsgrenze 1981–1983“. Die Publikation wurde ermöglicht durch die Unterstützung der ERSTE Stiftung und ist für 24 Euro im Kunstverein erhältlich.
Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Kunsthaus Dresden und der Gesellschaft für Zeitgenössische Kunst Leipzig statt und wird dort im Frühjahr 2015 mit anderen programmatischen Schwerpunkten zu sehen sein.
Im Rahmen der Ausstellung findet am Samstag, den 30.8. um 17 Uhr ein Künstlergespräch statt.
Seiichi Furuya im Gespräch mit Thomas Schirmböck
Furuyas künstlerisches Werk changiert zwischen Dokumentation, biografischer Erfahrung und Zeitzeugenbericht. Dabei ist Sprache elementarer Bestandteil seiner Arbeit. Durch die unterschiedlichen Präsentationsformen der Fotografien im Ausstellungsraum, in Künstlerbüchern oder im Zusammenhang mit den dazugehörigen Texten stellen sich Perspektivwechsel ein, die in dem Gespräch zwischen Thomas Schirmböck und Seiichi Furuya thematisiert werden. Im Anschluss an das Künstlergespräch findet ein Booksigning der aktuellen Publikation „Staatsgrenze 1981-1983“ statt.
Thomas Schirmböck (Kunsthistoriker, Mannheim) ist Leiter von Zephyr Raum für Fotografie, Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungen zu den verschiedenen Spielarten von zeitgenössischer Fotografie und deren verwandten Medien.
›Dubayyland‹ 2014, Fotografie
Sophie-Therese Trenka-Dalton
30. August 2014 – 2. November 2014
Eröffnung: 29. August 2014 | 19 Uhr
In der Einzelausstellung „Dubayyland“ betrachtet Sophie-Therese Trenka-Dalton die Inszenierung kultureller Symbole in der Architektur von Dubai und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dabei blickt die Künstlerin hinter die mediale Fassade von Luftaufnahmen und 3D-Renderings ikonischer Bauprojekte und entwirft entlang von Objekten, Fundstücken und Fotoarbeiten ein assoziatives Bezugssystem zwischen neuen Monumenten, regionalen Motiven und (re)konstruierter Historie.
Dubai als zeitgenössische Stadt basiert auf der zunehmenden Konzentration internationaler Kapitalflüsse, einer Überlagerung von delokalisierten, gegensätzlichen Lebensrealitäten und dem extrem beschleunigten Aus- und Umbau urbaner Strukturen. Das Resultat ist eine Ästhetik der Fragmentierung und Modellhaftigkeit, die Sophie-Therese Trenka-Dalton als Ausgangspunkt für ihre installative Arbeit aufgreift. Miniaturdarstellungen von Monumenten, Variationen regional signifikanter Symbole (z.B. das für die Arbeit der Künstlerin zentrale Motiv der Dattelpalme), Firmenlogos und nachgestellte Architekturartefakte verschränkt sie zu einer individuellen Reflexion über eine neu entstehende Kultur, in der das Projizieren von Realität und das Kopieren oder Simulieren kultureller Referenzen zentrale Bestandteile bilden. In Erweiterung ihres spezifischen Interesses an der Stadt Dubai arbeitet die Künstlerin aktuell an dem Buchprojekt „Roundabout Monuments in the UAE“ über die Vielfältigkeit der Gestaltung von Kreisverkehren in den VAE, das in Auszügen ebenfalls vorgestellt wird.
Die Ausstellung „Dubayyland“ im Studio des Heidelberger Kunstvereins ist die erste Präsentation von Material zur Architektur in Dubai, die die Künstlerin seit 2009 und zuletzt während eines viermonatigen Aufenthaltsstipendiums in den Vereinigten Arabischen Emiraten Anfang 2014 entwickelt hat.
Sophie-Therese Trenka-Dalton (*1979 in Berlin) lebt und arbeitet in Berlin, wo sie bis 2007 an der Universität der Künste studiert hat. Zuletzt erhielt die Künstlerin 2013 den Berlin Art Prize und das Kulturaustauschstipendium Global der Kulturverwaltung des Landes Berlin.
Im Rahmen der Ausstellung findet am Samstag, den 30.8. um 15 Uhr ein Künstlergespräch mit Susanne Weiß statt
Sophie-Therese Trenka-Dalton und Susanne Weiß, die sich 2009 zeitgleich in den VAE aufhielten, werden anhand der einzelnen Kapitel der Installation „Dubayyland“ die Entstehungsgeschichte und den Kontext des Projekts vorstellen. Dabei wird das Augenmerk auf Fragen der räumlichen Übertragung gelegt und es werden künstlerische Methoden wie Aneignung und Wiederholung untersucht, die die zentralen Bestandteile der praktischen Arbeit von Sophie-Therese Trenka-Dalton bilden.
›War Porn‹
Christoph Bangert
30. August 2014 – 2. November 2014
Eröffnung: 29. August 2014 | 19 Uhr
Menschliche Körper, enthauptet oder ohne Gliedmaßen, gefoltert und auf den Müll geworfen, in Krankenstationen dahinvegetierende Halbtote und Massakrierte. Christoph Bangert hat Abgründe menschlicher Perversion mit der Kamera fixiert. Seine Fotografien bezeugen Anwesenheit bei grauenerregenden Geschehnissen in Kriegsgebieten, an die der Fotograf sich teilweise selbst nicht mehr erinnern kann.
Francisco Goya und Jacques Callot legten zu Beginn des 17. und des 19. Jahrhunderts in ihren Grafiken „Die Schrecken des Krieges“ Zeugnis ab über die bestialischen Seiten der machtpolitischen Auseinandersetzungen ihrer Zeit. Christoph Bangert hat Palästina, Japan, Afghanistan, den Irak, Indonesien, Zimbabwe und Nigeria bereist. Viele Bilder, die er dort gemacht hat, wurden bisher nicht gezeigt – weil er sie selbst für zu drastisch hielt oder Redaktionen sie nicht veröffentlichen wollten. Mit dem Buch „War Porn“ hat Bangert Auszüge dieses Materials veröffentlicht. Nicht die Kriegsfotografie als solche ist hierbei sein Thema, sondern vielmehr der Umgang mit den Bildern. Derart schonungslose Fotografien aus Kriegsgebieten werden von den Medien mit der Argumentation zurückgehalten, sie zu zeigen sei voyeuristisch, pornografisch, entmenschlichend. Es liegt aber in der Verantwortung des Betrachters, wie Susan Sontag in ihrem gleichnamigen Aufsatz zur Kriegsfotografie bemerkt, das „Leiden anderer zu betrachten“ und dadurch anzuerkennen. Der Selbstzensur muss man gelegentlich rabiat und entschieden entgegentreten und sei es mit dem Papiermesser, das die verschlossenen Buchseiten von „War Porn“ öffnet. Man muss sich überwinden, wird herausgefordert und stellt sich nicht nur einmal die Frage: „Will ich das jetzt wirklich sehen?“
Das Buch ist in einer geschlossenen Vitrine ausgestellt und nur auf Anfrage einsehbar.
Christoph Bangert (*1978) hat an der Fachhochschule Dortmund und dem International Center of Photography in New York Fotografie studiert. Er arbeitet als Journalist und Fotograf unter anderem in Kriegs- und Krisengebieten. Viele seiner Fotografien wurden in der New York Times veröffentlicht. Die Publikation „War Porn“ ist im Frühjahr 2014 im Kehrer Verlag Heidelberg/Berlin erschienen.
Im Rahmen der Ausstellung findet am Mittwoch, den 29.10. um 19 Uhr ein Vortrag von Kristin Marek statt.
Das intime Buch des Kriegsfotografen Christoph Bangert mit dem Titel „War Porn“, das schockierende Bilder von Gewalt und Grausamkeiten aus Kriegsgebieten in seltener Direktheit zeigt, wirft die so wichtige wie einfach klingende Frage auf: Was dürfen Bilder zeigen? Sie stellt sich besonders immer dann, wenn ein Toter ins Bild kommt. Dieser Schock und Tabubruch zieht viele grundlegende Fragen an Bilder nach sich. Denn: was können Bilder eigentlich zeigen? Und wie ermächtigen sich Bilder dessen, was sie zeigen? Wie steht es schließlich um die Macht der Bilder?
Kristin Marek ist Kunsthistorikerin und beschäftigt sich u. a. mit der Ästhetik des Leichnams in der Kunst, dem Verhältnis von Kunst und Politik, sowie Kunst und medialer Reflexion. Sie lehrt und forscht an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe.