Kunstausstellung in Bruchsal zum Ersten Weltkrieg – „Gustav Wolf lebt noch“ bis 26. September zu sehen im Rathaus am Marktplatz / Eintritt frei zu Öffnungszeiten des Rathauses
WolfDas titelgebende Kunstwerk ist eine kleine Druckgrafik, wenig über Format A 5, unscheinbar fast in ihrer Gestaltung, aber wuchtig in der Aussagekraft: Da marschiert eine Kolonne Soldaten hinein in den Rachen einer riesigen Bestie, wird verschlungen davon, eine Rettung gibt es nicht mehr. Nur einer bleibt zurück. Ausgespien aus dem Maul des Monsters, liegt er als winziges Stück Mensch zu dessen Füßen, offenkundig versehrt, aber wenigstens: Er lebt.
Es ist der Maler und Grafiker Gustav Wolf, Kriegsfreiwilliger des Ersten Weltkrieges, begeistert zunächst wie so viele, bald aber auch ernüchtert und erschüttert wie so viele. Doch er teilt eben gerade nicht das Schicksal von Kollegen wie August Macke und Franz Marc, die im Krieg starben. Er ist der Gerettete, der Ausgespiene. „Gustav Wolf lebt noch“: So heißt das Werk, und so heißt die Ausstellung, die noch bis 26. September in Bruchsal im Rathaus am Marktplatz, Kaiserstraße 66, zu sehen ist.
Wolf, 1887 im badischen Östringen geboren, meldete sich kurz nach Kriegsausbruch als Freiwilliger an die Front. Im Einsatz in Flandern wurde er mit einer unglaublichen Brutalität konfrontiert. Der Soldatentod seines Bruders Willy und seine eigene schwere Verwundung haben endgültig sein bisheriges Weltbild verändert. Jene „Todeswahrheiten“ fanden in Zeichnungen und Druckgrafiken Eingang, in denen er auf drastische und zuweilen makabre Weise die Kriegsrealitäten verarbeitete: Weit aufgerissene Augen und Münder, in denen sich das Entsetzen der Soldaten spiegelt, sind allgegenwärtig.
Das Erleben der Kriegsjahre bedeutete in Wolfs Biografie einen Bruch gleich in mehrfacher Hinsicht. Sein bisheriges Verständnis allen Tuns, vor allem auch des künstlerischen, als „Gott gewollt“, ja sogar als göttlich wurde zutiefst erschüttert. Darin offenbart sich seine ganz persönliche Tragik als Symbolist und Neo-Romantiker; ein zunehmendes Hadern mit seiner Weltanschauung ist die Folge.
Zugleich begegnete der jüdische Künstler, der sich als Deutscher freiwillig zum Fronteinsatz gemeldet hatte, während und nach dem Krieg einem wachsenden Antisemitismus, der überhaupt erst wieder eine deutliche Rückbesinnung auf sein eigenes Judentum bewirkte. Wolfs Einzelschicksal steht damit stellvertretend für das vieler jüdischer Frontsoldaten, deren persönlicher Einsatz für Deutschland in den Jahren 1914 bis 1918 die Entrechtung durch den Nationalsozialismus umso schockierender und verletzender fühlbar werden ließ.
Unter dem Eindruck der Judenverfolgung musste Wolf 1938 den Weg in die Emigration antreten. In den USA entstanden völlig neue Arbeiten, in denen er in einer Art Selbstpsychologisierung zum einen die Hoffnungslosigkeit dieses Lebensabschnitts verarbeitete, aber zugleich auch wieder neue Vitalität entwickelte. Nachdem er sich schon Gedanken über eine Rückkehr nach Deutschland gemacht hatte, starb Gustav Wolf 60-jährig in Northfield (Massachusetts), wo er in seinen letzten Lebensjahren in einer Künstlerkolonie gelebt hatte.
Die Ausstellung „Gustav Wolf lebt noch“ ist bis Freitag, 26. September 2014 in Bruchsal im Rathaus am Marktplatz, Kaiserstraße 66, zu sehen. Der Eintritt ist frei, geöffnet ist die Präsentation montags bis mittwochs von 8 bis 16 Uhr, an Donnerstagen bis 17 Uhr, freitags bis 12 Uhr. Sonderführungen für Gruppen sind auch außerhalb der Öffnungszeiten nach Vereinbarung möglich. Ab 3. Oktober wird die Ausstellung in der Gustav-Wolf-Galerie in Östringen zu sehen sein.

Juli 2014 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau | Kommentieren