gleise.jpgVon den Deportationsopfern, vor allem aber von den Kindern und Jugendlichen gibt es bisher nur wenige Fotos und Dokumente. Bitte suchen Sie in Heidelberg nach Lebenszeugnissen der Verschollenen. Überall dort, wo sich Interessierte, Gruppen und gesellschaftliche Organisationen für diese Suche einsetzen, wird der „Zug der Erinnerung“ halten – an den Bahnhofsstationen eines Leidensweges, der dem Vergessen entrissen werden muss.

Folgende Fragen geben Anregungen für die Spurensuche:

Gibt es bereits Publikationen am Ort?
Welche Dokumente finden sich in den örtlichen und regionalen Archiven?
Welche Kinder und Jugendlichen würden aus Ihrer Stadt deportiert?
Mit welcher Person will ich mich näher beschäftigen?
Hat die Person in meiner Nachbarschaft gewohnt?
Gibt es noch Familienangehörige?
Wo hat das Kind gelebt? Wer waren die Eltern? Was war ihr Schicksal?
Gibt es die Straße, das Haus heute noch? Gibt es noch Nachbarn, die sich an die Kinder erinnern?
Gibt es Fotos, Briefe, Gegenstände, die den ehemaligen Nachbarn gehörten?
Welche Schulen haben die Kinder besucht?
Gibt es diese Schule noch heute? Finden sich im Schularchiv Unterlagen, Schülerkarteikarten, Schülerakten, Zeugnisse, Prüfungsunterlagen?
Welche Erinnerungen haben ehemalige Klassenkameraden?
Existieren Fotos und Dokumente aus der Schulzeit, Klassenfotos etc.
Besonders sollen Schulen und Schulklassen zur Spurensuche angeregt werden. Wir bitten die örtlichen Bildungsträger um ihr besonderes Engagement. Auch jeder interessierte Bürger, jeder Nachbar kann sich beteiligen. Der „Zug der Erinnerung“ und die Rundschau werden Sie nach Kräften unterstützen.

Kontakt Spurensuche: mailto: redaktion@rundschau-hd.de oder 06221 588500

oder: info@zugde.eu

Um auch n ur halbwegs zu erahnen, wie den Familien zumute gewesen sein müsse, die von heute auf morgen einen „Abschiebebefehl“ bekamen, sei hier ein solcher wiedergegeben:

 Abschiebebefehl der Gestapo

Geheime Staatspolizei Staatspolizeidienststelle Darmstadt

Es wird Ihnen hiermit eröffnet, daß Sie innerhalb von drei Stunden Ihre Wohnung zu verlassen haben. Zum Zwecke der Abschiebung werden Sie und Ihre Familienangehörigen vorläufig festgenommen und in ein Sammellager gebracht. Die beauftragten Beamten sind gehalten, in Ihrer Wohnung zu verbleiben, bis Sie Ihre Koffer gepackt und Ihre Wohnung ordnungsgemäß hergerichtet haben.

Sie werden angewiesen, die Schlüssel an sämtlichen Behältnissen, Schränken usw. stecken zu lassen, ebenso die Schlüssel zu den Zimmertüren innerhalb der Wohnung. Soweit Sie die Schlüssel an einem besonderen Schlüsselbund haben, sind sie von dem Bund zu entfernen und in das Schloss des Behältnisses, zu dem sie gehören, zu stecken. Den Haus- und Korridorschlüssel haben Sie an einem Bändchen und einem daran befestigten  haltbaren Stück Pappe zu versehen, auf das Name, Wohnung und Kenn-Nummer zu schreiben sind. Diese Schlüssel haben Sie beim Verlassen der Wohnung dem beauftragten Beamten zu übergeben. Vor Verlassen der Wohnung ist die Ihnen ausgehändigte Vermögenserklärung genauestens auszufüllen und mit Unterschrift versehen den Beamten auszuhändigen.

Sie haben mitzunehmen:

1.Zahlungsmittel RM 50,-

2. einen Koffer oder einen Rucksack im Gesamtgewicht bis höchstens 50 kg, enthaltend: Wäsche, Kleidungsstücke, Sonstiges zu einfacher Lebensführung notwendiges Gerät.

3. Zwei Decken mit Bettzeug (nicht im Koffer, sondern gerollt und  verschnürt);
4. Vollständige Bekleidung (es können auch zwei Mäntel und doppelte Unterwäsche angezogen werden)
5.   Verpflegung für 3 Tage, Löffel, Teller, Napf, Trinkbecher, (nicht in  den Koffer gepackt)
6. Kennkarte, Arbeits- und alle sonstigen Ausweispapiere, sämtliche Lebensmittelkarten, Kartoffel- und  Kohlenbezugsscheine. Sonstige Bezugsausweise. (Die unter Ziffer 6 aufgeführten Gegenstände dürfen nicht eingepackt werden, sondern sind von jeder Person bei sich zu führen).

Nicht mitgenommen werden dürfen:

Wertpapiere,
Devisen,
Bank- und Sparkassenbücher,
Wertsachen jeder Art, Gold, Silber, Platin,
lebendes Inventar.

Der Ehering sowie eine einfache Uhr dürfen mitgenommen werden (Nur Nickel- und Stahluhren). Bargeld, Wertsachen, Schmuckgegenstände und Edelmetalle sind in einen Stoffbeutel zu legen und den Beamten zu übergeben. Der Beutel ist mit genauer Anschrift und Kenn-Nummer zu versehen. Über den Inhalt ist ein genaues Verzeichnis aufzustellen, das von den Beamten und von dem Eigentümer zu unterschreiben und dem Inhalt des Beutels beizufügen ist.

Der mitzunehmende Koffer ist mit einem dauerhaften Schild zu versehen, das in deutlicher Schrift Ihren Namen, Geburtstag und –ort, Wohnung und Kennnummer enthält.

Sie selbst haben sich ein Schild um den Hals zu hängen, auf dem in deutlich lesbarer Schrift Name, Geburtstag und Kennnummer anzugeben sind. Allen Anordnungen der Beamten haben Sie unbedingt und ohne Widerspruch Folge zu leisten und jede geforderte Auskunft zu erteilen. Im Nichtbeachtungsfalle haben Sie mit schwersten staatspolizeilichen Maßnahmen zu rechnen.
Diese Verfügung gilt für den Inhaber zugleich als Ausweis.

Darmstadt, den 18. März 1942
Geheime Staatspolizei
Staatspolizeistelle Darmstadt
Gez. Dr. Achemer-Pifrader Standartenführer und Ober-Reg. Rat

Juli 2007 | Heidelberg, Allgemein, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren