Im Jahr 2011 – weit von der Küste entfernt – „gestrandet“

Live-Warnungen im TV, Hamsterkäufe, Notreserven – die an Erdbeben gewohnten Japaner erlebten in den vergangenen sieben Tagen ein ganz neues Katastrophengefühl. Sie reagierten nicht auf eine Naturkatastrophe, sondern malten sie sich vorab aus. Ein Wissenschaftsrat hatte in der vergangenen Woche erstmals eine akute Erdbebenwarnung ausgesprochen – und zwar für ein Megabeben, das Japan erschüttern und ökonomische Schockwellen über den Globus jagen würde. Die akute Warnung lief zwar an diesem Donnerstag aus. Die Angst bleibt aber. Denn es handelt sich um ein mögliches Megabeben mit einer Stärke zwischen 8 und 9. Ob es kommt, steht nicht zur Debatte – sondern nur, wie bald und wo genau.

Sicher ist, es wird entlang der 700 Kilometer langen Nankai-Senke stattfinden, die sich im Pazifik von der Präfektur Shizuoka nahe Tokio bis zur südjapanischen Insel Kyushu zieht. Damit würde es direkt viele der wichtigsten Industrieregionen des Landes treffen, darunter auch die Heimat des weltgrößten Autobauers Toyota.
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Selbst in Tokio würde die Erde noch stark beben.

Dementsprechend groß ist der angenommene Schaden. 2012 bezifferte eine Worst-Case-Simulation ihn auf 220 Billionen Yen, umgerechnet 1,4 Billionen Euro), also rund 40 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts. Allein dies dürfte einen Schock an den Finanzmärkten auslösen.

Japaner würden enorme Summen an Geld ins Land zurückholen und damit den Yen massiv in die Höhe treiben, um den Wiederaufbau zu finanzieren. Zudem müssen Unternehmen weltweit damit rechnen, dass viele globale Lieferketten durch Produktionsausfälle in Japan auf Wochen, wenn nicht Monate reißen. Doch vor allem die Zahl der zu erwartenden Opfer wäre horrend.

Das Worst-Case-Szenario sagt Tausende Tote voraus

In der Simulation von 2012 errechneten die Statistiker 323.000 Tote. Das wären fast 20 Mal so viele Opfer als 2011, als einem Beben der Stärke 9 an der dünn besiedelten Nordostküste Japans ein Tsunami gefolgt war.
Mittlerweile wurde die angenommene Opferzahl wegen umfangreicher neuer Schutzmaßnahmen gesenkt. Zum Beispiel haben die Gemeinden Tsunami-Schutztürme errichtet und höhere Betonhäuser als Fluchtburgen ausgewiesen. Die Präfektur Shizuoka rechnet nun statt mit 100.000 mit etwa 30.000 Toten, etwa 95 Prozent davon durch einen Tsunami, der an einigen Orten mehr als 30 Meter hoch sein könnte.

Tsunami 2011: Bei einem Megabeben könnten sich die Menschen wohl kaum vor einer anschließenden Flutwelle in Sicherheit bringen. Sie würde unmittelbar auf die Erschütterungen des Bebens folgen.
Doch viele Menschen würden es wohl zeitlich nicht schaffen, sich in höhere Lagen zu flüchten. Denn die Stoßzone zwischen zwei Erdplatten verläuft relativ nahe an der Küste. Vielerorts werden daher die vom Erdbeben aufgeworfenen Wassermassen nur zwei bis fünf Minuten nach den ersten Erdstößen anlanden. Da kauern viele Menschen noch unter ihren Tischen, um sich vor umfallenden Möbeln oder herabstürzenden Deckenteilen zu schützen.

Auslöser der Warnung vor diesem Szenario war ein Erdbeben mit der Stärke 7,1, das am 8. August die Südküste der Insel Kyushu traf. Es wäre vielleicht schnell wieder vergessen worden, denn dank der hohen Erdbebensicherheit japanischer Gebäude gab es keine Toten: Doch nur Stunden nach den Erschütterungen verewigte ein Forscherrat das Ereignis durch seine Erdbebenwarnung in Japans Geschichtsbüchern.

Der geografischen Position des Epizentrums wegen hatten die Wissenschaftler für mindestens eine Woche eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Megabeben vorausgesagt. Eine angsteinflößende Vorstellung angesichts der bisherigen amtlichen Prognose, dass das Megabeben in den kommenden 30 Jahren mit 70- bis 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit die Region treffen wird.

Wasservorrat und Notfallrucksack sind bereit

Die Aussage der Wissenschaftler geht auch an den Japanern nicht spurlos vorüber, dieszumal erst am Neujahrstag ein Erdbeben auf der Noto-Halbinsel mit mehr als 300 Toten an die unbändige Gewalt der Natur erinnert hatte.

Die jüngste Erdbebenwarnung hat ins Bewusstsein gebracht, dass die vergangenen Erschütterungen nur Vorboten eines viel größeren Bebens gewesen sein könnten. Viele Menschen habe deshalb überprüft, ob sie auf solche Szenarien vorbereitet wären. Immerhin wird auch für die Hauptstadt ein Megabeben erwartet – und nicht zu vergessen ein Ausbruch des Nationalbergs Fuji, der sich majestätisch über Tokios Horizont erhebt.

Immerhin sind die öffentlichen Pläne für den Notfall gut durchdacht

Soe wird unter Anderem empfohlen, zu einem Park zwischen drei Schulen gehen, die ihrerseits auf ihre Rolle vorbereitet sind. Eine Grundschule hat beispielsweise nicht nur große Wassertanks, um die Evakuierten mit Trinkwasser versorgen. zu können- und Im Hof wurden auch Abflüsse für Notfalltoiletten eingerichtet.

Die Aussage von Wissenschaftlern geht auch an den Japanern nicht spurlos vorüber, zumal erst am letzen Neujahrstag ein Erdbeben auf der Noto-Halbinsel mit mehr als 300 Toten an die unbändige Gewalt der Natur erinnert hatte.

Sep. 2024 | Allgemein, Sapere aude | Kommentieren