Wir essen zu viel Zucker und das schadet uns – doch oft können wir das Süße kaum oder gar nicht lassen. Forschern wird immer deutlicher: Zuckerkonsum verändert Strukturen im Gehirn – und erschwert den Verzicht. Was kann jeder Einzelne tun?
Wir sind dem süßen Geschmack verfallen, denn er löst eine besonders hohe Dopaminreaktion aus. Und von diesem Glückshormon können wir nicht genug kriegen. In unserem Gehirn laufen dabei Millionen Jahre alte unterbewusste Prozesse ab, denn Zucker ist ein lebenswichtiger Energielieferant. Zucker an sich ist also nicht das Problem. Die Menge, die wir zu uns nehmen, schon. Obgleich wir das wissen, gelingt uns der Verzicht kaum.

Warum das so ist, erforscht der Neurowissenschaftler Marc Tittgemeyer am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung. Er sagt, das Gehirn signalisiere: Zucker ist gut, mehr davon. Sich dem zu widersetzen, sei schwer.
Und es werde umso schwerer, je übergewichtiger eine Person ist. Denn dadurch veränderten sich auch die Signalwege im Gehirn. Man isst immer weiter, unbewusst – weil das Gehirn das so will. „Adipositas ist kein Disziplinproblem“, sagt der Stoffwechselexperte. „Das ist wirklich Quatsch. Die Menschen essen, weil sie dick sind.“ Ein Teufelskreis.

Wie programmiert Zucker das Gehirn?

Neueste Untersuchungen zeigen, dass Zucker vor allem in der Kombination mit Fett unser Gehirn bereits innerhalb von zwei Monaten umprogrammiert. In der Studie aßen normalgewichtige Probanden acht Wochen lang zusätzlich zu ihren normalen Mahlzeiten täglich einen Pudding. Bei der einen Gruppe war der Pudding sehr reich an Zucker und Fett, bei der anderen war er weniger süß, dafür sehr proteinreich. Die Kilokalorienzahl war bei beiden Puddings gleich.

Untersuchungen während der Studie

Sie zeigten bei der Gruppe mit dem süßen und fettigen Pudding eine deutlich stärkere Antwort im Belohnungszentrum des Gehirns – und das signalisiert: Ich will das jetzt haben und ich will mehr davon. In nur acht Wochen veränderten sich die Vorlieben: Weniger süßes und fettes Essen wird nicht mehr so gerne gemocht. „Da werden neue Synapsen formiert“, erklärt der Neurowissenschaftler, „da wird unser Hirn in gewisser Weise neu verdrahtet.“
Wieso ist die Vorliebe für Zucker schlecht für den Körper?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Erwachsenen höchstens 50 Gramm zugesetzten Zucker pro Tag. 25 Gramm wären besser. Im Schnitt kommt jeder Deutsche aber auf fast 95 Gramm Zucker pro Tag.

Könnte eine Zuckersteuer helfen?

Beobachtungsstudien zeigen, dass die meisten Menschen allgemeine Ernährungsempfehlungen nicht befolgen und Diätprogramme oder Lebensstilinterventionen nur in rund 20 Prozent der Fälle gelingen. Je mehr Körperfett man mit sich rumträgt, desto schwieriger wird es.
Deshalb führt für Neurowissenschaftler Marc Tittgemeyer kein Weg an einer staatlichen Zucker-Regulierung vorbei: „Selbstregulierung kann nur funktionieren, wenn ich mir bewusst bin, was ich tue, und wenn ich selbstständig was ändern kann. Wenn ich das aber nicht mehr kann, dann muss jemand anderes eingreifen.“

Viele sprechen inzwischen von einer Zuckersucht

Eindeutige wissenschaftliche Belege dafür gibt es allerdings nicht. Im Vergleich zu Kokain, Alkohol, Nikotin und anderen Drogen gilt Zucker nicht als klassisches Suchtmittel. Unstrittig ist allerdings, dass Zucker für viele Menschen wegen der ausgebildeten Vorliebe für den süßen Geschmack und d
Auch rund 75 Prozent der befragten Verbraucher sprechen sich in einer Umfrage im Auftrag des Konsumgüterverbandes FMCG eher für eine staatliche Regulierung beim Zucker aus. Im Juni 2024 fordern auf der Verbraucherschutzministerkonferenz 9 von 16 Bundesländern die Bundesregierung auf, die Einführung einer Zuckersteuer ernsthaft zu prüfen. Da die FDP sich in der Ampelkoalition aber strikt gegen eine neue Steuer ausspricht, ist sie derzeit nicht in Sicht.
Länder wie Mexiko, Indien, Brasilien, Frankreich, Finnland und Großbritannien setzten im Kampf gegen die Adipositas-Pandemie auf eine Zuckersteuer für Softdrinks, die den größten Anteil am Konsum von zugesetztem Zucker haben.
Was macht Großbritanniens Zuckersteuer zum Vorbild?
Großbritannien führte 2018 eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ein. Je mehr Zucker ein Getränk enthält, desto höher ist die Steuer. Das führte dazu, dass der Zuckergehalt in den Softdrinks um rund 30 Prozent gesunken ist.

Waskönnte hierzulande eine Zuckersteuer bewirken?

Da Deutschland weltweit eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an zuckergesüßten Getränken ist, hätte eine Steuer auf Süßgetränke auch hier deutliche Effekte.
Eine Modellierungsstudie der Technischen Universität München um Public-Health-Forscher Karl Emmert-Fees konnte zeigen, was eine Zuckersteuer nach britischem Vorbild in Deutschland über die kommenden 20 Jahre bewirken könnte: Pro Person und Tag würden im Durchschnitt bis drei Gramm weniger Zucker konsumiert. Bei Menschen, die regelmäßig Softdrinks trinken, summiert sich das auf bis zu 30 Gramm Zuckerersparnis pro Tag.
Zudem würden etwa 250.000 Typ-2-Diabetes-Fälle verhindert oder verzögert – und die volkswirtschaftlichen Folgekosten gingen um etwa 16 Milliarden Euro zurück.

Sep 2024 | Allgemein, Gesundheit | Kommentieren