Stasi-Riege in der AfD – nach ausfürlichen Recherchen sind mehrere Dutzend ehemalige hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter Teil der AfD-Strukturen. Wir zeigen, was sie heute machen. Die AfD schweigt dazu. In den – fest geschlossenen – Reihen der AfD sind nach Recherchen mehrere Dutzend frühere hauptamtliche Stasi-Männer zu finden. Dazu kommt eine unbekannte Zahl an früheren inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und weiteren Stasi-Spitzeln. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist durchaus relevant: Derweil nämlich die IM und Spitzel lediglich Zuträger der DDR-Geheimpolizei waren, agierten die hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter meist als linientreue Anhänger des SED-Staates. Sie hatten sich bekannt, als Schild und Schwert der Partei, die sozialistische Herrschaft in Ostdeutschland durchzusetzen. Jetzt sind – was Wunder – diese Menschen auch in der AfD zu finden.
Nach Recherchen konnten mindestens 34 frühere hauptamtliche Mitarbeiter (in der Tat allesamt stramme Mannen) der Stasi in Reihen der AfD identifiziert werden.
Ein Beispiel:
Der heute 64-jährige Bob Polzer sitzt für die AfD im Chemnitzer Stadtrat – und kandidiert aktuell bei der Landtagswahl in Sachsen. Seine Stasi-Vergangenheit war bislang nicht bekannt. Über seine Vergangenheit spricht Polzer nur knapp: „Innerparteilich habe ich mich zu Anfragen in diese Richtung geäußert.“ Mehr will er auf Anfrage gegenüber CORRECTIV nicht sagen. Recherchen legen eine Tätigkeit in der Sportvereinigung der DDR-Sicherheitsorgane unter Erich Mielke nahe, der SV Dynamo. Polzer steht derzeit auf Listenplatz 57 der AfD Sachsen.
Es gibt aber auch Ex-Stasi-Soldaten in der AfD, etwa Enrico Komning. Der heutige Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion hatte bis in die Zeit des Zusammenbruchs der DDR hinein im Wachregiment Felix Dzierzynski gedient.
Diese Einheit hatte mehr als 11.000 Berufssoldaten auf Zeit im Einsatz. Sie galten als militärische Truppe der Stasi, die im Bedarfsfall zuschlagen sollte. Ansonsten versah sie oft Wach- und Sicherungsdienste. Sie ist nach Felix Dzierzynski benannt: Der kommunistische Revolutionär hatte 1917 die sowjetische Geheimpolizei Tscheka gegründet, den Vorläufer des KGB, der für die Terrorwellen unter Stalin verantwortlich war. Der Wahlkreis von Komning ist in Neubrandenburg.
Zu der Felix-Dzierzynski-Truppe in der AfD gehört auch Peter Drenske. Er war von 1979 bis 1982 beim Wachregiment, später auch in der SED. Mit seiner Vergangenheit geht er relativ offen um – über seinen Fall berichtete bereits der Tagesspiegel. Fraktion und Partei haben mit der Stasi-Vergangenheit Drenskes offenkundig keine Probleme. Der frühere Stasi-Soldat sitzt seit 2019 im Brandenburger Landtag und bewirbt sich im September wieder um das Direktmandat in seinem Wahlkreis.
Ex-Stasi-Männer stehen für die AfD zur Wahl
Aus dem Wachregiment finden sich mindestens neun weitere Ex-Stasi-Männer in den Reihen der AfD. Einige haben zeitgleich mit Komning gedient. Ihre Namen und persönlichen Daten sind bekannt, dürfen aber aus presserechtlichen Gründen nicht genannt werden. Einer ist Arzt, ein paar sind Lokalpolitiker, andere sind parteiintern nicht in Erscheinung getreten. Einige, wie der frühere Genosse von Komning, Frank N., ließen sich im heutigen „Westen“ für die AfD zu Landtagswahlen in NRW aufstellen.
Mindestens neun weitere ehemalige hauptamtliche Stasi-Mannen waren in den Dienststellen der Stasi-Spitze tätig. Uwe L. zum Beispiel war der Hauptabteilung Spionageabwehr im Bereich von Stasi-Minister Erich Mielke zugeordnet und ist nach eigenen Worten 2017 aus der AfD ausgetreten. Er betreibt in Berlin eine Firma für Wirtschaftsberatung und Marketing. In der gleichen Abteilung bei Erich Mielke war Christoph B. tätig. Er leitet heute in Berlin eine Firma für Finanzberatung. Anderen früheren Stasi-Männern, die heute in der AfD sind, vertrauten Männer wie Mielke ihr Leben an. Sie waren Personenschützer der SED-Elite, gut ausgebildet an der Waffe oder in der Hauptabteilung beschäftigt, die für den militärisch operativen Bereich verantwortlich war.
Aus der Hauptabteilung Kader und Schulung fand ein weiterer Stasi-Mann in die AfD, ein strammer Verteidiger Björn Höckes aus Brandenburg, Lutz T. Sein Nachname darf ebenfalls aus presserechtlichen Gründen hier nicht genannt werden. Interessant ist hier, dass ein anderer Stasi-Mann aus der Hauptabteilung Kader und Schulung, Frank Hannig, am 5. März 2015 in Dresden die Gründung des zweiten Pegida-Vereins einleitete. Er war im Beisein des Pegida-Frontmanns Lutz Bachmann Versammlungsleiter, Protokollführer und Organisator der Pegida-Struktur. Er verwaltete sogar zeitweilig das Treuhandkonto der „Bewegung“ bei der Volksbank Pirna,
Weitere ehemalige Stasi-Männer sitzen derweil für die AfD in Kreis- und Gemeindevertretungen. Wie der frühere Offizier im besonderen Einsatz (OibE), Frank-Ronald Bischoff. Er spitzelte in der DDR-Zeit Ausreisewillige im Kreis Halberstadt aus, wie 2017 die Volksstimme aus Magdeburg enthüllen konnte. Heute sitzt Bischoff für die AfD im Kreistag Harz.
Zusätzlich zu den hier aufgelisteten hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern konnten in den vergangenen Jahren immer wieder ehemalige IM der Stasi oder andere Spitzel in Reihen der AfD enttarnt werden. Meist redeten sich die Zuträger der DDR-Geheimpolizei mit unbedeutenden Tätigkeiten heraus. CORRECTIV hat die IM in dieser Recherche nicht weiter betrachtet.
Die AfD hat sich – was Wunder – bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage zu den Ex-Stasi-Mitarbeitern in den eigenen Reihen geäußert.
AfD und BSW – eine Heimat für Stasi-Männer
Jochen Staadt vom Forschungsverbund SED-Staat sieht gemeinsame Interessen der Faschisten in der AfD mit den ehemaligen Schwert- und Schildträgern der SED sowie dem Bündnis Sahra Wagenknecht, in deren Kaderorganisation ebenfalls überraschend viele Ex-Stasi-Männer sind, wie z. B. CORRECTIV berichtete.
Staadt sagt: „Viele ehemalige Mitarbeiter der Stasi sind Leute, die mit der Faust in der Tasche die Entwicklung nach der Wiedervereinigung erlebt haben, und die sich nun in diese beiden Parteien, AfD und BSW, einsortieren können. Dass deren Nähe zu Russland und die Feindschaft zu den USA heute in den ostdeutschen Ländern offenbar mehrheitsfähig ist, ist für diese Menschen sicher eine Genugtuung. In deren Diktion ist Putin bis heute ein Genosse und sie haben bis heute die autoritäre Gesinnung aus den kommunistischen Organisationen nicht abgelegt.“
Die Deutschen Rechtsaußen und die ehemaligen Linksaußen finden offensichtlich über das Ziel der AfD zusammen, Russland zur dominierenden Macht in Europa zu machen. Den angeblichen Patrioten ist sogar schnuppe, dass ihre Spitzenleute wie der Europachef der AfD, Maximilian Krah, oder der frühere Bundestagsabgeordnete und jetzige AfD-Europa-Parlamentarier, Petr Bystron, in Spionage- und Korruptionsskandale zugunsten Russlands oder Chinas involviert sind.
Thomas Jäger lehrt an der Universität zu Köln Internationale Politik. Er sagt, es müsse zwar immer der Einzelfall eines Stasi-Mannes in der AfD betrachtet werden. „Aber generell kann man sagen, dass Menschen, die bei der Stasi waren, in der Regel eine hohe Identifikation mit dem Staat DDR hatten und deshalb den Untergang bedauert haben. Wenn sich nun die Möglichkeit bietet, über die AfD und BSW sich am damaligen Feind, dem Westen, zu rächen, dann nutzt man diese Chance.“ Jäger sagt weiter, der russische Präsident Wladimir Putin sei für die meisten bis heute ein Genosse. Vor allem die Feindschaft gegenüber den USA sei das bindende Glied zwischen AfD, Russland und den Ex-Stasi-Männern.
Auch konnte die Gehaltsliste der hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter aus der Zeit des Untergangs der DDR mit einer Mitgliederliste der AfD verglichen werden. Die Liste der damals hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter stammt von einem ehemaligen Mitarbeiter von Correctiv, der sie in den Wirren des Zusammenbruchs des SED-Staates bekommen hatte. Die Liste ist authentisch. Die Mitgliederliste der AfD konnte ebenfalls auf ihre Echtheit überprüft werden. Auch wurde überprüft, ob sie noch Parteimitglieder sind. Allerdings kann es sein, dass in der Zwischenzeit ehemalige Stasi-Mitglieder aus der AfD ausgetreten oder neu hinzugestoßen sind.
Stasi-Vergangenheit: Andere Parteien sind da – erheblich – strenger
Die Bundestagsparteien aus dem demokratischen Spektrum in Deutschland haben grundsätzlich eine deutliche Abgrenzung zu ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern.
Die FDP hat in ihrer Satzung festgeschrieben, dass Stasi-Leute aus der Partei ausgeschlossen werden können, wenn diese „Mitbürger als Gegner eines totalitären Regimes denunziert“ oder ihre „gesellschaftliche Stellung dazu missbraucht hat, andere zu verfolgen.“
Die SPD schreibt: „Die Gliederungen vor Ort sind für die Aufnahme von Mitgliedern zuständig. Meist war die hauptamtliche Stasi-Mitarbeit vor Ort auch bekannt und damit Anlass, die Aufnahme der Mitgliedschaft abzulehnen.“ Es gäbe aber keinen formalen Unvereinbarkeitsbeschluss zur Mitgliedschaft in der SPD mit einer Mitarbeit bei der Staatssicherheit.
Ähnlich äußern sich die Grünen: „Eine frühere hauptamtliche Tätigkeit bei der Stasi widerspricht den Grundsätzen und Werten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Uns sind keine aktuellen Fälle bekannt, in denen frühere hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter Mitglied bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geworden sind.“
Die CDU hat klare Richtlinien, was die Mitgliedschaft von früheren Stasi-Mitarbeitern betrifft. Ein Sprecher dazu: „Bereits auf dem Bundesparteitag im Oktober 1990 wurde beschlossen, dass Mitglieder, die Mitbürger als Gegner eines totalitären Regimes denunziert oder ihre Stellung zur Verfolgung anderer missbraucht haben, ausgeschlossen werden können“. Schon die Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) könne als parteischädigend angesehen werden. „Ein Parteiausschluss ist eine geeignete Maßnahme, um sicherzustellen, dass die CDU mit den Aktivitäten des MfS und seiner Zuträger nichts gemein haben will.“ In der Vergangenheit war die Ost-CDU in der Kritik, weil sie ihre Stasiverflechtung nach der Wende (taz) nicht ausreichend aufgearbeitet haben soll.
Die Linke schreibt, es gäbe „eine Unvereinbarkeit zwischen der Rechtfertigung stalinistischer Verbrechen und den Werten der heutigen Partei Die Linke.“ Eine generelle Durchleuchtung von Mitgliedern erfolge nicht. Es gäbe aber eine Verpflichtung, vor Kandidaturen die eigene politische Vergangenheit offenzulegen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und die persönlichen und organisationspolitischen Schlussfolgerungen daraus hätten bei der Linken einen hohen Stellenwert. Generell habe die Linke aus ihrer Geschichte heraus eine grundsätzliche Skepsis zur Vereinbarkeit von geheimdienstlicher Tätigkeit und demokratischer Kontrolle. Gut so …