Die AfD-Chefs Alice Weidel und Tino Chrupalla

Stasi-Riege in der AfD – nach ausfürlichen Recherchen sind mehrere Dutzend ehemalige hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter Teil der AfD-Strukturen. Wir zeigen, was sie heute machen. Die AfD schweigt dazu. In den – fest geschlossenen –  Reihen der AfD sind nach Recherchen mehrere Dutzend frühere hauptamtliche Stasi-Männer zu finden. Dazu kommt eine unbekannte Zahl an früheren inoffiziellen Mitarbeitern (IM) und weiteren Stasi-Spitzeln. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen ist durchaus relevant: Derweil nämlich die IM und Spitzel lediglich Zuträger der DDR-Geheimpolizei waren, agierten die hauptamtlichen Stasi-Mitarbeiter meist als linientreue Anhänger des SED-Staates. Sie hatten sich bekannt, als Schild und Schwert der Partei, die sozialistische Herrschaft in Ostdeutschland durchzusetzen. Jetzt sind – was Wunder – diese Menschen auch in der AfD zu finden.

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Aug 2024 | Allgemein, In vino veritas, Politik, Sapere aude | Kommentieren

Ihn so zu sehen, das tut man doch gern …

Donald Trump ist so Einiges: Ein verurteilter Straftäter zum Beispiel. Ex-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, auch das. Vielleicht sogar ein Frauenhasser und Feind der Demokratie. Manche nennen ihn einen Vergewaltiger. Die Liste der Vorwürfe ist lang und alle Einträge haben eines gemeinsam: Nichts davon bleibt an ihm haften, tut seiner Beliebtheit bei den Maga-Anhängern Abbruch. Im Gegenteil, der Republikaner versteht es meisterhaft, politisches Kapital aus den vielen Anschuldigungen zu schlagen, mit denen sich der 78-Jährige konfrontiert sieht.

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Aug 2024 | Allgemein, In vino veritas, Sapere aude | Kommentieren

Die Bauarbeiter in der Comeniusstraße haben sich verzogen, die Bagger stehen still, die Bürgersteige des Barockstädtchens sind leergefegt. Die Mutterstadt der Brüdergemeine, der kleinen evangelischen Freikirche, die sich hier vor 300 Jahren gegründet hat, wirkt wie ausgestorben.

 

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Aug 2024 | Allgemein, Essay, Kirche & Bodenpersonal, Senioren | Kommentieren

Was durch die AfD droht, offenbart sich meist besonders, wenn die Rechten sich unbeobachtet fühlen. So gehört in Sachsen auf kommunaler Ebene der Schulterschluss mit dem Neonazismus längst zum Alltag. Die taz konnte im Landkreis Görlitz Belege dafür sammeln, wie eng AfD-Lokalpolitiker mit Neonazis, Hooligans, völkischen Gruppen und Reichsideologen gemeinsame Sache machen. Und: Wie bei ihnen keine Hemmung besteht, offen den Nationalsozialismus zu verherrlichen.

Am 22. Juni trafen sich Rechtsextremisten zu einer Sonnenwendfeier in der Oberlausitz, im Dorf Strahwalde im Landkreis Görlitz. So wie vielerorts, wo Rechte sich aus diesem Anlass zusammenfinden, knüpfte der Ablauf des Fests an den Nationalsozialismus an: Etwa 150 Erwachsene und Kinder trafen sich zu einem Ritual mit Fackeln, Trommeln und Lagerfeuer, sangen Lieder der Hitlerjugend und ehrten einen SS-Standartenführer. Die anwesende Polizei nahm laut Zeugen die Personalien der Teilnehmer auf, schritt aber nicht ein.

Anders als in Niedersachsen standen in der Oberlausitz in Strahwalde allerdings AfD-Lokalpolitiker Seit an Seit mit den Neonazis. Mehr noch: Das Event wurde von Mandatsträgern der AfD mitgestaltet, darunter ein Gemeinderat aus Mittelherwigsdorf sowie ein Stadtrat aus Niesky.

Eigentlich wollten die Teilnehmenden unter sich bleiben. Doch die taz kann durch eigene Recherche vor Ort sowie Foto- und Videomaterial belegen: Die Feier in Strahwalde war ein NS-verherrlichendes Stelldichein der extrem rechten Szene inklusive AfD.

SS-Verehrung und Lieder der Hitlerjugend

Das Event begann bereits am frühen Nachmittag zunächst mit „Volkstänzen“, einer Laientheaterdarstellung und „Sportwettkämpfen“. So stand es auf einer Programmtafel an einem Zeltpavillon auf einer Wiese des Dorfes. Auf dem Gelände tummelten sich Männer mit weißen Leinenhemden, Cord- und Lederhosen samt Gürteln mit Koppelschlössern, Frauen mit langen Röcken und Kinder im Kita- und Grundschulalter.

Drei Jugendliche bereiten am 22. Juni 2024 in Strahwalde ein Lagerfeuer vor.

Sonnenwendfeier : Nationalsozialistische Indoktrination von Kindern- und Jugendlichen

Höhepunkt war ein Ritual am Abend, bei dem die Teilnehmenden in einem großen Kreis mit Fackeln gemeinsam einen etwa zehn Meter hohen mächtigen Holzstapel entzündeten. Begleitung auf Landknechtstrommeln, Kreistänze und Feuersprüche inklusive. Dies ist durch Foto- und Videomaterial dokumentiert, das der taz vorliegt. Geschworen wurde unter anderem auf die „deutsche Jugend“, geredet „zur Ehre des Löbauer Standartenführers Max Wünsche und all den Ritterkreuzträgern“. Die Runde antwortete jeweils mit einem „Heil Sonnenwende“.

Diese Aussagen wurden der taz von mehreren Zeugen vor Ort bestätigt, die Polizei bestätigte der taz den wiederholten Ausspruch „Heil Sonnenwende“. Der SS-Standartenführer Wünsche war Ordonnanzoffizier bei Adolf Hitler und befehligte im Zweiten Weltkrieg die 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“, in der massenhaft Hitlerjungen für den Kriegsdienst rekrutiert wurden. Mit dem Ritterkreuz wurden Soldaten während des Nationalsozialismus für „Tapferkeit vor dem Feind“ ausgezeichnet.

Nach dem Entzünden des Feuers sangen die Teilnehmenden gemeinsam das Propagandalied „Nur der Freiheit gehört unser Leben“, das der NS-Dichter Hans Baumann für die Hitlerjugend schrieb. Der Gesang ist durch Videos dokumentiert, die der taz vorliegen.

AfD-Lokalpolitiker gestalten Sonnenwendfeier mit

Erkennbar an der Vorbereitung der Zeremonie beteiligt war der Sozialpädagoge Robert Thieme, der im Juni für die AfD für den Stadtrat in Zittau kandidierte, sowie Thomas Christgen, der im Juni in den Stadtrat von Niesky gewählt wurde. Fotos, die der taz vorliegen, zeigen die beiden bei Absprachen in kleinerer Runde vor der Zeremonie. Ältere Fotos dokumentieren Christgen in einem T-Shirt der Kameradschaft „Schlesische Jungs“ und auf einer Demo hinter einem Transparent der NPD.

Neben einem Holzstapel stehen Stephan Jurisch, Robert Thieme und Thomas Christgen

Stephan Jurisch, Robert Thieme und Thomas Christgen besprechen sich vor dem Sonnenwend-Ritual in Strahwalde am 22. Juni 2024

Der AfD-Politiker Frederic Höfer, Bodybuilder und Autor im Verlag „Jungeuropa“, wirkte am Nachmittag beim Programm der Veranstaltung mit, ebenso der Militärhistoriker Peter Hild, der für die AfD in den Gemeinderat in Mittelherwigsdorf gewählt wurde. Auch in Strahwalde dabei: Markus Wertz, Aktivist der Parteinachwuchs-Organisation „Junge Alternative“, sowie Kurt Hättasch aus dem AfD-Vorstand im Landkreis Leipzig. Hättasch wurde 2024 in den Stadtrat von Grimma gewählt.

Robert Thieme wies auf Anfrage der taz die Vorwürfe zurück und drohte rechtliche Schritte an, sollte die taz „unzutreffende Behauptungen“ publizieren. Christgen, Höfer, Hild, Wertz und Hättasch antworteten nicht auf Anfrage der taz.

Vernetzung mit extrem rechten Gruppen

Welcher Vernetzung das Event diente, zeigt ein Blick auf die weiteren Teilnehmenden. Neben den AfD-Politikern war ein verurteilter Gewalttäter und Hooligan von Dynamo Dresden dabei sowie Anhänger der paramilitärischen Reichsbürger-Organisation „Vaterländischer Hilfsdienst Meißen“. Zudem anwesend: Aktivisten der völkischen „Wanderjungend Oberlausitz“, von der rechtsextremen Kameradschaft „Werra Elbflorenz“ und der Jugendgruppe „Sturmvogel“, die Kinder und Jugendliche völkisch-neofaschistisch indoktrinieren will.

Anmelder und Veranstalter der Sonnenwendfeier war Stephan Jurisch. Er ist Vorsitzender der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland, eines rechtsextremen Vereins, der mit dem sogenannten „Trauermarsch“ in Dresden jahrelang eine der wichtigsten Neonazi-Demonstrationen Europas organisierte. Jurisch bestätigte auf Anfrage der taz, die „Privatveranstaltung“ angemeldet zu haben, wies den Vorwurf der NS-Verherrlichung zurück und drohte im Fall einer entsprechenden Berichterstattung rechtliche Schritte an.

Mit Simon Kaupert und Maximilian Schmidt waren auch zwei Video-Aktivisten auf dem Treffen zu sehen, die der Identitären Bewegung zuzuordnen sind. Schmidt begleitete den AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah im Dezember zu einer Trump-Gala in New York, Kaupert arbeitete für den rechtsextremen Verein „Ein Prozent“ sowie den Propagandasender Auf1. Bei der Sonnenwendfeier in Strahwalde filmten beide das Geschehen. Kaupert und Schmidt antworteten nicht auf Anfrage der taz.

Eigentlich ist die Stadt Herrnhut, zu der das Dorf Strahwalde zählt, nicht als Neonazi-Hochburg berüchtigt. In der evangelisch geprägten Stadt, die historisch für ihre internationale Missionsarbeit bekannt ist, ist man stolz auf die eigene Weltoffenheit. Doch wie in der ganzen Republik konnte die AfD auch in Herrnhut bei den jüngsten Wahlen deutliche Zugewinne erzielen. Mit 37 Prozent sammelte die rechtsextreme Partei in der Gemeinde bei der Europawahl die mit Abstand meisten Stimmen.

Demokratie-Inititative sieht Nachholbedarf

Willem Riecke, Bürgermeister von Herrnhut von der lokalen „Herrnhuter Liste“, bestätigte der taz, dass es im Vorfeld eine private Anmeldung zu einem Feuer auf privatem Grund gegeben habe. „Wir hatten keinerlei Kenntnis und auch keine Vermutung vom Charakter dieses Feuers. Insofern ist es genehmigt worden – wie andere an diesem Tag auch.“ Erst zwei Tage vor dem Event sei ein Hinweis eingegangen. Doch weder Landratsamt noch Polizei hätten eine Möglichkeit gesehen, das Feuer zu verbieten. „Die Stadt Herrnhut lehnt derartige Veranstaltungen (ob privat oder öffentlich) konsequent ab. Solche Dinge haben auf unserem Gemeindegebiet keinen Platz“, erklärte Riecke. Für die Zukunft wolle man sich im Stadtrat besprechen und auch externe Beratung in Anspruch nehmen.

Die Demokratie AG Ostsachsen, ein Netzwerk freier Träger, äußerte sich besorgt über die Entwicklung. Unter den in diesem Jahr im Landkreis Görlitz veranstalteten Sommersonnenwendfeiern hätten erneut einzelne „den offenen Anschluss an völkische und nationalsozialistische Brauchtumspflege zelebriert“, heißt es in einer Erklärung. Die Veranstaltung in Strahwalde habe dabei besonders herausgestochen. Dass die Feier direkt im Ort und im Beisein der Polizei stattgefunden habe, zeige, „dass die Ver­an­stal­te­r*in­nen sich durch ausbleibende Konsequenzen und fehlgeleitete Toleranz legitimiert sehen.“Ostwahlen 2024

Das Netzwerk beklagt „ein fehlendes Hintergrundwissen seitens der Be­am­ten zu völkisch-nationalistischer Vereinnahmung“ solcher Rituale. „Wir erwarten von der Polizei, dass sie sich mit den ideologischen Hintergründen solcher Veranstaltungen und den Gefahren, die von ihnen ausgehen, auseinandersetzt, anstatt das Problem herunterzuspielen“.

Die zuständige Polizeidirektion Görlitz erklärte, im Zusammenhang mit der Veranstaltung habe man keine strafbaren Handlungen festgestellt. „Die Sonnenwendfeier verlief grundsätzlich friedlich und ohne Störungen.“ Der Verfassungsschutz beschäftigte sich mit der Einordnung der Feier. Nach Informationen der taz wurde von Zeugen nach der Veranstaltung Anzeige wegen Volksverhetzung und wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen erstattet. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen.

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Aug 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Cover_HDNEU3.inddDas gewichtige Buch des Architekturhistorikers Julian Hanschke „Schloss Heidelberg. Architektur und Baugeschichte“ entwickelt sich zum Bestseller: Bereits fünf Monate nach Erscheinen im November letzten Jahres war die erste Auflage ausverkauft. Besonders die sensationellen dreidimensionalen Rekonstruktionen der hochrangigen Palastbauten des Schlossensembles sorgten für ein überwältigendes Interesse an Hanschkes Werk. Nun legt der Autor die zweite Auflage vor, die wieder mit Unterstützung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg entstand. Das Buch, entstanden aus einem Projekt am Institut für Kunst- und Baugeschichte der Fakultät für Architektur am Karlsruher Institut für Technologie, präsentiert das Heidelberger Schloss in seinem gesamten Baubestand.

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Aug 2024 | Heidelberg, Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Rhein-Neckar.Region | Kommentieren

Anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktags für Sinti und Roma am 2. August sagt Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, der DW, dass Auschwitz Europa zu Menschlichkeit verpflichte.

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Ein Mann in Anzug (Romani Rose) im Porträt
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und RomaBild: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma / Jarosław Praszkiewicz

Romani Rose, Jahrgang 1946, wurde in einer Sinti-Familie geboren, die aus Schlesien stammte. Vieler seiner Familienangehörigen wurden in Auschwitz und anderen deutschen NS-Vernichtungslagern ermordet. Rose setzt sich seit den 1970er Jahren für die Rechte von Sinti und Roma und für eine Aufarbeitung der NS-Verbrechen und des Völkermordes an Sinti und Roma ein. Er ist seit 1982 Vorsitzender des von ihm mitbegründeten Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktags für Sinti und Roma – im Jahr 2024 der 80. Jahrestag der so genannten „Auflösung des Zigeunerlagers“ Auschwitz-Birkenau, bei der in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 tausende Sinti und Roma ermordet wurden – sprach die DW mit Romani Rose.

DW: Herr Rose, das Gedenken an den Völkermord an den Roma und Sinti findet jedes Jahr am 2. August in Auschwitz statt, an einem Ort, an dem viele Ihrer Familienmitglieder ermordet wurden, unter anderem Ihre Großeltern. Es ist ein Ort, der auch dafür gemacht wurde, damit Sie persönlich gar nicht erst geboren werden. Was empfinden Sie, wenn Sie an diesem Ort sind?

Romani Rose: Ich habe natürlich das Bewusstsein, dass Auschwitz der Ort ist, an dem meine Großeltern ermordet worden sind. Aus meiner Familie sind insgesamt 13 Personen ermordet worden, nicht nur in Auschwitz, sondern auch in anderen Konzentrationslagern wie Dachau oder Bergen-Belsen. Für mich ist Auschwitz ein großer Friedhof, aber ich denke auch daran, dass Auschwitz eine Verpflichtung für heute, für unsere Zeit ist. Das sind wir dem Vermächtnis der Opfer schuldig.

Welche Verpflichtung meinen Sie konkret?

Wir haben einen neuen Nationalismus, einen neuen Rechtsextremismus, und diese Leute fordern wieder Sündenböcke. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Ich denke aber auch an Situationen, in denen Menschen ertrinken, weil ihre Boote untergehen, und wir darüber verhandeln, dass diese Menschen nicht vor unser Angesicht treten. Ich finde das schlimm. Mir ist klar, dass ein einzelner Staat das Problem nicht lösen kann. Das kann nur die europäische Gemeinschaft zusammen tun. Aber es geht um unsere Grundwerte. Sie sind das Fundament unseres Zusammenlebens. Darauf waren wir in Europa immer stolz. Wenn wir die jetzt nicht mehr verteidigen, dann steht es um die Menschlichkeit schlecht.

Eine Gruppe von Menschen geht durch ein Eingangstor (das Tor in Auschwitz)
Europäischer Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma am 2.08.2022 in Auschwitz, im Bild unter anderem Romani Rose (3.v.r)Bild: Staatskanzlei Thüringen/dpa/picture alliance

Ist der Völkermord an den Roma und Sinti heute im Bewusstsein der Mehrheit der deutschen Gesellschaft als Verbrechen so präsent, wie es der Holocaust ist?

Nein, das glaube ich nicht. Es gibt dieses Bewusstsein nicht, dass der Holocaust auch die Ermordung von 500.000 Sinti und Roma in Deutschland und im von den Nationalsozialisten besetzten Europa bedeutet. Auf der politischen Ebene ist in Deutschland viel geschehen in den vergangenen Jahrzehnten. Aber die breite Bevölkerung haben wir nicht ausreichend erreicht. Da muss mehr geschehen. Allerdings muss auch klar sein: Der Rassismus, der Antiziganismus ist nicht unser Problem, es ist das Problem der Mehrheitsgesellschaft.

Von der deutschen Politik ist der Völkermord an den Roma und Sinti jahrzehntelang geleugnet, ignoriert oder stark relativiert worden. Das hat sich erst in den vergangenen Jahren geändert. Ist das offizielle Gedenken heute würdig und respektvoll?

Wenn mir jemand vor 40 Jahren gesagt hätte, wo wir heute stehen, dann hätte ich das damals nicht für möglich gehalten. Auf der politischen Ebene in Deutschland ist viel geschehen. Deutschland gilt in Bezug auf unsere Minderheit als Vorbild. Wir sind heute eine nationale Minderheit neben den Dänen, Friesen und Sorben. Es gibt in Berlin direkt am Brandenburger Tor das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas, und wir haben heute in Deutschland einen Antiziganismus-Beauftragten, der sich mit dem Phänomen des Antiziganismus auseinandersetzt, so, wie wir einen Antisemitismus-Beauftragten haben. Aber, wie gesagt, wir müssen noch mehr Menschen in der breiten Bevölkerung erreichen.

Ein Mann mit einem Manuskript in der Hand (Romani Rose) hinter einem Mikrofon
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, spricht am 2.08.2022 in Auschwitz-Birkenau anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktags für Sinti und RomaBild: Staatskanzlei Thüringen/dpa/picture alliance

Wie kann das geschehen?

Wir müssen die Bevölkerung darüber informieren, dass Minderheiten immer die ersten Opfer eines Wahnsinns sind, wie es die nationalsozialistische Ideologie war. Heute wissen wir, dass schließlich ganz Europa von diesem Wahnsinn betroffen war, dass Leute glaubten, sie könnten als Herrenmenschen Europa unterjochen. Das hat damals nicht funktioniert. Von 1000 Jahren waren es nur zwölf Jahre. Wir wissen heute um die Geschichte, wir wissen, wie es angefangen hat, und wir wissen, wo es endete. Es wird auch in Zukunft nicht funktionieren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die beiden deutschen Staaten in Bezug auf den Völkermord an Roma und Sinti eine zweite Schuld auf sich geladen. So gut wie niemand der Täter wurde für die Vernichtung von Roma und Sinti verurteilt. Denken Sie, es sollte so etwas geben wie eine nachträgliche Aufhebung von Urteilen oder nachträgliche Schuldsprüche?

Das bringt niemanden etwas. Diese Dinge liegen lange zurück. Wichtig ist, dass es ein Bewusstsein für die Vergangenheit gibt. Zum Beispiel, wenn viele Leute sich im Kino die Filme über Auschwitz ansehen. Aber die Verantwortung besteht jetzt in der Gegenwart, und da brauchen wir unsere Justiz, da brauchen wir Gerechtigkeit. Antiziganismus ist genauso zu ächten wie Antisemitismus. Wer das eine toleriert und das andere verurteilt, ist in seiner Handlungsweise nicht glaubwürdig.

Eine Frau (Elke Büdenbender) und zwei Männer (Frank-Walter Steinmeier und Romani Rose) im Porträt
Romani Rose (re.), hier mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mi.) und dessen Ehefrau Elke Büdenbender, am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas in BerlinBild: Soeren Stache/dpa/picture alliance

Denken Sie da beispielsweise an den Begriff „Sozialtourismus“, den Politiker der politischen Mitte seit einigen Jahren wieder gebrauchen und der sich ja ursprünglich gegen geflüchtete Roma aus Rumänien und Bulgarien richtete?

Ja, und genau das kennen wir aus der Geschichte. Solche Begriffe werden verwendet, um Gruppen von Menschen populistisch in den Fokus zu stellen, von denen man den wenigsten Widerstand erwartet. Dem widersprechen wir heute mit einer Mehrheit der Gesellschaft, die Demokratie und Rechtstaatlichkeit verteidigt. In der Vergangenheit waren wir diesem ekelhaften, abscheulichen Antiziganismus ausgesetzt. Das werden wir heute nicht mehr hinnehmen.

Sie sind seit fast 50 Jahren im Kampf um Bürgerrechte aktiv. Wenn Sie zurückblicken, sehen Sie dann eher die positiven Veränderungen? Oder gibt es auch etwas, wovon Sie sagen würden, darin sind wir bisher gescheitert?

Was ich aus heutiger Sicht für wichtig erachte, ist, dass wir den Antiziganismus nicht mehr akzeptieren, dass wir uns dagegen zur Wehr setzen können und dass es in der Gesellschaft und in der Politik eine Menge Leute gibt, die das gemeinsam mit uns verurteilen. Es wird sich nicht von heute auf morgen alles verändern, alles ist ein Prozess. Ich möchte betonen, dass es uns nicht darum geht, Sonderrechte für uns durchzusetzen, sondern um gleiche Rechte. Wenn wir auch nach 600 Jahren nicht das Recht haben werden, in diesem Land dazu zu gehören, zu dem wir immer auch mit unserem Patriotismus gestanden haben, denn unsere Großväter waren ja auch Soldaten im Ersten Weltkrieg für Deutschland, ja, dann wird es dieses Land nie schaffen. Dann hat das Land mit sich selbst ein Problem.

 

Aug 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Wenn Anke Habereck ihre Hände hebt und die Augen schließt, wird es still im Raum. „Ich stelle jetzt den Kontakt zu ihrer Geisteskraft her“, sagt die selbsternannte Heilerin dann. Binnen Minuten begradigt sie so den Beckenschiefstand einer jungen Frau. Ohne Körperkontakt. Allein durch ihren Heil-Impuls, behauptet sie. Jede Woche strömen Dutzende Menschen mit verschiedenen Körperbeschwerden zu ihr nach Roth in der Nähe von Bingen. 130 Euro kostet die Erstbehandlung.

Die Bundesärztekammer spricht von „absurden“ Angeboten. Und die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz betont, dass sich ein Beckenschiefstand „nicht innerhalb von Minuten“ beheben lasse. Doch Scharlatanerie oder Quacksalberei weisen Anne Hübner und ihr Team weit von sich. Man arbeite wissenschaftlich.

Dafür ist „Europas größtem Heilzentrum“ – so die Eigenwerbung – ein gemeinnütziger Verein angeschlossen, der die Geistheilung wissenschaftlich stützen soll. Der „Geistheiler Verein“ – geleitet von denselben Personen wie das Heilzentrum, im selben Gebäude – finanziert zum Beispiel Messgeräte, mit denen man die spirituelle Energie analysieren könne. Oder er organisiert Vorträge und Reisen. Als Grund für seine Gemeinnützigkeit gibt der Verein an, Gesundheit und Wissenschaft zu fördern

Gemeinnützigkeitsrecht lässt viel Spielraum

Für Sebastian Unger, Experte für Steuerrecht an der Ruhr-Universität Bochum, zeigt das Beispiel, wie groß der Spielraum beim Gemeinnützigkeitsrecht sein kann. Fördert ein selbsternannter Geistheiler-Verein wirklich die Gesundheit und Wissenschaft? „Da habe ich natürlich sehr diffuse Begriffe, die ich auslegen muss, bei denen ich mir überlegen muss, fällt das darunter, fällt das nicht darunter“, sagt Unger. Für die Finanzämter sei das oft gar nicht so einfach, eine Entscheidung zu treffen.

Rund 560.000 Vereine sind in Deutschland von ihren örtlichen Finanzämtern als gemeinnützig anerkannt und genießen dadurch etliche Steuervorteile: keine Körperschaftssteuer, keine Gewerbesteuer, keine Erbschafts- und Schenkungssteuer, zusätzlich Ehrenamts- und Übungsleiterpauschalen. Und Spenden an die Vereine sind steuerlich absetzbar.

Katalog mit vielen förderwürdigen Zwecken

Welche Zwecke förderwürdig sind, bestimmt die sogenannte Abgabenordung. Zum Beispiel erhalten solche Vereine Steuervorteile, die den Sport fördern, Kunst und Kultur, Wissenschaft und Forschung. Unterstützt werden zum Beispiel auch der Freifunk, der Modellflug und der Hundesport. Ein Katalog mit Dutzenden Zwecken.

Nach Meinung von Sebastian Unger zeigt der Katalog anschaulich, „dass da bestimmte Lobbyisten erfolgreicher waren als andere“. Das Ganze lasse aber „kein wirkliches politisches Konzept von gemeinnütziger Zivilgesellschaft erkennen“, kritisiert der Rechtsexperte.

Darunter leiden Vereine, die sich zwar für das Gemeinwohl einsetzen, aber laut Gesetz nicht gemeinnützig sein dürfen. Zum Beispiel viele Bürgerbus-Vereine in Deutschland. Die Bürgerbusse werden von Ehrenamtlichen gefahren und kommen dort zum Einsatz, wo es keinen ÖPNV gibt, also vor allem in ländlichen Regionen. Sie steuern meist Arztpraxen, Supermärkte oder Bankfilialen an und sind gerade für ältere Menschen eine wichtige Stütze im Alltag. Dennoch erhalten viele Bürgerbus-Vereine keine Steuervorteile.

"Demokratie - Freiheit - Vielfalt" steht auf einem Schild in den Farben schwarz, rot und gold bei einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und die AfD in der Innenstadt von Lübeck. (Archivfoto: 04.02.2024)
Brandbrief an Kanzler Scholz: Kampf gegen Rechtsextremismus vor finanziellem Aus

Kleine Verbesserungen statt großer Reform

Das Gemeinnützigkeitsrecht, das Teil des Steuerrechts ist, wartet mit mancher Kuriosität auf: Schachvereine sind gemeinnützig, Skatvereine nicht. Schützenvereine genießen Steuervorteile, Paintball-Vereine nicht. Die Ampel-Regierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag 2021 zwar eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts versprochen. Doch die sollte vor allem die Frage klären, wie stark sich Vereine politisch aus dem Fenster lehnen dürfen, ohne dadurch ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Eine große Reform ist bisher nicht vorgesehen.

Schon bei den aktuellen Vorschriften hapert es zuweilen mit der Umsetzung. Etwa wenn es darum geht, Vereinen die Gemeinnützigkeit wieder abzuerkennen. Laut Abgabenordnung verlieren Vereine dann ihre Steuervorteile, sobald sie „dem Gedanken der Völkerverständigung“ zuwiderhandeln. Auf Anfrage stellt das Bundesfinanzministerium klar: „Werden Organisationen in einem Verfassungsschutzbericht (…) ausdrücklich als extremistisch eingestuft, dann ist die Steuerverwaltung (…) gesetzlich angehalten, den Entzug der Gemeinnützigkeit zu veranlassen“. Die Praxis aber sieht anders aus.

Als gemeinnützig anerkannt: Hetzer und Extremisten

Beispiel „Aufbruch Leverkusen“: Laut Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ein extremistischer Verein, dessen Vorsitzender unter anderem „Narrative der russischen Regierung“ verbreite. Der Verein, der diese Einschätzung auf Anfrage bestreitet, ist gemeinnützig. Die „Baptistenkirche Zuverlässiges Wort“ aus Pforzheim wiederum hetzt in Predigten gegen queere Menschen. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg spricht von einer „demokratiefeindlichen Grundhaltung“, manche Predigten enthielten „antisemitische und verschwörungsideologische Elemente“. Der Trägerverein der Kirche erhält Steuervorteile. Eine Anfrage dazu ließ die Kirche unbeantwortet.

Die Liste gemeinnütziger Vereine, die von Verfassungsschutzämtern als extremistisch oder verfassungsfeindlich eingestuft werden, lässt sich verlängern: Der Verein für Dialog und Völkerverständigung in Karlsruhe, der laut Verfassungsschutz der islamistischen Muslimbruderschaft nahestehe. Oder das Hans-Litten-Archiv in Göttingen, das der linksextremen „Roten Hilfe“ angeschlossen ist und bei dem es sich um eine „extremistische Struktur“ handele, die „verfassungsfeindliche Ziele“ verfolge. Beide Vereine bestreiten, extremistisch zu sein.

Lückenhafte Prüfungen Personalmangels wegen

Die Finanzbehörden dürfen sich aufgrund des Steuergeheimnisses nicht zu konkreten Einzelfällen äußern. Im Interview mit Report Mainz spricht Florian Köbler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, die die Interessen der Finanzverwaltung vertritt, von einem „eklatanten Vollzugsproblem“. Er sagt: „Wir können nicht alle Fälle bis ins kleinste Detail prüfen. Hintergrund: zu wenig Personal.“

Er hofft auf einen besseren Informationsaustausch mit den Sicherheitsbehörden. „Die Kommunikation zwischen Verfassungsschutz und Steuerverwaltung muss besser funktionieren. Wir müssen zukünftig hier besser vernetzt werden, und der Verfassungsschutz muss uns da auch besser abdecken“, so Köbler.

Steuervorteile für Verschwörungsanhänger

Der Geistheiler-Verein aus der Nähe von Bingen ist zwar kein Fall für Verfassungsschützer. Aber in der Vergangenheit fiel der Verein durch eine pauschale Impf-Ablehnung und Verschwörungstheorien zur Corona-Pandemie auf. Im Interview mit Report Mainz wiederholt die selbsternannte Heilerin Anne Hübner, dass die Pandemie ein „Plan“ gewesen sei, zur „Reduzierung der Menschheit“. Eine Behauptung, für die es  – was Wunder – keinen Beleg gibt. Ihr Verein ist weiterhin: Gemeinnützig.

Aug 2024 | In Arbeit | Kommentieren
Immer passend gekleidet: Ob es in Strömen regnet oder die Sonne scheint, Wacken-Fans genießen Heavy Metal bei jedem Wetter

Zwar hat – was Wunder – auch das Festivalbusiness Wacken mit steigenden Künstlergagen, Inflation und Extremwetterzu kämpfen – und manches  Festivalbusiness hat das Geschäft aufgegeben und manches Open Air Geschäft gibt auf. Natürlich hat auch Wacken hat – auch – Wacken zu kämpfen, doch drei Erfolgsfaktoren könnten die Heavy Metler dann doch noch in die Zukunft führen.

Ohrenbetäubende Musik, zigtausend headbangende Fans und viel Matsch an den Schuhen: Das erlebt man gewöhnlich bei einem Besuch des größten Heavy-Metal-Festivals der Welt, dem Wacken Open Air (kurz WOA) in Schleswig-Holstein, das am Mittwoch wieder startet. Und wenn man mal mittendrin im Getümmel steckt, hat man hoffentlich erfolgreich verdrängt, wie teuer das Ticket war. 333 Euro.

Die Festivalpreise steigen rasant, denn die Branche hat zu kämpfen:

Künstler, Energie, Sicherheit, alles kostet mehr Geld, dazu kommt Extremwetter als Folge des Klimawandels. An den wirtschaftlichen Turbulenzen gehen manche zugrunde. So verkündeten zuletzt Veranstalter namhafter Festivals wie die des Melt in Sachsen-Anhalt oder die des HipHop Open in Stuttgart, dass die Events in Zukunft nicht mehr stattfinden können – und das, obwohl sie im Vorjahr noch 20.000 beziehungsweise 25.000 Besucher angelockt hatten.

Wacken spielt im Vergleich dazu
mit 85.000 verkauften Tickets in einer anderen Liga

Doch auch das Metalfest bekommt die Herausforderungen zu spüren. Wegen der extremen Regenfälle mussten die Organisatoren im vergangenen Jahr die Besucherzahl begrenzen. Gleichzeitig kommt Druck von einer zweiten Seite: Erst im Juni hat mit der US-Investmentgesellschaft KKR ein neuer Besitzer den für das WOA verantwortlichen Festivalveranstalter Superstruct Entertainment aus Großbritannien übernommen – ein Finanzinvestor, der klare Renditeerwartungen mitbringt. Eine schwierige Gemengelage, und doch gibt es Grund zur Annahme, dass sich Wacken erfolgreich in die Zukunft schlagen wird.

Festivalkosten stiegen seit Corona um 45 Prozent

Wie auch viele andere Großveranstaltungen hatte das WOA durch die Coronapandemie einen heftigen Rückschlag erlitten. 2020 und 2021 fiel das Festival komplett aus. 2022 ging es weiter und zigtausende Musikfans konnten im Sommer wieder in die kleine Gemeinde Wacken (knapp 2100 Einwohner) in Schleswig-Holstein reisen, um dort Bands wie Lordi, Slipknot oder Judas Priest zu lauschen. Allerdings nahm da die Kostenexplosion ihren Anfang. Die Inflationsrate in Deutschland lag 2022 bei 6,9 Prozent, 2023 folgte noch einmal ein Plus von 5,9 Prozent.

Die Verantwortlichen des abgesagten HipHop Open nannten in einem Instagram-Post noch mehr Gründe für ihr Aus: „Das veränderte Kaufverhalten, konstant steigende Preise für Infrastruktur und Gagen, kleinere Sponsorentöpfe, wenig Förderung und viele andere Faktoren zwingen uns dazu, realistisch zu sein und unser Herzensprojekt final zu beenden.“

Schneller, härter, lauter: Die Faster-Stage ist eine der zwei Wacken-Hauptbühnen, insgesamt gibt es acht Bühnen auf dem Festivalgelände
Schneller, härter, lauter: Die Faster-Stage ist eine der zwei Wacken-Hauptbühnen, insgesamt gibt es acht Bühnen auf dem Festivalgelände

Das bestätigt auch der Branchenexperte Jens Michow (73) im Gespräch mit dem manager magazin, der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft hat selbst lange Konzerte veranstaltet. „Überall steigen gerade die Kosten“, sagt er. „Doch bei den Produktions- und Durchführungskosten in der Konzertbranche ist es extrem.“

„Der Künstler bestimmt den wesentlich Teil der Kosten“

Ein Grund sind laut Michow die Künstlerhonorare. Früher hätten Musiker ihre Liveauftritte eher als Nebengeschäft angesehen, um Werbung für den Verkauf ihrer CDs zu machen. Ab Mitte der 90er-Jahre rückte das Livegeschäft in den Vordergrund. „Das hat sich komplett gedreht.“ Eine Folge: Die Artists investieren mehr Geld in ihre Konzerte und Festivalauftritte und fordern entsprechend höhere Gagen. „Veranstalter sind immer mehr zum Dienstleister geworden, der Künstler bestimmt den wesentlichen Teil der Kosten“, sagt der Branchenexperte.

In der Folge schnellen die Ticketpreise in die Höhe. Für eine Eintrittskarte für das WOA bezahlte man im Vor-Corona-Jahr 2019 220 Euro, in diesem Jahr kostet ein Ticket 333 Euro. Bei 85.000 verkauften Karten bedeutet das Ticketeinnahmen in Höhe von 28,3 Millionen Euro. Historische Anekdote: Als das Wacken-Festival im Jahr 1990 zum allerersten Mal seine Pforten öffnete, mussten die 800 angereisten Besucher gerade einmal 12 D-Mark Eintritt bezahl.

Mit den steigenden Kosten steigt auch das finanzielle Risiko für die Festivalveranstalter. Wacken kann sich hier allerdings über einen großen Vorteil gegenüber kleineren Festivals freuen: Es ist so populär, dass die Tickets jedes Jahr innerhalb weniger Stunden vergriffen sind. „Wenn eine Veranstaltung regelmäßig und fast unabhängig vom Programm ausverkauft ist, dann kann man natürlich weitaus sicherer kalkulieren“, sagt Experte und Rechtsanwalt Michow.

Einige unkalkulierbare Risiken bleiben aber,
zum Beispiel das Wetter.

Zu viel Regen und Matsch: 2023 suchten schwere Unwetter das Festivalgelände heim, für Tausende Fans fiel Wacken deshalb ins Wasser – oder eher in den Schlamm
Zu viel Regen und Matsch: 2023 suchten schwere Unwetter das Festivalgelände heim, für Tausende Fans fiel Wacken deshalb ins Wasser – oder eher in den Schlamm
Wird der neue Finanzinvestor KKR Einfluss auf Wacken nehmen wollen?Verantwortlich für die Ausrichtung von Wacken war ursprünglich die International Concert Service GmbH (ICS), deren Geschäftsführer die WOA-Gründer Thomas Jensen (58) und Holger Hübner (58) sind. Im Jahr 2019 schloss ICS dann einen Partnerschafts- und Investitionsvertrag mit dem britischen Festivalveranstalter Superstruct Entertainment ab. Der wiederum gehört seit Neuestem den US-amerikanischen Investoren von KKR, die laut „Financial Times“ rund 1,3 Milliarden Euro für die Übernahme zahlten.

Die KKR-Konkurrenz – wie Blackstone, CVC und EQT – soll ebenfalls Interesse an dem Festivalveranstalter aus Großbritannien gehabt haben. Superstruct wurde erst 2017 gegründet und wuchs seitdem rasant. Mittlerweile verfügt das Unternehmen über ein Portfolio von mehr als 80 Festivals, zu denen jährlich insgesamt sieben Millionen Besucher kommen. Dazu zählen auch das Parookaville im nordrhein-westfälischen Weeze (2024 knapp 80.000 Besucher) und das Sziget-Festival in Ungarn (400.000 Besucher erwartet). Zuletzt erwirtschaftete Superstruct einen operativen Gewinn (Ebitda) von mehr als 100 Millionen Pfund (knapp 120 Millionen Euro). KKR wollte sich auf Anfrage des manager magazins nicht dazu äußern, welche Pläne und Ziele es mit Superstruct verfolgt.

Aug 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Viele Menschen wollen es am liebsten immer noch verdrängen: Spätestens aber seit Donald Trump mit seinem Sieg in mehreren US-Bundesstaaten am Super Tuesday als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gesetzt ist, steht fest: Trump ist zurück. Dies trotz unzähliger dummdreister Äusserungen. Trotz offensichtlicher Lügen. Trotz mehrerer Strafverfahren gegen sich …

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Aug 2024 | Allgemein, Essay, Gesundheit, In vino veritas | Kommentieren

Im Gespräch: H.G. Gadamer und A. Mechler. Bild: Gottschling

Am 13. März 2002 starb der große Philosoph. Wir erinnern uns vieler Stunden (meist wenn seine Frau Bridge-spielend unterwegs war) mit ihm in Heidelberg in der Grabengasse 9 mit von ihm mitgebrachtem, bereits dekandiertem Bordeaux und gedenken seiner, indem wir sein Hauptwerk in Kurzfassung (versuchen) in Erinnerung bringen:

Hans-Georg Gadamer, der sich selbst als unpolitischen Denker sah, hat die Philosophie stets vor politischer Anmaßung gewarnt.

Er  unterließ kaum eine Gelegenheit, aus der Berufung der Philosophie jederzeit die entschiedensten Konsequenzen aus allem zu ziehen, die Rolle des Propheten hingegen oder  des Besserwissers stehe ihr schlecht.

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Aug 2024 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren