„Aber“, frage ich – mit Verlaub – mit Ernst Bloch, „wie macht man das, dass das Gute an der Provinz erhalten bleibt und wir „trotz alledem“ übergleichzeitig sind und nicht etwa in Kleinstädterei verfallen und ein tristes Spießbürgertum herauskommt?“
Warum sollen wir – haben wir dann uns gefragt – unsere Leser nicht mit einigen pamphletischen Episteln behelligen und wollen nun das Folgende auch geschrieben haben als künftige „Mit-Täter-Begleiter“ und verstanden wissen als Worte aufmüpfigen Beistandes für Zumbruch´sche Kreativwirtschaft!
Ernüchterung und Ermutigung zugleich:
Unsere Miszellen zu kreativer Ökonomie: Bitte, was hat uns die sonst angesagte Warengesellschaft gebracht, außer einer parodistischen Gußform, die ihr geholfen hat, sich selbst zu verbreiten? Die so allem Lebendigen aufgezwungene Zerstückelung duldet nur fragmentierte Menschen, geduldige Embryonen, die im gesellschaftlichen Reagenzglas der Rentabilität verdorren, und devote Wesen, die niemals ihr eigener Herr (nein, Frau Frauenbeauftragte, so auch nicht ihre eigene Frau) sein werden. Gehören jene doch einer Macht an, welcher der Mantel heruntergerissen wurde und das ideologische Fleisch dann abgezogen, bis der skelettartige Mechanismus ihrer Abstraktion zum Vorschein kam: Der Ökonomie. Und ebender – wäre es nach dem Willen einiger (für dies eine mal wollen wir hier damit „politisch korrekt zu sein versuchen: „Gemeinderäte/inen“ – und deren Claqueuren in Heidelberg gegangen – sollten auch Kreativlinge eigentlich bereits im Vorfeld zum Opfer gefallen sein.
Bedient Ihr Euch, jenen zu entgegnen, der Schlichtheit eines Immanuel Kant, der gesagt hat: „Das äußerste Ziel der Kultur ist, eine vollkommene, bürgerliche Gesellschaft herbeizuführen“. Das scheint uns eine unübertreffliche Formulierung zu sein. Und, so mögen es auch verstehen unsere Heidelberger „Politiker“: schlicht, aber kantig zugleich.
Wir aber entgegnen jenen trotzig, dass es bei Einsparungen im Kulturhaushalt nicht um Kürzungen freiwilliger Leistung gegangen wäre, sondern um die Verletzung staatlicher Verpflichtungen und: auch „in Zeiten mit weniger Geld“ – bleibt uns doch einiges. So und so sei Kreativität Verwirklichung der utopischen (?) Vorstellung einer vielseitigen, rund herum jungen sowie altehrwürdigen Kulturstadt.
„Und wenn die Welt voll Teufel wär …“
So sei denn also in anderem Sinne ökonomisch, was Ihr (wir hoffen das) eine etwas andere Kultur nennt und auch macht. Schaut, dass sich alles vertretbar „rechnet“, ohne Euch und uns zu verkaufen. Manche Leute hier in der Stadt sind bereits so sehr daran gewöhnt, Euch – ohne zu wissen was da überhaupt genau sein wird – zu hassen, zu verachten und zu fürchten, dass sie versuchen, jeden irgendwie zum Schweigen zu bringen, der ihnen sagt, dass sie sich vielleicht täuschen; dass nämlich ihre Haltung nichts weiter ist, denn Haß auf das eigene Leben. Theater, Kunst und Kleinkunst, Musik, Kultur und der Vergnügungen mehr, die sich ihnen anders darbieten, als in gewohnten Tempeln …
Ja, gewohnte Tempel freilich verschmähen auch wir nicht – gleich, wie wir meinen auch Ihr, noch da draußen vor der Tür:
Wieder zu Euch, Ihr frischgebackenen Kreativlinge:
Kaum schlimmere Feinde werdet Ihr haben, als jene, die vorgeben, die Gesellschaft zwar (auch?) verändern zu wollen und derweil aber ständig die fundamentalistische alte Welt, die sie in sich tragen, hinter exorzistischen Formeln verbergen. Und Wasser predigen! Und Wein trinken!
Profi(l)neurotiker/Innen haben keinen Einlaß
Laßt an den dicken Sandsteinmauern auch abprallen all die Anwälte verschiedener Revolutionen, Radikalitätsschnüffler, Kleinkrämer des Verdienstes und Verschuldens, fundamentalistische Popanze gleich welcher Couleuer, gleich welchen Geschlechts, lassen wir profi(l)neurotisch gepanzerte Gegner auflaufen im Rhythmus möglichen Lebens ohne Zwang. Laßt Euch nicht vereinnahmen: Ansätze, es zu versuchen, gibt es bereits genug. Erkennt – wo immer Ihr Euch die Kraft dazu herholt – die Selbstverachtung jener, die sich plastisch mit allem herausputzen, was sie dann als Hohlformen in andere hinein zu projizieren versuchen (da sind die manchmal sogar ziemlich kreativ)! Und die – ebendrum – GALlendunkelgrün weniger rot denn rosa-bitterphilistrig, aber alleweil publikums- und wählerfreundlich so sehr leiden, dass sich innerstädtisch-wettermäßig-biotopig-radfahrwegig-abenteuerspielpatzig-kultimulti-vornehm-medial nichts ändert(e), haben sich doch aber auch längst schon eingefunden mitzuleiden darüber, dass auch sie selbst sich in keiner Weise ändern. Bleibt zu hoffen, dass jene Heidelberger Rathausdemagogen, die Klagelieder singend über den Untergang der Welt, den Verlust der betonenen Arkaden auf dem Ebert-Platz oder machtpolitischer Spielchen wegen die Hoffnung auf eine Straßenbahn durch die Ebert-Anlage oder eine „historisierende Bahn“ duch die Haupstraße ihre eigene Grabrede nur noch mit dem beten ihres De Profundis nach der nächsten Wahl (hoffentlich) werden schüren können! „Wer“ – Marie von Ebner-Eschenbach -“in die Öffentlichkeit tritt, hat keine Nachsicht zu erwarten und keine zu fordern.“
Muss leben lernen sterben lernen heißen?
Wollten wir je eine andere Gegenwart als die, in der wir die meiste Lust finden: das nämlich zu sein, was wir sind ? Uns so zu freuen, dass unsere Freude nicht länger im sumpfigen Unbehagen der anderen versackt? Wenn sie nur wüßten, die „guten“ Staatsbürger, was für ein Dynamit sie mit jedem Schritt bei sich tragen! Laßt uns den Stein zerschlagen, der seit Jahrtausenden auf der individuellen Autonomie lastet! Seit so langer Zeit heißt doch leben lernen sterben lernen.
Nur der individuelle Wille aller Beteiligter, mehr zu tun als gar nichts, mehr zu tun, als nur zu konsumieren, wird aus dem, wird aus unserer Stadt das machen, was sie für uns ist – und das muß sie auch sein dürfen: ein durch nichts Äußeres aufgezwungener Hort als Impuls zum Genuß vielfältigsten Lebens. Es habe jeder den Schlüssel. Es gebe keine Gebrauchsanweisung. Haben, die die Stadt kreativ beleben, erst einmal die Wahl getroffen, auf sich selbst Bezug zu nehmen, dann werden sie Verweise auf welche Namen auch immer – auf Urteile oder Kategorien – ignorieren. Sie werden aufhören, jenen Leuten zu gleichen, die das hämische Bedauern, an einer geschichtlichen Bewegung nicht teilgenommen zu haben, immer noch daran hindert, aus ihr etwas herauszuziehen, was ihnen helfen kann, aus sich selbst zu leben.
Geben sei so schön wie nehmen
Es liegt an jedem einzelnen Besucher zu guter Letzt auch, und nicht nur an den dort arbeitenden Kulturaktivisten, Erfinder eines Belebens unserer bestehenden, sowie nun auch der „neuen“ Kulturstätten zu werden. Es entdecke den fruchtbaren Boden in allem, in jedem Ereignis und in jedem Menschen eine willkommene Saat, einen willkommenen Regen und Sonnenstrahl. Er bereichere sich genauso an dem, was er nimmt, wie er es verschwenderisch hergibt; das lernen wir von Kindern, die alles nehmen, um es dann dem erstbesten anzubieten. Deren Landschaften werden noch durch den sinnlichen Überschwang beseelt, bevor das ökonomische Gebot auftritt und mit dem Countdown des Erlebten anfängt; bevor sie Gegenseitigkeit lernen und eingeweiht werden, eine Gabe zu verdienen, das zu verlangen, was ihnen zusteht, einen Gewinn zu belohnen, einen Wertverlust zu bestrafen und denjenigen zu danken, die ihnen Stück für Stück den Reiz eines Lebens ohne Gegenleistung nehmen.
Utopien haben – und sie leben
Es sei, wünschen wir den Kreativlingen, die Stadt ein Ort, wo keiner sich etwas macht aus jenen Beziehungen, jenen Gruppen und kränkelnden Gemeinschaften, in denen man/frau brüderlich fest geschlossen den Ellenbogen in den Magen des Nachbarn stößt und Freundschaftsäußerungen Verträge zu gegenseitigen Verpflichtungen sind. Es sei dies kein Ort, an dem die Lust zu sein, zu essen, zu trinken, zu schauen, nach dem Kodex der öffentlichen Darstellung bezahlt wird, wo niemals etwas kostenlos geschieht, wo man sich schämen würde, Sympathie oder Antipathie zu empfinden, ohne dies auf eine Theorie stützen zu können; in denen die Gründe für das Beste wie das Schlimmste gemeinsam damit beschäftigt sind zu ignorieren, dass genau sie die Gründe der verkehrten Welt sind.
Spontaner Irrtum gegen aufgezwungene Wahrheit …
Also Freunde – laßt uns Utopien haben. Entdecken wir Geheimnisse. Und, schmeißen wir raus jene ansaugende und auspumpende Maschine, die aus der sexuellen Energie des Körpers die Arbeitskraft schöpft, durch die sie verdrängt wird; werfen wir sie diagonal über den Neckar, raus aus von überall dort, wo sie Kreativität und Kreativwirtschaft vertreiben wollen, hin vor das Trafohäuschen der – wer immer habe sie selig – Schrott-Art-Künstlerin Eva Vargas. Junge Leute stehen in den Startlöchern ihr Erbe anzutreten, passable Rest-Art draus entstehen zu lassen – wenn denn, wie vom Kulturamtsleiter (Grüne) seit zwei Jahren erwartet und zugesagt, eine Ausschreibung gemacht worden sein wird. „Vorher geht da gar nix“!
„Die allzu hart sind stechen. Und brechen ab sogleich“
Ihr andern, Ihr klagt unsere, Ihr klagt meine Subjektivität an? Wie Ihr wollt – aber paßt nur auf, dass Eure Subjektivität Euch nicht eines Tages auf die Schulter klopft, um Euch in jenes Leben zurückzurufen, das Ihr gerade dabei seid, kläglich zu verlieren. Und darin ist unsere (aber ja doch: charmant-ungezwungene) Naivität Eurer bösen Arglosigkeit unvergleichlich überlegen: Sie ist mit heiteren Ungeheuern überfüllt, während Ihr die Naivität, die Euch daran gewöhnt hat, in der jahrtausendealten Verachtung des Genusses zu leben, Scharfblick zu nennen beliebt.