In der Bibel gibt es nur eine Geschichte über den jungen Jesus. Wohl aus gutem Grund: Im Kindheitsevangelium nach Thomas erscheint der Sohn Gottes wenig christlich, sondern vor allem jähzornig. Über die verbotenen Geschichten einer Religion.

Zeichnung des jungen Jesus, der von anderen Kindern bei Erwachsenen angeklagt wird.

Kinder klagen Jesus bei Erwachsenen an. Im Kindheitsevangelium nach Thomas versetzt der junge Jesus Menschen in Angst und Schrecken.

Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – die vier Evangelien sind die zentralen Texte des Neuen Testaments. Sie waren allerdings längst nicht die einzigen Anwärter für die heilige Schrift der Christen: Bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. gab es diverse Handschriften, die jeweils unterschiedliche Aspekte von Jesus’ Leben beleuchteten. Diese entstanden aus den verschiedenen christlichen Strömungen, die es zu dieser Zeit gab.

Aus dem Kanon der Bibel wurden die meisten dieser Texte jedoch gestrichen – unter anderem, weil sie nicht mit dem Alten Testament übereinstimmten oder die Nähe zu den Aposteln nicht gegeben war. Auffällig ist aber auch: Manche der nicht aufgenommenen Schriften enthalten kritische Aspekte über die Figur Jesus Christus. So auch ein Evangelium über Jesus’ Kindheit. Die Texte zeichnen ein kontroverses Bild vom Sohn Gottes und wurden – trotz ihrer Beliebtheit – mit abgeschlossener Kanonisierung der Bibel verboten.

Das Kindheitsevangelium nach Thomas

Im Neuen Testament gibt es Geschichten über die Geburt Jesu – und viele, die ihn als 30- bis 40-jährigen Mann porträtieren. Und dazwischen: lediglich eine Episode in einem Tempel in Jerusalem, wo der 12-jährige Jesus die Schriftgelehrten mit seinem Verständnis beeindruckt. Darüber hinaus erfährt man so gut wie gar nichts über die Kindheit und Jugend der religiösen Figur.

Im Kindheitsevangelium nach Thomas sieht das anders aus. Die apokryphe Schrift – gemeint sind damit jüdische oder christliche Geschichten ungeklärter Herkunft, die es nicht in den biblischen Kanon geschafft haben – stammt von einem unbekannten Autor und ist vermutlich Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden. Sie enthält verschiedene Passagen über die Figur Jesus im Alter von fünf bis zwölf Jahren. Einige erzählen von frühen Wundern des Sohn Gottes, andere zeigen ihn überraschend jähzornig.

Jesus’ Kindheit: Geschichten über einen jähzornigen Jungen

Eine der ersten Geschichten handelt vom fünfjährigen Jesus, der während des Sabbat am Bach spielt und Tümpel anlegt. Im Folgenden vollbringt er zwei Wunder: Jesus reinigt das Wasser und erweckt zwölf aus Lehm geformte Spatzen zum Leben. Soweit passt die Beschreibung der Figur zu den biblischen Texten. Dann passiert das Unerwartete: Der Sohn eines Hohepriesters beobachtet Jesus bei seinen Taten, beschuldigt ihn, den Sabbat zu brechen und zerstört dessen Tümpel. Im Evangelium heißt es, dass Jesus daraufhin wütend wird, den Jungen verflucht und dieser „verdorrt“ – also vermutlich stirbt.

Joseph und Maria bitten Jesus, einen von ihm getöteten Mann wieder zum Leben zu erwecken.

Joseph und Maria bitten Jesus, einen von ihm getöteten Mann wieder zum Leben zu erwecken.

Foto von Gemeinfrei / Klosterneuburger Evangelienwerk, fol. 27v.

Nicht weniger dramatisch erscheint eine weitere Situation, in der Jesus einen Jungen, der ihn im Gehen anrempelt, mit dem Ausruf „Du sollst deinen Weg nicht fortsetzen!“ sterben lässt. Der junge Jesus scheint in der damaligen Gemeinschaft so berüchtigt zu sein, dass sogar der Unfall eines kleinen Jungen zunächst ihm zugeschrieben wird. Das lässt Jesus jedoch nicht auf sich sitzen und erweckt den Jungen kurzerhand wieder zum Leben – jedoch nur, damit dieser seinen Eltern bestätigen kann, dass sein Fall vom Dach ein Unfall war und Jesus nichts damit zu tun hat. Danach lässt Jesus ihn wieder „einschlafen“.

Auch den Gelehrten widerspricht Jesus im Kindheitsevangelium nach Thomas und fordert sie heraus, ihre Intelligenz mit seiner zu messen. Als der Lehrer Zachäus die Geduld verliert und Jesus gegen den Kopf schlägt, lässt dieser ihn zu Boden stürzen und ohnmächtig werden.

In den Geschichten des Kindheitsevangeliums versetzt der junge Jesus viele Menschen in Angst und Schrecken. So sehr, dass sogar seine Eltern das Gespräch mit ihm suchen. Einmal lässt Jesus danach alle erblinden, die gegen ihn geredet haben. Ein andermal weist Joseph Maria an, Jesus Hausarrest zu erteilen: „Dass du ihn ja nicht mehr vor die Tür lässt! Sonst müssen die, die ihn zornig machen, sterben.“

Rezeption des Evangeliums in der Wissenschaft

Neben den wenig christlich anmutenden Episoden enthält das Kindheitsevangelium nach Thomas aber auch verschiedene Wunder, die Jesus bereits in seinen jungen Jahren vollbringt. Darunter die Heilung eines Schlangenbisses und eines verletzten Fußes. Laut einem Artikel von Reidar Aasgaard, Professor für Ideengeschichte, im Bibellexikon der Deutschen Bibelgesellschaft sind die Geschichten trotz der Flüche Jesu ethisch wertvoll. „Im gesamten Text werden traditionelle Werte wie die Liebe Gleichaltrigen gegenüber, Respekt gegenüber der älteren Generation, Gehorsam, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit gegenüber den Marginalisierten vorausgesetzt und beworben“, schreibt Aasgaard.

Der Forscher sieht ebenfalls Verbindungen zu kanonischen Texten der Bibel – besonders zu den Evangelien von Lukas und Johannes. Denn auch dort spreche Jesus Flüche aus. „Der Jesus des Kindheitsevangelium nach Thomas ist somit nicht weniger göttlich als der des Neuen Testaments“, so Aasgaard, der die Menschlichkeit der bei Thomas porträtierten religiösen Figur in den Fokus stellt. Jesus sei in den Texten eben nicht nur eine göttliche Figur, sondern auch ein menschliches Kind, das mit seinen besonderen Fähigkeiten noch nicht umzugehen wisse.

BELIEBT

Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

„Er wird nicht lange Präsident bleiben und seine Macht verlieren. Der Prozess der Umgestaltung des politischen Systems in Russland wird definitiv beginnen, wenn Russland auf dem Schlachtfeld spürbare taktische Niederlagen erleidet

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Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Papst Franziskus hat bei der Frühjahrstagung der italienischen Bischöfe Homosexuelle beleidigt. Ihre angeblichen Umtriebe an Priesterseminaren hat er als „frociaggine“ (etwa: Schwuchtelei) bezeichnet. Man muss sich schon sehr verrenken, um die Bezeichnung „froci“ (Schwuchtel) oder „frociaggine“ nicht als homophob zu erkennen. Das gilt fürs Italienische wie fürs Deutsche.

Der amerikanische „vaticanista“ John L. Allen betreibt in Rom die Website „Crux“ und tritt regelmäßig als Kommentator für Fernsehsender wie CNN auf, wenn es aus dem Vatikan etwas Aktuelles über die Weltkirche zu erklären gibt.

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Juni 2024 | Allgemein, Essay, In vino veritas | Kommentieren

Demos gegen Anti-israelische Demonstrationen in Berlin

Anti-israelische Kundgebungen in Deutschland haben den israelbezogenen Antisemitismus sichtbar gemacht. Wo aber fängt Hetze an? Was ist legitime Kritik? Experten haben die Parolen auf der Straße für die DW ausgewertet. Mitten auf den Straßen Deutschlands wird Juden der Tod gewünscht. Vor Synagogen schreien aufgebrachte Protestler antijüdische Parolen und Drohungen heraus, verbrennen israelische Fahnen. Der unverhohlene Hass, die Wucht der Wut, die sich in der Folge des eskalierenden Nahost-Konflikts entluden, wühlten Politik und Öffentlichkeit auf.Rufe wie „Tod den Juden“ und das Verbrennen israelischer Fahnen sind deutlich erkennbarer Antisemitismus. (mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, Essay, In vino veritas | Kommentieren

Mehr als 26 Prozent der Wählerstimmen, in manchen Städten und Landkreisen sogar deutlich über 30 Prozent: Bei den Kommunalwahlen in Thüringen hätte die AfD ohne die Skandale der letzten Monate vielleicht sogar noch besser abgeschnitten. Aber auch so ist es ihr gelungen, auf Augenhöhe mit der CDU zu gelangen. Die großen Verlierer sind alle drei Ampelparteien. Der Historiker Michael Kurlbau jedenfalls resümiert: Die AfD hat sich fest im Parteienspektrum etabliert.

Um Grassierendem Antisemitismus entgegenzuwirken, werden vermehrte Schulfahrten zu früheren Vernichtungslagern empfohlen. Der Der Rundschau Forderung: Statt sich mit dem vernichteten Judentum Europas zu beschäftigen, sollten Schüler und Studentenlieber das lebendige Judentum in Israel erleben. Der Rundschau Forderung .

Man sollte die Reise aber rasch buchen, solange noch Geld da ist. Der Industrie- und Handelskammertag bescheinigt Deutschland den Zerfall seiner Industrie und damit der Grundlage des Wohlstands. Währenddessen offenbart der Wirtschaftsminister, dass seine Politik darin besteht, die Belastungsgrenzen der Deutschen zu testen. Wir möchte dies so auf den Punkt bringen: Die Industrie erodiert. Der Minister testet …

Dass die Politik der Grünen ein großes Gesellschaftsexperiment mit offenem Ausgang ist, wurde jetzt also von Habeck bestätigt und ist somit keine Verschwörungstheorie mehr. Ein paar andere „Verschwörungstheorien“ – etwa die zum Ursprung des Coronavirus – warten indes noch auf ihre offizielle Bestätigung. Eine Aufarbeitung der Corona-Zeit wird hierzulande leider nicht ernsthaft betrieben. In den USA und Großbritannien hingegen finden Untersuchungsausschüsse heraus, dass vieles, was die Labortheorie, Gain-of-function-Forschung oder Interessenkonflikte betrifft, eben doch keine Verschwörungstheorie war. Der Physiker Roland Wiesendanger ist vorsichtig optimistisch: Das Lügengebäude bröckelt.

Zum Schluss noch etwas Staatstragendes

Heute hat der französische Präsident Emmanuel Macron den Westfälischen Friedenspreis erhalten. Nur in der EU könne Frankreich souverän bleiben, argumentiert Macron. Doch ausgerechnet in Paris redet der Begriff der Souveränität einem erstarkenden Nationalismus das Wort. , Pofessor Dlemens Puppe – unser Frankreich-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Politik, meint: Die Geister, die er rief, wird Macron nicht mehr los.

Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Die Bundesregierung gibt den Einsatz deutscher Waffen gegen Ziele in Russland frei. Wie es dazu kam und wie gefährlich Moskaus Reaktion ist: Experten ordnen ein.
Die Ukraine darf mit deutschen Waffen begrenzt russische Stellungen in Russland angreifen. Die Entscheidung soll die brenzlige Lage in Charkiw stabilisieren. 31.05.2024 | 1:50 min

Die Bundesregierung gibt der Ukraine die Erlaubnis, von Deutschland gelieferte Waffen auch gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. Sie folgt damit dem Vorgehen der USA – bereits am Donnerstagabend hatte Washington bestätigt, dass sie der Ukraine die Erlaubnis erteilt hat, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang auf russischem Gebiet einzusetzen.
Bei ZDFheute live beantworteten Militärexperte Gustav Gressel, ZDF-Nato-Korrespondent Florian Neuhann und Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Moskau, die wichtigsten Fragen.
Warum die Bundesregierung diesen radikalen Schritt geht und wie die Reaktion in Moskau ausfällt, schätzen die ZDF-Korrespondenten Shakuntala Banerjee und Armin Coerper ein.31.05.2024 | 2:37 mi 

Was bedeutet die Entscheidung für die Ukraine?

Die Entscheidung Deutschlands und der USA macht die „Abwehr der russischen Offensive aus dem Norden deutlich leichter, weil sie die russischen Artilleriestellungen, die diese Offensive unterstützen, bekämpfen können“, erklärt Militärexperte Gustav Gressel.

Zudem könne die Ukraine unter Einsatz westlicher Waffen die Vorbereitung Russlands auf eine weitere Offensive stören sowie die Angriffsbasis, von der beispielsweise die Luftschläge auf Charkiw ausgehen, angreifen, so Gressel.

All das macht natürlich die grenznahe Verteidigung viel leichter.
Gustav Gressel, Militärexperte

Die Infokarte zeigt die potenzielle Reichweite der deutschen Waffensysteme, die im Ukraine-Krieg eingesetzt werden. Die bereits gelieferte Panzerhaubitze 2000 hat eine Reichweite von maximal 40 Kilometern, die zugesagte Radhaubitze RCH 155 kann Ziele in bis zu 54 Kilometern Entfernung anvisieren, der Raketenwerfer Mars II hat eine Reichweite von maximal 84 Kilometern. Die von der Ukraine geforderten Marschflugkörper vom Typ Taurus können Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung erreichen.

Wie kommt die Kehrtwende Deutschlands zustande?

Die Entscheidung, dass Deutschland seine gelieferten Waffen auch für Angriffe auf russische Gebiete freigibt, sei vor „allem für die Öffentlichkeit überraschend“, erklärt ZDF-Nato-Korrespondent Neuhann – „hinter den Kulissen ist das in der Tat länger besprochen und auch vorbereitet worden“.

Die Entscheidung aus Berlin wurde auf der NATO-Außenministertagung in Prag heiß diskutiert. Wie die NATO-Mitglieder reagiert haben, weiß ZDF-Korrespondent Florian Neuhann.31.05.2024 | 1:05 min

Die Kommunikation der deutschen Bundesregierung habe dabei auch auf internationaler Ebene für Verwirrung gesorgt. Schon am Dienstag habe der französische Präsident Emmanuel Macron für die Freigabe geworben: Dort habe Bundeskanzler Olaf Scholz vorsichtige Zustimmung signalisiert, von der man jedoch anschließend in Berlin wieder zurückgerudert sei, so Neuhann. „Diese Kommunikation ist in der Tat unglücklich.“

„Denn wie immer in der Nato geben die USA als wichtigstes Mitgliedsland, als wichtigster Waffenlieferant der Ukraine, den Ton vor. Und wenn die USA jetzt mit ihrer militärischen Stärke ihr ‚Okay‘ geben, dann ist es auch für die Deutschen ’safe‘, sich dort anzuschließen.“

Florian Neuhann, ZDF-Nato-Korrespondent

Ex-US-General zu Ukraine: Ziel sollte sein, „Russland zu besiegen“Moskau kündigt nach der Freigabe westlicher Waffen gegen russische Ziele eine asymmetrische Antwort an. Die ZDF-Korrespondenten Florian Neuhann und Armin Coerper ordnen ein.31.05.2024 | 5:30 min

Wie reagiert Moskau?

Die Reaktionen aus Moskau seien „erwartbar“ und „scharf“, erklärt Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Moskau. „Bisher gibt es noch keine konkrete Reaktion auf die Ankündigung aus Berlin“, so Coerper – doch seit der gestrigen Ankündigung der USA liefen „die Telegram-Kanäle hier in Russland heiß“. So habe die Sprecherin des Außenministeriums angedroht, die verantwortlichen Länder hätten auch die Konsequenzen zu tragen.
Präsident Wladimir Putin habe in Aussicht gestellt, dass die Staaten Europas, die dies zuließen, auch mit Angriffen zu rechnen hätten. Sicherheitsrats-Mitglied und Ex-Regierungschef Dmitri Medwedew nannte die Freigabe westlicher Waffen gar einen „Casus Belli“, ein Krieg auslösendes Ereignis, so Coerper.

Insgesamt sagt Moskau, man wolle darauf asymmetrisch antworten – das heißt, mit anderen Mitteln gegen andere Ziele als die Gegenseite. Das kann man durchaus als Nukleardrohung verstehen.

Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Moskau

 

 

Die Bundesregierung erlaubt der Ukraine, von Deutschland gelieferte Waffen gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen. Armin Coerper und Daniel Pontzen berichten.31.05.2024 | 2:00 min


Wie sind die Reaktionen aus Russland zu bewerten?

Solche Drohungen sei man seitens der Nato „gewohnt“, erklärt Korrespondent Neuhann. Eine „nukleare Rhetorik“ Putins und seiner Anhänger gebe es bereits seit Beginn des Kriegs in der Ukraine.

Insofern reagiert man betont gelassen.

Florian Neuhann, ZDF-Nato-Korrespondent

Unter einer asymmetrischen Kriegsführung könne man „natürlich Atomwaffen verstehen“, erklärt auch Militärexperte Gressel – dies bewerte er jedoch als „klare Straße in den russischen Selbstmord“. Man könne unter Russlands Drohung andererseits auch „hybride Kriegsmittel“ verstehen, also „zivile Akteure, die als Saboteure oder als Provokateure“ agierten.
Solche Drohungen habe man bereits im Kontext des Nato-Beitritts Schwedens und Finnlands beobachten können – dort habe dann ein von einer russischen Firma gecharterter chinesischer Frachter ein Telekommunikationskabel zerstört. „Das ist so eine asymmetrische Situation“ – auch solche Dinge seien dann möglich, so Gressel.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Marc Burgemeister. Autor der Zusammenfassung ist ZDFheute-Redakteur Silas Thelen. Mit Material von dpa.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
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Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Staatsschutz und die Polizei ermitteln, Verbote werden erteilt, Politiker drücken ihr Entsetzen aus: Die Diskussionen über ein Video, das zeigt, wie Gäste in einem Sylter Club rassistische Parolen singen, halten an. Mehrere Wiederholungen hat der Vorfall in kürzester Zeit provoziert, immer mehr Videos gelangen an die Öffentlichkeit, in denen meist auf Festen und in ausgelassener Stimmung Gigi D’Agostinos L’amour toujours rassistisch umgedichtet wurde. Es ist zu einer TikTok-Challenge geworden. Wer traut sich, das Lied zu spielen und entsprechend zu betexten?

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Juni 2024 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas | Kommentieren

Für 300 einzelne Einstellungen wurden die originalen Farben der Uniformen, der Waffen und des militärischen Geräts bestimmt. Dazu kamen genaue Informationen etwa über Wetter, Sonnenstand und Gezeiten am 6. Juni 1944. Auch als Experte kann man nicht erkennen, dass das Ausgangsmaterial schwarz-weiß ist.
Das originale Farbmaterial, das David T. Ruley vor dem, am und nach dem D-Day drehte, spielte in der Berichterstattung über den D-Day in den Tagen und Wochen nach der Invasion keine Rolle – anders als die ikonischen Bilder von John Ford.

Dafür gab es technische Gründe: Offenbar konnten die Denham Studios die Farbfilme nicht entwickeln, und so mussten die Rollen ins Kopierwerk von Kodak nach London geschickt werden.

In Hollywood ist der 50 Jahre alte John Ford bereits eine Legende, als er am 10. April 1944 einen besonderen Auftrag übernimmt. Seit Jahren arbeitet er für den amerikanischen Geheimdienst OSS und dreht preisgekrönte Dokumentarfilme über Pearl Harbor, den Krieg im Pazifik und in Nordafrika . Jetzt soll er das größte amphibische Landungsunternehmen der Geschichte dokumentieren: die Invasion der Anti-Hitler-Koalition in der Normandie.
Für seine ARD-Dokumentation »24h D-Day« hat SPIEGEL-TV-Autor Michael Kloft alles verfügbare Filmmaterial gesichtet, das am 6. Juni 1944 entstanden ist. Die ausgewählten schwarz-weißen Filmaufnahmen von damals wurden hochauflösend abgetastet und in einem besonderen Verfahren Einstellung für Einstellung handkoloriert.
Im Frühling 1944 werden, so ist es geplant, 157.000 britische, amerikanische, kanadische, französische und Soldaten aus zwölf weiteren Ländern an der nördlichen Küste des von Nazideutschland besetzten Frankreichs landen. Der Angriff soll die deutschen Truppen überraschen und schwächen. Denn klappt die Invasion, müssen die Deutschen nicht mehr nur gegen den Vormarsch der Roten Armee im Osten kämpfen, sondern auch gegen jenen der westlichen Alliierten im Westen. So will man Hitler endlich besiegen.

Ford ist einer der wenigen Menschen, die den genauen Ort und die Planung des »D-Day« kennen, des Stichtags für die Invasion, der schließlich auf den 6. Juni fällt. Aufgrund seiner Spielfilme, Western mit John Wayne oder gesellschaftskritische Dramen mit Henry Fonda, gilt der knorrige Regisseur als Chronist des »amerikanischen Traums«. Seine wahre Größe liege in seiner Fähigkeit, sich mit guten Leuten zu umgeben, sagt Ford über sich selbst. Erst das mache seine Filme gut.

In England laufen die Planungen der Westalliierten zusammen. In den Denham Filmstudios nahe London bereitet auch Ford generalstabsmäßig den Einsatz für den D-Day vor. Er lässt 152 automatische Kameras in Landungsbooten anbringen, die den ersten Angriff festhalten sollen. Doch es fehlt ihm an qualifizierten Filmcrews und Technikern. Er bekommt 56 Kameraleute der US-Küstenwache, unter ihnen David T. Ruley, der vor allem in 16 mm Farbe dreht. In Crashkursen bringt Ford britischen und kanadischen Kameraleuten die Grundlagen der Kriegsberichterstattung bei. Das aber reicht ihm nicht – und so kontaktiert er schließlich einen zehn Jahre jüngeren Kollegen aus der Traumfabrik. Auch George Stevens ist als Regisseur erfolgreich, hat mit Katherine Hepburn, Fred Astaire und Ginger Rogers gedreht. Jetzt arbeitet er mit seinen Kamerateams für die U.S. Army und sagt auf Fords Anfrage hin sofort zu. Eigentlich wäre er am D-Day gar nicht zum Einsatz gekommen. Jetzt soll er sicherstellen, dass auch die Briten und Kanadier erfolgreich in Szene gesetzt werden.
Chaos bei Soldaten und Filmcrew
Die Invasion beginnt am 6. Juni 1944 um 6.30 Uhr. An Bord des Zerstörers USS »Plunkett« glaubt John Ford zunächst, dass alles nach Plan läuft. Doch das Gegenteil trifft zu: Vor allem am »Omaha Beach«, einem der über 70 Kilometer verteilten Strandabschnitte, an denen die alliierten Soldaten an Land gehen sollen, kommt es zu einem blutigen Gemetzel. Trotz alliierter Bombardements sind die deutschen Stellungen weitgehend intakt.

Der begnadete Geschichtenerzähler Ford schweigt zwanzig Jahre lang,
wenn er nach dem D-Day gefragt wird.

Offenbar will er sich nicht an die schrecklichen Details erinnern: Die von Kugeln und Granaten zerfetzten Körper, die Schreie der verwundeten Soldaten, das blutgetränkte Wasser. Seinen Teams, die auf 35 mm Schwarz-Weiß-Material filmen, hat er nur eine Regieanweisung gegeben: »Dreht einfach alles, was ihr seht« – und die haben die Männer offenbar befolgt. Es sind zutiefst verstörende Szenen. Am »Omaha Beach« ist das Chaos so groß, dass die Verantwortlichen nach zwei Stunden überlegen, den Angriff abzubrechen. Um 9.30 Uhr werden 3.000 Tote, Verwundete und Vermisste nach England gemeldet.
Auch Fords Operation läuft nicht glatt: Große Teile des Kameraequipments sind zerstört oder funktionieren nicht. Belichtetes Filmmaterial verbrennt, versinkt im Meer oder ist unbrauchbar, vergleichsweise wenig wird schließlich überhaupt verwertbar sein.
1964 berichtet Ford erstmals dem »American Legion Magazine« über seine Arbeit am D-Day – und bleibt vage: »Meine Erinnerungen sind wie Filmeinstellungen ohne Zusammenhang, Aufnahmen, die darauf warten, im Schneideraum zusammengesetzt zu werden.«
Konkret wird er nur selten, wenn er über die meist jungen Soldaten spricht, die am D-Day im Einsatz sind: »All diese seekranken Kids waren Helden. Ich habe zunächst wenige Tote und Verwundete gesehen und dachte noch, das ist ja seltsam. Später sah ich dann tote Körper im Wasser treiben.« Am Nachmittag geben schließlich auch die letzten deutschen Verteidiger am »Omaha Beach« auf.

Akkordarbeit am Schneidetisch

Auch der von John Ford angeworbene Kameramann der US-Küstenwache, David T. Ruley, wartet am Morgen des 6. Juni auf den Einsatz. Bei Sonnenaufgang ist er auf seiner Position am »Omaha Beach«. In seiner Kodak Cine-Special-Kamera hat er Kodachrome Filmmaterial für drei Minuten und eine zweite Rolle griffbereit, Farbfilm, der zu dieser Zeit bereits schwer zu bekommen ist.
Als der Sturm der Alliierten auf Hitlers »Festung Europa« beginnt, dreht Ruley unter Einsatz seines Lebens spektakuläre Aufnahmen im Sektor »Easy Red«, an dem die Landung in der Normandie zu scheitern droht.
In einem Interview für die Zeitschrift »Movie Makers« beschreibt er später, wie er die Invasion erlebte: »Diejenigen, die im Wasser waren, wurden von Maschinengewehren und leichter Artillerie beschossen, und viele von ihnen erreichten den Strand nicht. Ich weiß noch, dass ich gedreht habe, aber ich will mich nicht erinnern, was genau ich gedreht habe. Um die Kamera ruhigzuhalten, habe ich sie gegen einen Teil des Schiffs gelehnt, der als Deckung diente. Andere Male, wenn ich sie als Handkamera einsetzte, hielt ich meinen Atem für die Dauer der Aufnahme an. Als ich meine Kamera und meinen Kopf – oder zumindest so viel davon, wie nötig war, über das Geländer steckte, schien es mir, dass ich ein ausreichend großes Ziel für die gesamte deutsche Armee war.

Fords und Ruleys Mitstreiter George Stevens verbringt den D-Day zunächst an Bord des britischen Kreuzers HMS »Belfast«. Von hier aus drehen seine Teams alliierte Schiffe im Kampfeinsatz. Schließlich gehen sie am »Juno Beach« an Land. Auch hier sind Briten und Kanadier ins Kreuzfeuer der Deutschen geraten und haben hohe Verluste hinnehmen müssen. 800 Soldaten gelten hier als verwundet, tot oder vermisst.
Für Stevens beginnt jetzt die eigentliche Arbeit. Er wird die US-Truppen in der Normandie begleiten und schließlich die Befreiung von Paris drehen. Ford dagegen kehrt nach England zurück, um den Schnitt des Filmmaterials vom D-Day zu überwachen.
Am Nachmittag des 8. Juni 1944 erreichen die ersten Filmrollen das Kopierwerk der Denham Studios, das rund um die Uhr im Schichtbetrieb arbeitet. John Ford sitzt ständig im Schneideraum, um das Material zu sichten.
In nur drei Tagen entsteht aus dem Filmmaterial ein Zusammenschnitt von 38 Minuten. Am 12. Juni wird er in England den alliierten Militärbefehlshabern und Premierminister Winston Churchill gezeigt – unzensiert.
Auf brutale Szenen, die man dem heimischen Publikum nicht zumuten will, hat Ford in seinem Zusammenschnitt bewusst verzichtet. Seine spätere Erinnerung, die Zensur sei »gnadenlos« gewesen, lässt sich nicht bestätigen.

Es sei »die größte Schneidearbeit überhaupt gewesen«, behauptet er in seinem Interview von 1964, aufwendiger sogar als die Arbeit für den Historienfilm »Kleopatra«. Eine seiner vielen Übertreibungen. Fakt ist: Dem Hollywoodhaudegen blieb damals nicht viel Zeit. Zu groß ist der Druck von ganz oben, der Welt die ersten Aufnahmen von der erfolgreichen Landung der Alliierten zu präsentieren.
Eine Kopie des Films wird nach Washington geflogen und US-Präsident Franklin D. Roosevelt vorgeführt. Eine weitere Kopie bekommt der kanadische Premierminister. Dann verfügt die Zensur einige Kürzungen, die allerdings nur sensible Informationen über Waffensysteme betreffen.

Der in Kiew geborene Anatole Litvak, ein weiterer Hollywoodregisseur im Dienst des US-Kriegsministeriums, wird mit dieser Version zu Josef Stalin nach Moskau geschickt. Der Kremlherrscher soll mit eigenen Augen sehen, dass endlich die zweite Front in Westeuropa steht, die er schon lange gefordert hatte.
Wenig später schon zeigen Kino-Wochenschauen weltweit die von Ford ausgewählten Szenen und begründen den Mythos des D-Day.
Die schlimmsten Szenen sind wahrscheinlich vernichtet worden. Der Rest des Rohmaterials verschwand in staatlichen Archiven.
Dieses Material wurde jetzt für die Dokumentation »24 h D-Day« von SPIEGEL TV gesichtet und durch die britischen Spezialisten Eddy Strickland und William Drake aufwendig koloriert.

 

 

 

Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

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