Anlass dieses Jubiläums ist das Lebensende eines Dichters: So jährt sich der Tod von Franz Kafka am 3. Juni zum 100. Mal. Das sogenannte und seit Wochen vielfach bedachte Kafka-Jahr nimmt dessen Leiden in den Blick, seine lange Erkrankung an Lungentuberkulose. 1917 erlitt er einen ersten nächtlichen Blutsturz. Während seiner Berliner Jahre 1923/24 griff die Tuberkulose dann auf den Kehlkopf über. Zwei Aufenthalte in Sanatorien konnten nur noch Symptome lindern. Kafka starb am 3. Juni 1924 in Kierling. Für den Kafka-Biografen Reiner Stach steht fest, dass sich Kafka im Büro ansteckte. Als promovierter Jurist arbeitete er von 1908 bis 1922 bei der „Arbeiter-Unfallsversicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen“ in Prag. Dort habe er sich vermutlich bei Soldaten angesteckt, die von der Front kamen und von denen viele an Tuberkulose erkrankt waren. Kafka wurde nur 40 Jahre alt.

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, Buchempfehlungen, Feuilleton, Junge Rundschau, Senioren | Kommentieren
Am 10. Juni 1977 verkündet der Niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht von der CDU den Standort des neuen nationalen Endlagers für hochradioaktiven Atommüll: die Gemeinde Gorleben im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Eine Protestwelle bricht los. In den darauffolgenden Jahren folgen immer wieder Tausende Atomkraftgegner:innen und kilometerlange Trecker-Konvois der Route nach Ost-Niedersachsen, in den am dünnsten besiedelten Landkreis der alten deutschen Bundesländer. Das Endlager Gorleben lockt aber nicht nur Atomkraftgegner an, sondern auch Tausende Polizeikräfte, die diese in Schach halten sollen. Wenn nicht demonstriert wird, starren diese vielen Polizisten aber nicht Löcher in die Luft – sie kontrollieren, ahnden und zeigen an. Kurzum: Sie gehen ihrer Arbeit nach …

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Politik, Sapere aude | Kommentieren
Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Eine der zahlreichen ‚Betrugsfabriken‘ in Kambodscha: Hier werden Menschen gegen ihren Willen festgehalten und zu Online-Betrug gezwungen

Mit gefälschten Jobangeboten locken Mafiabanden Menschen in Südostasien an und halten sie in kriminellen Callcentern gefangen. Dort müssen sie online Unschuldige erpressen. Hunderttausende sind betroffen. Angefangen hat alles mit dem Wunsch nach einem sorgenfreieren Leben. Aber dann durchlebt der heute 21 Jahre alte Thailänder Kay die wahre Hölle. Beim Treffen in einem Straßenrestaurant in einem Vorort von Thailands Hauptstadt Bangkok wirkt er nervös, als er beginnt, seine Geschichte zu erzählen: In die Falle gelockt: Er schildert fürchterliche Erinnerungen an einen Job, der zunächst so verheißungsvoll angepriesen wird. Im Nachbarland Kambodscha soll er für guten Lohn die Webseite eines Casinos betreuen. Auf Facebook hatte er das Jobangebot gelesen – die Aufgabe im Casino gibt es nicht. Eine Falle.

 

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, In vino veritas, Sapere aude | Kommentieren

In den vergangenen Jahren hat das Image Kratzer bekommen. Erst der Dieselskandal, dann die quälende, gefährliche Unentschlossenheit bei der Abkehr von einer Technologie, die sterben muss und wird: der Verbrennungsmotor. Klima- und gesundheitsschädlich, laut  , anfällig,
absurd ineffiziell – Die Marke Audi scheint entschlossen, das Ideal »Vorsprung durch Technik« nicht aufzugeben. Audi-Vorstandschef Gernot Döllner will bis 2033 vollständig aus Benzin- und Dieselmotoren aussteigen. Die meisten in der Branche wissen, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört: Verbrenner verkaufen sich weltweit seit 2017 und in Europa seit 2019 jedes Jahr schlechter. Elektromobilität dagegen wächst global, anderslautenden Behauptungen zum Trotz, weiterhin exponentiell.

 

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, Buchempfehlungen, Essay, Gesundheit | Kommentieren

Über mehr als zehn Jahre hinweg, von Mitte der achtziger Jahre bis zum Jahr 2001, erlebten die Feuilletons der großen, überregionalen deutschsprachigen Zeitungen einen Boom, wie es ihn in der Geschichte des Kulturjournalismus noch nie zuvor gegeben hatte. Beginn und Ende dieses Booms sind zeitlich exakt zu definieren: Er beginnt mit dem Historikerstreit und endet mit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes. Während dieser Periode waren die Feuilletons das Zentrum der kulturellen und intellektuellen Öffentlichkeit in den deutschsprachigen Ländern.

Für diese Entwicklung gibt es mehrere Gründe:

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, Essay, Die Hoffnung stirbt zuletzt | Kommentieren

Vor kurzem erschien im Open Access Das zweite „konvivialistische Manifest“, in dem über 300 Intellektuelle aus 33 Ländern, darunter Wendy Brown, Noam Chomsky, Shirin Ebadi, Maja Göpel, Eva Illouz und Chantal Mouffe, für neue Formen des Zusammenlebens und eine „post-neoliberale Welt“ plädieren. Der Soziologe und Mitinitiator Frank Adloff erklärt, was es mit dem Konvivialismus auf sich hat und welche konkreten Ziele er verfolgt.

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, Buchempfehlungen, Essay, Sapere aude | Kommentieren

Auch – mal eben nur so zum Beisiel – die Beatles meinten, das Alter beginne spät im Leben mit dem Haarausfall und sei noch viele Jahre entfernt. Sie träumten davon es gemeinsam mit ihren Frauen zu erleben. Aber, John Lennon ist tot und Paul McCartney lebt in Scheidung.
Die Wirklichkeit sieht mit 64 meist anders aus. Ob man noch gebraucht wird, ist nicht sicher und, ob einen jemand ernährt, ebenfalls nicht. Das Altern ist ganz anders, als erwartet und eine Alternde Gesellschaft ebenfalls. Deshalb betrachtet der Soziologe Prof. Andreas Klocke von der Fachhochschule in Frankfurt den gesamten Lebenslauf:

„Wir müssen bei der Demographie tatsächlich die gesamte Lebensspanne der Menschen in den Blick nehmen, von der Geburt angefangen bis zu den letzten Lebensjahren.“Als Geschäftsführender Direktor des 2007 gegründeten „Forschungszentrums Demographischer Wandel“ sieht er schon heute einen Riss durch die Gesellschaft gehen, der immer größer zu werden droht: Ausdruck 19. Dezember 2007 Seite 1

„Die, die heute gut gebildet, mit guten Berufsbiografien auf das Alter zu marschieren,die haben Ideen für das Alter, die nutzen diese zusätzlichen Jahre, die haben eine andere Konzeption, eine andere Vorstellung vom Alter. Die haben Erwartungen, dass sie auch, wenn sie vielleicht bis 67 arbeiten, trotzdem danach noch viele Jahre sehr aktiv verbringen können. Menschen, die heute sehr gebrochene Biografien aufweisen. die häufig durch Arbeitslosigkeit unterbrochen sind, durch Umschulung, wo vielleicht auch Abstiegsprozesse erfahren wurden, die haben Angst vor dem Alter Sie haben auch eine Vorstellung vom Alter, dass bis 67 zu arbeiten zum Teil eine Zumutung ist und ihnen nur wenige Jahre danach verbleiben. – Und das sind ganz unterschiedliche Lebensperspektiven, die schon heute im Erwachsenenalter, in den mittleren Lebensjahren, die Menschen auseinander dividieren.“

Da Wohlstand und Bildung gesundheitsfördernd sind, ist der Satz: „Weil du arm bist, musst du früher sterben!“ nicht völlig aus der Luft gegriffen. Vorfreude auf den Ruhestand, aber auch die Angst davor sind also durchaus berechtigt. Die Zahl derer, die Angst haben wächst. Nicht nur, weil der wirtschaftliche Aufschwung nur von jedem Fünften gespürt wird und die Kaufkraft der Renten sinkt, sondern, weil Jugendlichen Chancen verweigert werden.

„Wir leisten uns im Augenblick eine eigentlich nicht nachvollziehbare Situation: Wir lassen etwa 15 Prozent – je nachdem welche Altersgruppe wir genau betrachten – der jungen Menschen nach offiziellen Standards in Armut groß werden. Und das ist etwas was eigentlich aus moralischer Sicht nicht wirklich wünschenswert ist, weil wir betrügen diese jungen Menschen um einen Großteil ihrer Lebensfreude; aber auch aus demographischer Perspektive können wir uns das eigentlich nicht leisten.“

Schaut man sich die Bevölkerungsentwicklung an, dann hat der Bevölkerungsrückgang vermutlich bereits begonnen. Er könnte die Bevölkerung bis zum Jahr 2050 um bis zu zehn Millionen schrumpfen lassen. Zugleich ist die Gruppe der über 90-jährigen, der Bevölkerungsteil der am stärksten wächst. Deshalb mahnt Andreas Klocke:

„Wenn wir heute auf die Altersgruppe ich sag mal der Zehn- bis Fünfzehnjährigen schauen, dann müsste uns klar sein, dass in exakt 10, 15 Jahren diese Altersgruppe im Alter von 25, 30 Jahren zu der erwerbstätigen Bevölkerung zählt. Und genau in dem Zeitfenster 2020, 2030 werden uns auch wirklich deutlich spürbar Arbeitskräfte fehlen. Wir müssen also als Gesellschaft daran interessiert sein, dass die heute heran wachsenden jungen Menschen zu dem Zeitpunkt uns auf dem Arbeitsmarkt auch als leistungsfähige Menschen zur Verfügung stehen.“

Alternde Menschen, alternde Gesellschaft

Nicht nur als leistungsfähige Arbeitskräfte, sondern auch um den gesellschaftlichen Wandel mit zu gestalten. Hinzu kommt, dass diese jungen Menschen, denen man heute Chancen verweigert, selbst weniger gesund, gebildet und leistungsfähig sind und darunter bis ins Alter leiden.

Physiologisch beginnt das Altern schon kurz nach der Geburt. Nicht nur weil die ersten Zellen schon bald absterben und ersetzt werden, oder weil der Körper jeden Tag fast sein Eigengewicht an Adenosintriphosphat produziert und verbraucht (jenen Stoff, der den Muskeln als Treibstoff dient) sondern, weil bereits in der Jugend die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, was Körper und Geist im hohen Alter noch leisten. Dr. Gerhard Eschweiler Psychiater und Altersmediziner im Geriatrischen Zentrum der Universitätsklinik Tübingen:

„Im Alter nehmen naturgemäß die körperlichen Fähigkeiten ab. Auch bestimmte kognitive oder mentale Fähigkeiten nehmen ab, so zum Beispiel das Gedächtnis. Aber andere Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Konzentrationsfähigkeit, oder die Fähigkeit Worte zu gebrauchen, ja, Dinge in einem Kontext zu sehen, die bleiben doch bis in das ganz hohe Alter stabil, nehmen manchmal sogar in den 60er Jahren noch etwas zu. Das heißt, wir haben letztlich eine unterschiedliche Alterung: Es gibt Bereiche, die sehr gut bleiben; es gibt Bereiche, die im Alter schlechter werden. Und wir können durch körperliches aber auch geistiges Training, bzw. mit Beschäftigung das auch sehr lange aufrecht erhalten.“

Gerhard Eschweiler gehört zur 2006 an der Universität Tübingen gegründeten HELP-Initiative, die erforscht, wie selbständiges und zufriedenes Altern gelingen kann. Während die Frankfurter Forscher mehr die gesamte Gesellschaft im Auge haben, geht es hier eher um den Einzelnen und sein Altern. Das Fundament dafür sollte so früh wie möglich gelegt werden. Übergewichtige Jugendliche oder Magersüchtige haben deutlich schlechtere Voraussetzungen.

Immer häufiger müssen Kindergarten und Schule trotz gesunder Ernährung, aushelfen. Andreas Klocke hält die Gesamtschule für besonders hilfreich:

„Wir können dort kontrollierte, regelmäßige, berechenbare Ernährungsmuster heran ziehen, die dann häufig im Jugendalter auch so verinnerlicht werden und dann auch so in das Erwachsenenalter auch mit transportiert werden, mitgenommen werden. Und da sind durchaus Möglichkeiten die gesundheitliche Biografie, die Gesundheitsbiografie nachhaltig mit zu prägen.“

Ähnlich, wie bei der Gesundheit verläuft auch bei der Bildung der Riss durch die Gesellschaft: Kinder der Wohlhabenden besuchen neben der Schule Musikstunden, Volkshochschulkurse und  Sportvereine. Das können sich Ärmere nicht leisten. Dabei ist das Geld nicht das einzige Hindernis:

„Wir haben viele Initiativen von beispielsweise Musikschulen – bleiben wir dabei – die ganz bewusst an die Hauptschulen gehen und sagen: Schaut her, so etwas bieten wir an, das könnt ihr bei uns besuchen; und die das auch sozial flankieren mit einem deutlichen Abschlag bei den Gebühren. Es ist nicht unbedingt das Geld, das hier steuert, sondern es ist auch die Ferne der so genannten Bildungsfernen Schichten zu genau diesen Kulturgütern. Und das werden wir wahrscheinlich nicht so einfach überbrücken können mit günstigeren Angeboten, sondern hier muss die Schule selbst den Bildungsauftrag ganzheitlich wahrnehmen und diese Elemente in den Regelunterricht stärker mit einbinden.“

Um das eigene Altern, aber auch den demographischen Wandel zu meistern ist also mehr Bildung, von der Kindheit bis ins Alter nötig. Dabei bieten sinkende Schülerzahlen eine einmalige Chance hier mehr zu tun. Am Besten wäre es natürlich, wenn junge Menschen das Meiste schon durch das Vorbild der Eltern vermittelt bekämen.

Allerdings kann sich ein junger Mensch kaum vorstellen, dass der Körper ungefähr ab etwa 18 jedes Jahr durchschnittlich ein Prozent weniger Leistung bringt. Er merkt es zunächst auch kaum. Deshalb bleibt es sehr schwierig, junge Menschen an ein gesundheitsbewusstes Leben heran zu führen. So hat fast ein Viertel der Mittzwanziger bereits einen Hörschaden durch zu laute Musik. Aber: Auch Ältere verdängen oft das kommende Alter:

„Man sollte eigentlich schon anfangen für das Alter zu wappnen, wenn man 40, 50 Jahre alt ist. Zum einen denk ich: Man sollte früh anfangen Sport zu machen, und sich aber auch schon mit den veränderten Rollen auseinander setzen.
Das heißt grade für Berufstätige, die sich nur oder überwiegend durch ihren Beruf definieren ist es wichtig schon ihre Hobbys zu pflegen, ihre sozialen Netze zu pflegen, sonst wird der Einschnitt mit 65 sehr hart. Und dann sehen wir häufiger auch ne Entlastungsdepression.“

Dabei sind Depressionen im Alter nicht häufiger, da es vielen Alten gelingt ihre körperlichen Zipperlein durch gezieltes Training (Sport führt zur Ausschüttung von Glückshormonen) und Konzentration auf ihre verbliebenen Stärken auszugleichen. Die Gesundheits-Bildung müsste sich also von den Jugendlichen, über die Arbeitswelt bis ins hohe Alter fortsetzen. Dazu würde auch gehören, dass man die Arbeitsplätze so gestaltet, dass sie den Bedürfnissen des jeweiligen Alters entsprechen. Die Ärztin Barbara Wilhelm von der Universitäts-Augenklinik in Tübingen nennt ein Beispiel:

Spätestens wenn Arbeitskräfte knapp werden, müssen hier die Unternehmen umdenken
Sie müssen sich um ein Betriebsklima kümmern, dass die Mitarbeiter an die Firmen bindet. Heute leiden vor allem berufstätige Frauen zwischen 50 und 65 – viel stärker als Männer – unter Schlafstörungen, so dass viele dadurch auch eine Einbusse an Lebensqualität beklagen.
Tagesmüdigkeit, Schwerhörigkeit, nachlassende Sehkraft – die meisten Blinden sind heute alte Menschen – , langsamere Genesung, verringerte Reaktionsgeschwindigkeit oder nachlassendes Gedächtnis sind unerfreuliche Nebenerscheinungen des Alterns. Aber viel schlimmer ist das Wegsterben von Verwandten, Freunden und Bekannten und die damit wachsende Einsamkeit. Gerhard Eschweiler:„Das ist, wovor sich die Menschen eigentlich im Alter,
neben vielleicht Schmerzen und Krankheiten, am meisten fürchten.“

Altersarmut verschärft das Problem, wenn das Geld nicht mal mehr reicht, um gemeinsam Kaffee oder ein Bier zu trinken. Die Zahl der Betroffenen wächst, weil es immer mehr Alleinlebende gibt, die oft auch keine Kinder haben, die sich um sie kümmern. In Stuttgart etwa sind mehr als die Hälfte Einpersonen-Haushalte. Singlebörsen im Internet dokumentieren diesen Trend zur Einsamkeit ebenfalls. Dabei spielt auch die Trennung der verschiedenen Altersgruppen eine Rolle. Freizeitangebote für über 50-Jährige bieten zwar Ruhe, verringern aber die Chance Jüngere kennen zu lernen.

Einen Ausweg zeigt Karin Stadelhofer vom Ulmer „Zentrum für angewandte wissenschaftliche Weiterbildung“ (ZAWEW), das auch bei der HELP-Initiative mit wirkt:

„Wir machen ja sehr viele Projekte in Schulen und auch in bürgerschaftlichen Treffen. Und wir stellen fest, dass eigentlich jung und alt, wenn sie zusammen kommen, nicht nur gerne was zusammen tun, sondern sich auch die gegenseitigen Bilder ändern. Das heißt die mitgebrachten auch Vorurteile vom Alter von der Jugend lösen sich auf durch gemeinsames Tun. Und die Schnelligkeit der Jugend und der Erfahrungsreichtum der Älteren zusammen gebracht ist ein wichtiges Kapital für die Zukunft.“

Alternde Menschen, alternde Gesellschaft
Ausdruck 19. Dezember 2007 Seite 5

Bei schrumpfender Bevölkerung kommen auf jeden Menschen mehr Belastung zu. Sven
Stadtmüller befasst sich im Frankfurter „Forschungszentrum für Demographischen Wandel“ mit den Auswirkungen auf Bauten und Orte. Das Leben wird in vielen Fällen wohl noch teuerer:

„Wenn man sich anschaut, wie ist es mit der Abwasserversorgung. Das sind Netze, die auf bestimmte Nutzergrößen eingestellt sind, die dann in Zukunft unterschritten werden, was dann dazu führt, dass diese Anlagen nicht vollständig ausgelastet sind, aber die Gebühren ja trotzdem bezahlt werden müssen. Das heißt die Gebühren werden sich dann auf weniger Menschen verteilen, es wird wiederum zu höheren Kosten für die Menschen führen…“

…und Ähnliches muss man für alle Infrastruktureinrichtungen erwarten, egal, ob das Wasser-, Gas- oder Stromnetze sind, ob Straßen, Gleise, Schleusen, Flughäfen oder kommunale Dienstleistungen, wie Schwimmbad, Bücherei oder Müllabfuhr. Allerdings wird es bei dieser Entwicklung Verlierer und Gewinner geben, Gemeinden, die noch jahrzehntelang wachsen und andere, die die Hälfte ihrer Einwohner verlieren.

Heute schon werden in einigen Orten Schulen geschlossen. Das bedeutet weitere Wege für die übrigen Schüler. Damit werden diese Orte als Wohnorte weniger attraktiv. Im Raum Frankfurt deutet sich schon an, dass Einfamilienhäuser im Grünen seltener gebaut werden, als Mehrfamilienhäuser in der Stadt. Auch steigende Benzinpreise verteuern das Wohnen auf dem Land für Leute, die in der Stadt arbeiten. Sollte es tatsächlich zwischen 2020 und 2030 zu Benzinrationierungen kommen, dann verändert sich das gesamte in Jahrzehnten gewachsene Verkehrsgeschehen in wenigen Jahren. Wird das Privatauto zu teuer, muss der öffentliche Nahverkehr einspringen. Die Aussichten sind zwiespältig:

„Auf der einen Seite durch die abnehmende Bevölkerungszahl könnte man hier abnehmende Nutzerzahlen erwarten; auf der anderen Seite werden Schulen geschlossen, das heißt es müssen dann von den Kindern dann auch wieder längere Fahrten in Kauf genommen werden. Das wiederum ist dem ÖPNV prinzipiell zuträglich.
Ja und auch generell sind ältere Menschen doch dem öffentlichen Personennahverkehr zugeneigter. Dem muss der öffentliche Personennahverkehr entsprechen, dass man eben – simples Beispiel – Fahrkartenautomaten handhabbarer für ältere Menschen macht, oder, dass man Verbindungen schafft des öffentlichen Personennahverkehrs in die Bahnhöfe hinein, dass eventuell die U-Bahn-Linie direkt auf das Gleis in den Bahnhof fährt, solche Dinge sind da mit Sicherheit notwendig.““

Alternde Menschen, alternde Gesellschaft
Ausdruck 19. Dezember 2007 Seite 6

Denn komplizierte hierarchische Menüs bei Automaten, oder mühseliges Treppensteigen schreckt ältere Kunden ab. Dabei bestimmen die über 50-Jährigen schon heute fast die Hälfte des privaten Konsums. Der Anteil wird bei steigendem Durchschnittsalter weiter steigen. Davon profitieren heute auch Tourismus und Kurbäder. Ob das so bleibt, ist bei stagnierenden Renten sowie steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel jedoch fraglich.

„Was wir hier betrachten, erreicht und wohl erst in zehn, fünfzehn Jahren. Aber es müssen häufig schon jetzt Weichenstellungen vorgenommen werden. Und das verlangt von der Politik eine Entscheidungsfindung, die über die Legislaturperioden deutlich hinaus weisen. Und das ist etwas, was der Politik eigentlich nicht selbstverständlich erscheint und da muss dran gearbeitet werden.“

Juni 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Jedenfalls noch junge Menschen sind überrascht über die steigende Zahl von Pflegebedürftigen in unserer alternden Gesellschaft – manche Pflegeforscher glauben eher, es sei ein politisches Manöver, um steigende Pflegebeiträge zu rechtfertigen.

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Kirche & Bodenpersonal, Politik | Kommentieren

Angstloser Kritiker – weil: verkleidet

Über den Schriftsteller Richard Ford wird berichtet, er habe einem Kritiker einmal bei einer Party wegen einer schlechten Besprechung ins Gesicht gespuckt. Zuvor hatte er schon mit einer Schusswaffe auf das Buch einer anderen Kritikerin gefeuert und ihr das durchlöcherte Exemplar per Post zugeschickt. Solche Anekdoten, in denen Kritiker zur Zielscheibe von Racheaktionen der Künstler werden, gehören zur Folklore des modernen ästhetischen Diskurses.

Dass sie durchaus auch mit Verständnis oder sogar Genugtuung erzählt werden, hat eine Erklärung im umstrittenen Status des professionellen Rezensi­ons­wesens. Kritiker sind in der Moderne immer wieder angegriffen worden, als Nörgler und Pedanten, unproduktive Feinde der Kunst, die sich unsensibel über Menschen hermachen, die sich ästhetisch und emotional verausgaben, um für uns Meisterwerke zu schaffen.

Nachdem der Choreograph Marco Goecke im Februar 2023 Wiebke Hüster, die Ballettkritikerin der FAZ, in der Pau­se einer Aufführung an der Staatsoper Hannover mit Hundekot attackiert hatte, konnte man einen Eindruck davon gewinnen, wie unsicher der Status der Kritik in der Gegenwart geworden ist.

 

(mehr …)

Juni 2024 | Allgemein | Kommentieren

« Vorherige SeiteNächste Seite »