Bei einer Verurteilung ohne eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft hätte Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Journalist sein? Trotz vielerlei und alledem! Immer noch. Und, ersst recht: Ja, gern doch …

Julian Assange bekennt sich „der unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig“. Nach 14 Jahren Unfreiheit ist das nachvollziehbar, der Deal legitimiert einmal mehr seine unrechtmäßige Verfolgung durch die USA.
Ja. Ein guter Tag für Julian Assange. Endlich, nach 14 (vierzehn!) quälenden Jahren der Unfreiheit wurde er aus britischer Haft entlassen und durfte in seine Heimat Australien ausreisen. Damit endet ein beispielloser juristischer Skandal, bei dem sich die britische und die schwedische Justiz zum Komplizen eines Rachefeldzugs gemacht haben, während die übrigen Regierungen der westlichen Welt schwiegen. Annalena Baerbock etwa, die sich noch im Wahlkampf für Assange eingesetzt hatte, aber – was Wunder – nicht mehr als deutsche Außenministerin

JA! Späte Gerechtigkeit ist besser als keine – ABER eine minderwertige Gerechtigkeit.

Selbst ein juristisch makelloser Sieg könnte Assange die 14 (vierzehn!) geraubten Jahre seines Lebens nicht rückerstatten.

Darum ist es verständlich, dass er sich auf einen Deal eingelassen hat und sich in den kommenden Tagen bei einer Anhörung in einem pazifischen US-Außengebiet in einem der ursprünglich 17 (siebzehn!) Anklagepunkte – „unrechtmäßige Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen“ – schuldig bekennen wird. Unverständlich bleibt, warum sich die Biden-Regierung so lange für diese Lösung gebraucht und sich die australische Regierung erst nach so langer Zeit für ihren Staatsbürger vermittelt hat.

Für die Pressefreiheit ist dies ein schlechter Tag. Dieser Deal, der es den USA erlaubt, sich „gesichtswahrend“ aus der Affäre zu ziehen, legitimiert Assanges Verfolgung und bedeutet eine Drohung für den investigativen Journalismus. Assange war kein Geheimnisträger, er hat die Weltöffentlichkeit über relevante, teils kriminelle Vorgänge aufgeklärt.

Ob die Arbeitsweise von Wikileaks journalistischen Standards entsprach, ist nach 14 (vierzehn!) Jahren eine müßige Frage. Selbst wenn Assange handwerkliche Fehler gemacht haben sollte, hat er dafür einen hohen Preis bezahlt, während sich kein Verantwortlicher der von ihm aufgedeckten Kriegsverbrechen in Afghanistan und Irak je vor Gericht verantworten musste.

Auch für die westliche Welt ist das ein schlechter Tag. Denn sowohl die Vorgänge, die Wikileaks aufgedeckt hat wie der Umgang mit Assange haben zum Glaubwürdigkeitsverlust der westlichen Welt beigetragen. Was sind diese westlichen Werte wirklich wert, wenn es wehtut? 14 (vierzehn!) Jahre lang konnte man – zur Genugtuung von Autokraten in aller Welt – darauf nicht ohne den Namen Assange antworten.

Das aber wird bleiben:
Auch über diesen gemischten Tag hinaus. tno

 

 

Jun 2024 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas, Politik, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren