BUHubble & NASA, RELICS / From toddlers to babies / CC BY 4.0 CC BY (Ausschnitt)

Unsere Ecke des Universums ist nichts Besonderes. Auf diesem kosmologischen Prinzip beruht ein großer Teil dessen, was wir über den Kosmos wissen. Was aber, wenn dass falsch ist? Vor mehr als 300 Jahren stellte Isaac Newton sein Prinzip der »universellen Gravitation« auf. Aus damaliger Sicht war das eine Revolution: Newton postulierte, dass die mathematischen Gesetze, mit denen sich die Bewegung von Objekten auf der Erde beschreiben lassen, auch die Bewegung von anderen Planeten, Kometen und so weiter beschreiben. Egal, ob ein Apfel zu Boden fällt oder sich der Mond um die Erde bewegt: Das grundlegende physikalische Prinzip und seine mathematische Beschreibung sind identisch. Oder anders gesagt, es gibt Naturgesetze, die im gesamten Universum gelten.

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Mai 2024 | Allgemein, Feuilleton, Sapere aude | Kommentieren
Zu rechts für die Rechten
Maximilian Krah: Die AfD-Delegation im Europaparlament will ihren Spitzenkandidaten aus der Fraktion ausschließen.
Maximilian Krah: SS-Äußerungen des EU-Spitzenkandidaten der AfD hatten zum Bruch mit dem französischen Rassemblement National sowie der italienischen Lega geführt.  (Quelle: Jean-Francois Badias/dpa)
Wenn einen selbst die anderen Rechtsaußen-Parteien verstoßen, sollte man sich Gedanken machen. Die italienische Lega, der französische Rassemblement National, der belgische Vlaams Belang und die tschechische Partei Freiheit und direkte Demokratie haben die AfD im EU-Parlament aus der rechten Fraktion Identität und Demokratie (ID) hinausgeworfen. Zusammen mit der Enthaltung der Dänischen Volkspartei reichte es am Donnerstag für den Ausschluss.
Im Antrag des ID-Chefs Marco Zanni (Lega), der t-online vorliegt, werden als Gründe eine „Reihe von Vorfällen“ genannt, „an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Gruppe beteiligt waren“. Diese hätten dem Zusammenhalt und dem Ruf der Fraktion geschadet. Jüngster Anlass waren verharmlosende Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Krah zur SS. Wie die AfD reagiert hat und was noch hinter dem Ausschluss steckt, berichten meine Kollegen Annika Leister und Julian Seiferth.
Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Besonders kritisch sehen die Menschen im Südwesten den Umgang der Rechtspopulisten mit Russland und China. Der Umfrage zufolge sind knapp drei Viertel der Befragten der Ansicht, die AfD solle ihre Nähe zu Russland und China überdenken. Die AfD-Spitzenpolitiker Maximilian Krah und Petr Bystron sind wegen möglicher Verbindungen zu prorussischen Netzwerken seit Wochen in den Schlagzeilen. Wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche leitete die Generalstaatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen einen AfD-Abgeordneten ein und durchsuchte am Donnerstag mehrere Objekte.

Nach dpa-Informationen handelt es sich dabei um Bystron. Der Bundestag hatte zuvor Bystrons Immunität aufgehoben. Krah steht zusätzlich unter Druck, weil einer seiner Mitarbeiter wegen mutmaßlicher Spionage für China verhaftet wurde. Der sächsische AfD-Politiker ist nach Aussagen kritischer Parteikollegen in der Vergangenheit immer wieder mit pro-chinesischen Äußerungen und Aktivitäten aufgefallen. Beide Politiker haben gegenüber der AfD-Spitze versichert, kein Geld genommen zu haben. Die Parteiführung verweist auf die Unschuldsvermutung.

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Mai 2024 | Allgemein, Gesundheit, In vino veritas | Kommentieren

Der Blick auf die jugendlichen Protagonisten ist eine Mischung aus Distanziertheit und intensiver Nähe:
Ein Sturm zieht auf. Typhoon Club (1985) – einer von gleich drei 1985 erschienenen Filmen des früh verstorbenen japanischen Regisseurs Shinji Sōmais (1948-2001) – erzählt seine Coming-of-Age-Story entlang eines herannahenden, wütenden und schließlich abklingenden Taifuns, der eine Ortschaft im ländlichen Umland Tokios heimsucht. Und er erzählt, metaphorisch gesprochen, von jugendlichen Gefühlsstürmen, die sich inmitten des „Auge des Sturms“ bahnbrechen. Alles gerät ins Wanken.

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Mai 2024 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren

Konstituierende Sitzung des Parlamentarischen Rates (Verfassungsgebende Versammlung zur Ausarbeitung des Grundgesetzes) am 1. September 1948 in Bonn

Was zunächst notgedrungen akzeptiert wurde, hat das Volk in Wahlen und Abstimmungen, gleichsam mit Händen und Füßen angenommen, in Wort und Tat, nicht wenige wohl letztlich auch mit dem Herzen. Heute leben die allermeisten Deutschen die Werte des Grundgesetzes. Geschaffen als Ordnung für eine Übergangszeit, auch für jene Millionen Landsleute unter fremder Herrschaft, „denen mitzuwirken versagt worden war“.

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Mai 2024 | Allgemein, Essay, Junge Rundschau, Politik, Zeitgeschehen | Kommentieren
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Der Parlamentarische Rat am 23. Mai 1949: Das Gremium hatte gemeinsam das Grundgesetz entwickelt. (Archivfoto)  (Quelle: dpa)
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
heute ist ein besonderer Tag. Das fällt allerdings nicht sofort auf. Sie und ich werden vermutlich genauso wie an den meisten Donnerstagen zur Arbeit gehen. In Ihrem Wohnort wird es keine Parade und kein Feuerwerk geben. Es ist auch kein Tag, an dem Sie sich mit Ihren Liebsten treffen und mit dem ein oder anderen Glas anstoßen werden oder Geschenke verteilen.
Debboch
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Konrad Adenauer am 23. Mai 1949: Der damalige Präsident des Parlamentarischen Rates unterzeichnete das Grundgesetz.
In Berlin findet zu diesem Anlass ein Staatsakt statt, unter anderem wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Rede halten. Die Bundesregierung lädt zudem im Regierungsviertel zu verschiedenen Veranstaltungen ein. Damit Sie aber nicht den weiten Weg in die Hauptstadt antreten müssen, hat unsere Redaktion ersatzweise ein kleines Programm zusammengestellt. Bereits seit Mitte April können Sie deutschlandweit auf unseren Infoscreens Videos sehen, in denen wir Grundrechte, Gewaltenteilung und andere Demokratiebegriffe und Fakten erläutern. Auch auf t-online können Sie viel über das Grundgesetz lesen:
  • t-online-Chefredakteur Florian Harms und mein Kollege Marc von Lüpke haben mit dem Historiker Heinrich August Winkler gesprochen. Winkler sagt: Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben damals eine historische Chance genutzt. Deutschland ist laut Winkler zu Recht eine der stabilsten Demokratien der westlichen Welt. Der Historiker warnt aber auch: Noch nie musste sich unsere Gesellschaft so vielen Krisen gleichzeitig stellen.
Das Grundgesetz ist das Fundament unserer demokratischen Gesellschaft. An einem Tag wie heute können wir dankbar sein über diese 146 Paragrafen, die das grundsätzliche Zusammenleben in Deutschland regeln. Manche von ihnen sind unverrückbar, andere haben sich mit den Jahren verändert, wurden ergänzt oder gekürzt. Doch ausgerechnet heute, 75 Jahre nach der Entstehung des Grundgesetzes, ist Sorge angebracht: Denn die Regeln unserer Gesellschaft sind in Gefahr – von innen und von außen. Dagegen kann jeder etwas tun.
Die Feinde, die an diesem Fundament rütteln wollen, fantasieren etwa davon, Menschen nach ihrem eigenen Gutdünken ausweisen zu können und nennen das Ganze „Remigration“. Sie schlagen Politiker krankenhausreif. Sie brüllen auf Demonstrationen antisemitische Parolen und greifen jüdische Mitbürger an. Andere träumen öffentlich von einem Kalifat in Deutschland – und damit von der Abschaffung des Grundgesetzes, das ihnen überhaupt erst die Freiheit gibt, solch krude Thesen vorzutragen. Die Feinde sitzen aber auch in unseren Parlamenten und wollen dort zuerst die Grenzen des Sagbaren verschieben und später irgendwann einmal die Regeln unseres Zusammenlebens umpflügen.
Die Liste wäre damit eigentlich schon lange genug. Doch sie geht auch über unsere Landesgrenzen hinaus. Mittlerweile wissen wir, dass auch in Europa wieder versucht wird, mit Waffengewalt Grenzen zu verschieben. Wir wissen nur noch nicht, wo dieser Prozess des russischen Präsidenten Wladimir Putin enden wird. Darauf sollte sich Deutschland mental wie materiell vorbereiten. Autokraten und Diktatoren scheren sich nicht um staatliche Ordnungen, wenn sie glauben, mit Bomben und Panzern ihre eigenen Regeln durchdrücken zu können.
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Wladimir Putin: Der russische Präsident will die Grenzen seines Landes auf ukrainischem Boden ausdehnen.  (Quelle: Mikhail Klimentyev/Kremlin Pool/imago-images-bilder)
Wie lässt sich das aufhalten? Vielleicht ist es ein Anfang, sich das Errungene in das Gedächtnis zu rufen. Haben Sie das Grundgesetz schon einmal gelesen, also ganz vom Anfang bis zum Ende? Das dauert gar nicht so lange: Digital reicht ein Mausklick dafür. Wenn Sie lieber ein Buch in die Hand nehmen: Die Bestellung ist kostenlos.
Doch jeder von uns kann natürlich noch mehr tun. Aufstehen etwa, wenn vor der eigenen Tür Kommunalpolitiker eingeschüchtert oder angegriffen werden. Und natürlich sollten sich alle genau überlegen, wo sie ihr Kreuz bei jeder Wahl setzen. Die nächste Gelegenheit haben viele Menschen in Thüringen schon an diesem Sonntag bei Kommunalwahlen, in etwas mehr als zwei Wochen folgt mit der Europawahl eine der größten Wahlen der Welt.
Gefordert sind aber nicht nur wir als Einzelpersonen, sondern auch unsere politischen Vertreter. Laut einer neuen Studie des Mercator Forum für Migration und Demokratie (MIDEM) beklagen etwa viele Deutsche die Diskrepanz zwischen Verfassungsnorm und Verfassungsrealität. 95 Prozent der Befragten ist etwa der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Artikel 20a) wichtig, allerdings gibt nur ein Drittel an, dass die gesetzlichen Vorgaben gut umgesetzt werden. Ähnliche Schieflagen gibt es auch bei Parteiverboten (Artikel 21, Absatz 2) und bei Möglichkeiten, direkt die Demokratie mitzugestalten.
Das Grundgesetz muss allerdings nicht nur richtig angewendet werden. Das Parlament sollte es möglicherweise auch an die aktuelle Lage anpassen. Schon länger wird etwa diskutiert, dass alle zentralen Regeln für das Bundesverfassungsgericht in das Grundgesetz aufgenommen werden sollten. Dann wären Änderungen nur noch mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag möglich.
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Richter des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe: Muss das Gericht besser geschützt werden?  (Quelle: imago-images-bilder)
Wer ins Ausland blickt, erkennt leicht, warum eine solche Änderung sinnvoll sein könnte: Autokratische Regierungen in Ungarn oder jüngst noch in Polen haben die Gerichte in den Ländern auf ihre Parteien zugeschnitten und sich so vielen Kontrollmöglichkeiten entledigen können. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat mit der Ernennung mehrerer Richter im Supreme Court die amerikanische Justiz auf Jahrzehnte nachhaltig verändert. Zurückdrehen lassen sich solche Regelungen dann nur noch schwer.
So weit muss es in Deutschland nicht kommen. Sich auf das Schlimmste vorzubereiten, kann allerdings nicht falsch sein. Entsprechende Gespräche zwischen den Ampelparteien und der Union soll es bereits seit einiger Zeit geben. Eine solche große Mehrheit herzustellen, wäre in der aktuellen politischen Lage ein echter Kraftakt. Allerdings hatten es auch die Schöpfer des Grundgesetzes vor 75 Jahren nicht leicht: Um den Gesetzestext rangen Mitglieder von insgesamt sechs Parteien. Jeder kann eben etwas tun.
Nur noch raus
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Maximilian Krah: Der AfD-Europapolitiker wurde im Wahlkampf mit einem Auftrittsverbot verhängt.  (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
Was macht eine Partei mit einem Spitzenkandidaten, den sie nicht mehr loswerden kann, der aber längst untragbar geworden ist? In Echtzeit lässt sich das gerade bei der AfD und Maximilian Krah beobachten: Weil sein Mitarbeiter für China spioniert haben und Krah womöglich selbst Gelder aus China oder Russland erhalten haben soll, hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Vorermittlungen gegen Krah eingeleitet. So wenig wie möglich sollte Krah deswegen ohnehin im Wahlkampf auftreten. Jetzt hat sich Krah unter Druck ganz aus dem Wahlkampf zurückgezogen und seinen Abschied aus dem Bundesvorstand verkündet.
Das Fass zum Überlaufen brachten wohl Krahs jüngste Äußerungen, in denen er die SS verharmloste und dadurch auch zu einem Bruch mit den französischen Rechtspopulisten von Marine Le Pen sorgte.Trotzdem ändert sich für den AfD-Mann gar nicht so viel: Für den Vorstand wollte er ohnehin nicht mehr kandidieren, von der Liste für die Europawahl kann er auch nicht mehr gestrichen werden. Einen Platz im neuen Parlament samt Mitarbeitern und üppigem Gehalt dürfte er ebenfalls sicher haben.
„Alles, was wichtig ist, bleibt dem skandalösen Krah damit“, kommentiert meine Kollegin Annika Leister folgerichtig. Noch sind es knapp drei Wochen bis zur Wahl. Bei der Skandaldichte der vergangenen Tage ist das noch eine Menge Zeit.
Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

seit dem gestrigen Abend ist der britische Premierminister Rishi Sunak in Wien. Ein paar unerkannte Stunden waren ihm gegönnt. Heute in der Früh um 8 empfängt ihn Bundeskanzler Karl Nehammer mit militärischen Ehren. Nach einem rund sechzigminütigen Arbeitsgespräch, das sich um die Ukraine, Gaza und vor allem um das Thema Migration drehen soll, sind Pressestatements vorgesehen. Fragen sind keine zugelassen. Dafür haben die Teams von Nehammer und Sunak eine gemeinsame offizielle Erklärung vorbereitet. Und darin legen beide Seiten ein Bekenntnis dazu ab, mit Drittstaaten zusammenzuarbeiten, um Migranten von irregulären Einreisen abzuhalten. Nehammer gefällt das Ruanda-Modell. Sein britischer Amtskollege drückte unlängst ein Gesetz durch, das es erlaubt, Asylwerber, ganz egal woher sie stammen, in das ostafrikanische Land zu verfrachten, um die Asylverfahren dort abzuwickeln.

Nehammer gefällt die Idee. Er möchte, dass die EU zur Eindämmung irregulärer Migration künftig auf ähnliche Weise mit Drittstaaten – und dabei nicht notwendigerweise mit dem weit entfernten Ruanda – kooperiert. Die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die diesbezüglich bereits in Albanien angeklopft hat, weiß der ÖVP-Kanzler bereits auf seiner Seite, die sozialdemokratische Regierungschefin Dänemarks, Mette Frederiksen ebenso. Auch Dänemark und die baltischen Staaten denken in die Richtung. Mit Sunak eint Nehammer zudem, dass im Herbst Wahlen vor der Türen stehen. Für beide sieht es nicht gerade rosig aus, für den konservativen Tory-Premier sogar zappenduster. Beide brauchen dringend Themen, die ziehen – beispielsweise Migration.

Noch am Montagnachmittag hat sich Karl Nehammer auf X ziemlich eindeutig dazu geäußert, dass Karim Khan, der Chef-Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), nicht nur gegen drei Hamas-Führer (Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyeh), sondern auch gegen den israelischen Ministerpräsidenten (Benjamin Netanjahu) und den Verteidigungsminister (Yoav Gallant) internationale Haftbefehle beantragt hat. „Wir respektieren die Unabhängigkeit des IStGH. Dass die Anführer der Terrororganisation Hamas, deren erklärtes Ziel die Vernichtung des Staates Israels ist, in einem Atemzug genannt werden mit demokratisch gewählten Vertretern eben dieses Staates, ist nicht nachvollziehbar“, schrieb der Bundeskanzler. Ähnlich reagierten die Regierungen der USA, Italiens und Deutschlands. Israelische Politiker waren, quer durch alle Lager, außer sich. Oppositionschef Jair Lapid sprach von einem „völligen moralischen Versagen“: Der empörende Vergleich zwischen Sinwar und Netanjahu sei inakzeptabel. Absurderweise beklagten sich auch Sprecher der Hamas und der PLO darüber, dass der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs „Opfer und Henker“ gleichsetze. Dabei ist völlig klar, dass die Terroristen der Hamas den Gaza-Krieg mit ihrem blutigen Massaker in Israel am 7. Oktober ausgelöst haben.

Warum Chefankläger Karim Khan die Hamas und Israel in einen Topf wirft, weiß nur er. Der britische Anwalt mit pakistanischen Wurzeln hätte schon vor Monaten Haftbefehle gegen die Anführer der Terrororganisation beantragen können. Doch er ließ sich Zeit – und tunkte nun in ein und derselben Erklärung auch die israelische Regierungsspitze ein. Ich habe mir das Statement im Original durchgelesen. Khan wirft darin den drei Hamas-Führern vor, für die Ermordung Hunderter israelischer Zivilisten und die Entführung von mindestens 245 Menschen am 7. Oktober verantwortlich zu sein. Er bezichtigt sie Verbrechen gegen die Menschlichkeit  (Ausrottung, Mord, Vergewaltigung, Folter) und Kriegsverbrechen. Netanjahu und dessen Verteidigungsminister Gallant legt der Chefankläger unter anderem zur Last, das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung eingesetzt zu haben und bewusst Zivilisten angegriffen zu haben. Auch ihnen hält er Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Khans Büro hat monatelang Beweise gesammelt und sich bei der Bewertung auf ein juristisches Beratungsgremium gestützt, dem vorwiegend britische Experten angehören. Als seine Sonderberater fungieren Richter Theodor Meron und die Menschenrechtsanwältin Amal Clooney, die mit dem Hollywood-Star George Clooney verheiratet ist.

Seinen Antrag adressierte Khan an die Kammer 1 des IStGH. Dort werden Richter entscheiden, ob sie die internationalen Haftbefehle erlassen. Insider rechnen damit, dass die Würfel in ungefähr zwei Monaten fallen werden. Israel hat sich ebenso wie die USA, Russland, China, Indien und viele andere Länder nicht dem seit 2002 bestehenden Internationalen Strafgerichtshof unterworfen. Es hat das Römische Statut aus dem Jahr 1998 nicht unterschrieben. Doch 124 Länder weltweit unterstützen den IStGH, darunter die gesamte Europäische Union und seit ein paar Jahren auch der „Staat Palästina“, der international noch gar nicht anerkannt ist. Und diese Staaten wären verpflichtet, die Haftbefehle zu exekutieren. Israels Ministerpräsident könnte nicht mehr nach Europa oder anderswohin reisen, ohne befürchten zu müssen, verhaftet zu werden. Länder wie Österreich oder auch Deutschland stürzt das in ein Dilemma. Denn sie fühlen sich dem Völkerrecht verpflichtet und zu Solidarität mit Israel. Hamas-Führer Haniyeh hätte indes in der Türkei oder seinem langjährigen Exil Katar nichts zu befürchten. Beide Länder erkennen den IStGH nicht an.

Im Iran beginnen heute die fünftägigen Trauerfeierlichkeiten für Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, die am Pfingstsonntag im Grenzgebiet zu Aserbaidschan nach Eröffnung eines Dammes in einem Hubschrauber abgestürzt und tödlich verunglückt sind. Der Crash wird auf schlechtes Wetter oder einen technischen Defekt des überalteten Bell-Hubschraubers zurückgeführt. Doch in Teheran wird angeblich bereits heftig spekuliert, ob nicht der israelische Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte. Dafür gibt es noch keinen einzigen Hinweis. Die Gerüchte schwirren, wie nicht anders zu erwarten war, trotzdem wild umher.

Kurzfristig wird sich am Kurs der Islamischen Republik nichts ändern. Die Teheraner Führung hat ihre Reihen schnell wieder geschlossen. Im Präsidentenamt und im Außenministerium rückten die bisherigen Stellvertreter auf. Doch mittel- und langfristig könnte der Hubschrauber-Absturz noch beträchtliche Folgen nach sich ziehen. Denn Raisi war als Nachfolger des krebskranken Obersten Religiösen Führers, Ali Khamenei, gesetzt. Ein Machtkampf an der Spitze des Mullah-Systems könnte das Land in Turbulenzen stürzen. In den 45 Jahren seines Bestehens hat sich das Regime trotz offenkundiger wirtschaftlicher Unfähigkeit freilich als erstaunlich stabil erwiesen. Das hat zwei Gründe: Die Herrscher in Teheran gehen mit eisenharter Skrupellosigkeit gegen die eigene Bevölkerung vor, und sie haben ihre Macht auf mehrere institutionelle Säulen abgestützt. Wenn ein Pfeiler bröckelt, stehen immer noch andere. Zumindest war das bisher immer so. Das kann sich natürlich auch ändern.

Haben Sie eine schöne Woche

Ihr Christian Ultsch

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Der Platz des verstorbenen Präsidenten Ebrahim Raisi blieb der iranischen Regierungssitzung am Montag frei.
Leitartikel
Die Stunde der Wahrheit für den Iran kommt erst

Das iranische Mullah-Regime hat sich als erstaunlich stabil erwiesen. Es wird vorderhand auch den Tod von Präsident Raisi überstehen. Gefährlich für das System wird jedoch der Machttransfer nach dem nahenden Ende der Ära Khamenei.

Iranerinnen im Zentrum von Teheran mit Bildern des verunglückten Präsidenten Raisi.
Analyse
Was der Tod von Präsident Raisi für das iranische Regime bedeutet

Der Hubschrauber-Absturz von Präsident Raisi hinterlässt eine Lücke in Irans Führung: Er war als Nachfolger von Revolutionsführer Khamenei gedacht. Das System bleibt aber intakt. Vorerst.

Im Imam-Khomeini-Gericht in Teheran.
Iran
Machtkampf der Hardliner im Iran: Die Rolle der Paydari-Front

Auch nach dem Tod des Präsidenten Raisi werden die Hardliner im Iran das Sagen haben. Doch Streitigkeiten in der Fraktion dürften sich zuspitzen.

Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag hat beantragt, dass gegen Israels Regierungschef, Benjamin Netanjahu, und dessen Verteidigungsminister, Joaw Galant, internationale Haftbefehle erlassen werden.
Menschenrechte
Empörung in Israel: Haager Chefankläger beantragt Haftbefehl gegen Premier Netanjahu

Der Ankläger am Internationalen Strafgerichtshof wirft Israels Premier Netanjahu, dessen Verteidigungsminister Galant sowie Hamas-Anführern Verbrechen in Israel und Gaza vor. Nicht nur in Israel ist die Empörung groß: Auch international wird der Chefankläger scharf kritisiert.

Premier Rishi Sunak hat einen Etappensieg erreicht. Das Oberhaus segnete seinen Abschiebepakt mit Ruanda ab.
Großbritannien
Sunak will Migranten abschrecken, doch sein Ruanda-Plan hat Lücken

Das umstrittene Vorhaben der britischen Regierung, irregulär eingereiste Personen nach Ruanda zu bringen, hat eine wichtige Hürde genommen. Bei der Umsetzung könnte es sich aber noch spießen.

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Die Presse

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren
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Was ist eine Meinung?Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.

Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.

75 Jahre Grundgesetz sind ein Grund zu feiern – mit einem Malwettbewerb. (Quelle: ideogram.ai)
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In dieser Woche wird unser Grundgesetz 75 Jahre alt. Unser Kolumnist widmet der Verfassung eine Festrede. Keine Sorge, es wird nicht salbungsvoll. Stattdessen gibt es Klartext zur Feierstunde.

Verehrte Damen, Herren und alle dazwischen, liebe Altdeutsche, liebe Neudeutsche, geschätzte Senioren und hallo Jugend! Unser Grundgesetz: Wir lieben es, alle loben es. Jedenfalls fast alle. Ein paar knurrige Alt-Sozis finden immer noch, wir hätten 1989/90, als die deutsche Einheit passierte, noch mal von vorne anfangen und eine ganz neue Verfassung schreiben sollen. Wahrscheinlich wäre die heute noch nicht fertig, so deutschgründlich wie wir politische Entscheidungen vorbereiten, ohne sie je zu treffen.

Aber damals haben die Ostdeutschen abgestimmt und entschieden: Wir sind dabei, genau bei diesem Grundgesetz. Das war gut so. Deshalb können wir jetzt gemeinsam den 75. feiern.

Wenn der Herr Bundespräsident, die Frau Bundestagspräsidentin und der Herr Bundeskanzler in diesen Tagen über das Grundgesetz reden, ist ganz viel von Freiheit die Rede, von Demokratie, von den Grundrechten, die jede und jeder von uns hat, weil es diese famose Verfassung gibt. Ja, das ist schön.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die „Stuttgarter Zeitung“, die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“. Er ist Herausgeber von „Horizont“, einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt. Bei-tonline erscheint jeden Dienstag seine Kolumne „Elder Statesman“.

Aber, sehr geehrte Leser- und Userschaft, die Spitzen unseres Staates neigen auch dazu, die Sache etwas schönzureden. Lassen Sie uns deshalb hier, wo wir unter uns sind, offen reden. Sie werden sehen, es hapert an der einen oder anderen Stelle. Im Artikel 3 zum Beispiel heißt es in der unverschnörkelten Sprache von damals: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Das war 1949 eine Vision, keine Beschreibung der Realität. Ehemänner durften das Arbeitsverhältnis ihrer Frau kündigen, sie hatten die letzte Entscheidung in allen Eheangelegenheiten. Sein Name war der Familienname, basta. Erst 1996 (!) wurde die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe gestellt.

Und heute? Heute sind Frauen und Männer in rechtlicher Hinsicht gleichgestellt, insofern können wir einen Haken an den Artikel 3 machen. In rechtlicher Hinsicht! Im Alltagsleben gibt es aber noch Probleme, und zwar alte und neue.

Fünf Jahre habt ihr noch Zeit

Ein altes Problem: Frauen verdienen weniger als Männer. Auch, wenn sie denselben Job machen. Ob der „Gender Pay Gap“ nun 18 Prozent beträgt, wie das Statistische Bundesamt sagt, oder 6 Prozent, wie auch das Statistische Bundesamt sagt (einmal rechnet man so, einmal anders), spielt hier keine Rolle. Tatsache ist: Frauen werden oft schlechter bezahlt als Männer, trotz 75 Jahren Artikel 3. Wenn ich Bundespräsident von Deutschland wäre, würde ich Dax-Konzernen, den Hidden Champions im Mittelstand, unseren Handwerksbetrieben und der Start-up-Szene mal eine Ansage machen: Macht euch einen Plan, wie ihr das ändert. Fünf Jahre habt ihr noch Zeit, aber ich möchte zum 80. nicht noch mal darüber reden müssen.

Ein anderes altes Problem: Frauen leisten mehr Care-Arbeit, wie wir das familiäre Engagement neuerdings nennen. Und im Alter bekommen sie dann systematisch weniger Rente. Das passt nicht zum Grundgesetz. Ich vermute, über ein neueres Problem werden die Spitzen unseres Staates in den nächsten Tagen lieber schweigen.

Deutschland kann anstrengend sein

Darüber zu reden könnte den festlichen Charakter des Jahrestags stören. Also, verehrte Neudeutsche, Noch-nicht-Deutsche und Menschen aller anderen Nationalitäten in unserem Land: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Sagen Sie doch bitte Ihren Jungs, dass die Lehrerin eine Respektsperson ist, deren Wort in der Schule gilt. Wenn am Krankenbett eine Ärztin erscheint, rufen Sie nicht nach einem Arzt. Bei uns sind nicht nur Männer Chefs. Ehefrauen und Töchter entscheiden selbst, was sie anziehen. Sie sind in das Land mit diesem wunderbaren Grundgesetz gekommen, das hat sicher seinen Grund. Frieden, Freiheit, Zukunft: Deutschland hat viel zu bieten.

Aber Deutschland kann auch anstrengend sein. Liebe Gläubige, liebe Ungläubige, die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. Das steht im Grundgesetz, Artikel 4. So viele Länder gibt es gar nicht auf der Welt, in denen die Menschen selbst entscheiden können, ob sie in die Kirche gehen oder in die Moschee oder in die Synagoge, zu welchem Gott sie beten, ob ein Buddha sie erleuchtet oder ob spiritueller Schmuck aus dem peruanischen Hochland ihnen Kraft und Energie gibt.

Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Der berühmte Satz Winston Churchills wird gern bemüht, um Zweifel am Geltungsanspruch demokratischer Staaten beiseite zu wischen. Aber kein Staatswesen ist vollkommen, und eine Demokratie ist kein fester Zustand, der entweder gilt oder nicht gilt.

 

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Mai 2024 | In Arbeit | Kommentieren

„Ach müsste das schön sein – ein Häuschen mit Garten“

Vor kurzem hat Forbes Dutzende von Grundbuchaufzeichnungen in Dubai durchsucht und sie mit Informationen aus Unternehmensanmeldungen für Binance-Unternehmen in Malta abgeglichen. Dadurch wurde schließlich Zhaos tatsächliches Zuhause in Dubai aufgedeckt, eine 1.077 Quadratmeter große, sechs Zimmer umfassende Wohnung im 118, einem Luxuswohnturm im Herzen der Innenstadt, den er im Oktober 2021 für 13,5 Mio. US-$ gekauft hat. Zhao ist nicht der einzige Milliardär, dessen jüngste Immobilienkäufe in Dubai von Forbes untersucht wurden. Im Jahr 2022 gab Mukesh Ambani – Asiens reichste Person – insgesamt 238 Mio. US-$ für zwei Villen auf Palm Jumeirah aus.

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Mai 2024 | Allgemein, In vino veritas, Kirche & Bodenpersonal, Politik, Sapere aude | Kommentieren

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