Die Fraktion Identität und Demokratie (ID) des Europäischen Parlaments hatte einen Antrag auf Ausschluss der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) gestellt. Diesem wurde gerade stattgegeben. Aber: Nicht nur!
Dies nämlich geschieht zu einem Zeitpunkt, zu dem lokale Nachrichtenberichte darauf hindeuten, dass die AfD Pläne hatte, eines ihrer umstrittensten Mitglieder, Maximillian Krah, auszuschließen, um einen Rauswurf aus der ID zu vermeiden.
Gestern verbot die AfD ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl, Krah, den Wahlkampf für die kommende EU-Wahl. Daraufhin trat er auf parteiinternen Druck hin von der Führungsrolle zurück.

Krah war kürzlich in Kritik geraten, nachdem er einer italienischen Zeitung gesagt hatte, dass nicht alle Mitglieder der nationalsozialistischen Eliteeinheit SS, die im Zweiten Weltkrieg an schweren Kriegsverbrechen beteiligt war, Kriegsverbrecher seien.

Krah reagierte, indem er auf X, früher Twitter, schrieb, dass „tatsächliche und differenzierte Aussagen“ „missbraucht“ würden, um der Partei zu schaden, die gerade jetzt „Einheit“ brauche.
„Aus diesem Grund werde ich mit sofortiger Wirkung auf weitere Wahlkampfauftritte verzichten und als Mitglied des Bundesvorstandes zurücktreten“.

Assistentin letzten Monat verhaftet

Der 47-Jährige war bereits in die Kritik geraten, nachdem die Brüsseler Behörden seine Büros im Europäischen Parlament im Zusammenhang mit einem verhafteten Assistenten durchsucht hatten.
Der Skandal kommt für die Partei zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn die AfD hoffte, bei der Europawahl im Juni große Gewinne zu erzielen.
Deutsche Medien haben Krah Verbindungen zu China und Russland unterstellt. Sein Kollege, Petr Bystron von der AfD, wies im vergangenen Monat in einer tschechischen Tageszeitung Behauptungen zurück, wonach er Geld von einem pro-russischen Netzwerk erhalten haben könnte.
Der AfD-Parteivorstand erklärte kürzlich, es habe „im laufenden Wahlkampf einen massiven Schaden für die Partei gegeben, für den der Spitzenkandidat den Vorwand geliefert hat.“

Polizei durchsucht Büros von AfD-Politiker Krah wegen chinesischer Spionage

„Rote Linie überschritten“: Le Pen Partei bricht mit AfD wegen SS-Verharmlosung von Maximilian Krah
AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah zieht sich aus Bundesvorstand zurück

Kandidat der Grünen kritisiert rechtsextreme Präsenz in der EU

Die Spitzenkandidatin der Europäischen Grünen, Terry Reintke, sagte heute vor Reportern im Europäischen Parlament in Brüssel, die Rechtsextremisten, „insbesondere die AfD, seien Putins verlängerter Arm in der Europäischen Union“. Dies sei eine „große Gefahr für die Europäische Union“, sagte sie.
Terry Reintke , deutsche Politikerin der Grünen, posiert derweil mit anderen Politikern vor einer Debatte im Europäischen Parlament in Brüssel:
„Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Rechtsextremen nicht nur die Europäische Union zerstören wollen, sondern auch unsere Demokratie. Deshalb werden wir keine Mehrheiten mit ihnen bilden und auch alles daran setzen, dass die Rechtsextremen im nächsten Europäischen Parlament so schwach wie möglich vertreten sind.“

Die AfD – selbst den Rechten zu rechts – wurde eben drum
gerade aus extrem rechter Fraktion ID im EU-Parlament ausgeschlossen

Italiens Lega beantragte wegen Eskapaden rund um den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah den Rauswurf aller neun deutschen Mandatare. Die FPÖ hielt bis zuletzt zu Krah …

Knapp drei Wochen vor der EU-Wahl von 6. bis 9. Juni ist es am Donnerstag zu einem Eklat in der Fraktion der extrem rechten Parteien im Europäischen Parlament gekommen: Alle AfD-Europaabgeordneten wurden aus der ID-Fraktion ausgeschlossen. Ein entsprechender Antrag von Fraktionschef Marco Zanni habe die erforderliche Unterstützung bekommen, sagten mehrere Fraktionsvertreter der Deutschen Presse-Agentur. Zanni stammt von der italienischen Lega und begründete seinen Antrag auf sofortigen Ausschluss der deutschen Abgeordneten mit „der Reihe von Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation der Gruppe beteiligt waren“. Die Vorfälle hätten „dem Zusammenhalt und dem Ruf der Fraktion geschadet“.

Die Fraktion vereint unter dem Namen „Identität und Demokratie“ EU-Mandatare von rechtspopulistischen und extrem rechten Parteien, darunter die FPÖ, der belgische Vlaams Belang, die Freiheitspartei (PVV) des Niederländers Geert Wilders, der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen und die Lega aus Italien.
Über den Ausschlussantrag wurde in einem fraktionsinternen schriftlichen Verfahren abgestimmt. Die FPÖ stimmte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dagegen, genauso wie die estnische Partei EKR. Die APA konnte die FPÖ-Delegation im Europaparlament vorerst nicht für eine Stellungnahme erreichen. Nach Angaben der Deutschen Presseagentur stimmten die Lega, der RN, Vlaams Belang, die Dänische Volkspartei sowie die tschechische Partei Freiheit und direkte Demokratie für den Ausschluss.

Aus der Traum von einer Großfraktion

Das Zerbrechen der ID-Fraktion so unmittelbar vor dem Wahltag ist ein schwerer Rückschlag für die Rechts-außen-Gruppe. Unter anderem hatte sie gehofft, durch einen Zusammenschluss mit der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) nach einem entsprechenden Wahlerfolg zur zweitstärksten Fraktion noch vor den Sozialdemokraten (S&D, 142 Mandate) aufzusteigen und das Geschehen im EU-Parlament stärker zu dominieren. Harald Vilimsky, der Delegationschef der FPÖ, war einer der vehementesten Verfechter dieser Strategie.

Die AfD liegt in Umfragen zur Europawahl derzeit bei 17 Prozent, kann also mit ungefähr so vielen Mandaten rechnen. Aus Deutschland kommen insgesamt 96 EU-Abgeordnete. Der Ausschluss begrenzt nun die ID in ihren Möglichkeiten.

Spionagevorwürfe und SS-Sager

Überraschend ist diese Entwicklung nicht, aber doch peinlich für Vilimsky. Er hatte sich bis zuletzt für Krah in die Bresche geworfen, ihn gegen Vorwürfe der Spionage für Russland ebenso verteidigt wie für extreme Aussagen. Die Vorwürfe gegen den Deutschen und einen seiner Mitarbeiter, der wegen mutmaßlicher Spionage für China in U-Haft sitzt, waren für Vilimsky eine „Kampagne“ der politischen Gegner.
Aber die Lega und zuvor die Partei Le Pens sahen das nun anders. Marine Le Pen, die in Frankreich 2027 bei den Wahlen um das Amt der Staatspräsidentin antritt, vollzog den Bruch mit der AfD. Ihr Parteichef Jordan Bardella, der selbst EU-Abgeordneter ist, begründete das mit dem „Überschreiten von roten Linien durch die AfD“, die seit 2019 in der ID-Fraktion war.
Rund um Krah hatte die AfD in Deutschland seit Wochen für Schlagzeilen gesorgt, geriet schwer unter Druck. Nach den Spionagevorwürfen stufte ein Gericht die Partei erneut als verfassungsfeindlich ein, weshalb der deutsche Verfassungsschutz sie weiter beobachten darf. Krah gab in einer italienischen Zeitung ein Interview, in der er sich zu der Aussage verstieg, dass nicht alle SS-Männer übel gewesen seien. Dazu kommt, dass auch die Nummer zwei auf der EU-Wahlliste der AfD, Petr Bystron, Gegenstand von Korruptionsermittlungen ist. Er soll gegen Geld Propaganda des Kreml unterstützt haben.

Was Wunder – Einspruch der AfD-Delegation

Am Donnerstagmittag hieß es laut der Agentur dpa, mehrere AfD-Mandatare hätten gegen den Ausschluss Widerspruch eingelegt und verlangt, dass nur Krah ausgeschlossen werde. AfD-Delegationsleiterin Christine Anderson verlangte, dass sie angehört werden. Ob das Erfolg hat, war jedoch von vornherein fraglich. Die Lega und die Le Penisten stellen mehr als drei Viertel der gesamten Fraktion, der auch die Freiheitspartei des Niederländers Geert Wilders angehört, allerdings nur formell, weil ein PVV-Abgeordneter aus der ID ausscheiden musste.
Das Aufräumen mit der AfD in der ID-Fraktion dürfte mit dem Versuch verbunden sein, sich einen seriöseren Anstrich zu geben, um eine Annäherung an die EKR-Fraktion zu ermöglichen. Das will zumindest Le Pen, die auch einer Aufnahme der Fidesz des ungarischen Premiers Viktor Orbán positiv entgegensehen würde, trotz dessen Putin-freundlichen Kurses.
Gegen diesen Versuch stellen dürfte sich allerdings die Fratelli-Partei der italienischen Premierministerin Georgia Meloni, die selbst für ein EU-Mandat kandidiert (was in Italien möglich ist). Ihrer Partei wird eine Verfünffachung der EU-Mandate auf gut 25 prognostiziert. Meloni strebt dann die Führung in der EKR an, anstelle der polnischen Nationalpopulisten von der PiS. Meloni fährt einen Pro-Ukraine und Anti-Putin-Kurs, was sie massiv von der AfD und der FPÖ unterscheidet, aber auch von der Lega. Sie ist als EU-Partnerin konstruktiv und kann nicht mit der Lega ihres Vizepremiers Matteo Salvini. Dass Fratelli und Lega sich in einer EU-Fraktion in Straßburg wiederfinden, gilt derzeit als unwahrscheinlich.

Mai 2024 | Allgemein, In vino veritas | Kommentieren