
Hallo, Hier. Hallo – hier ist auch was versunken
Der Europawahlkampf der AfD versinkt im Chaos. Der Spitzenkandidat Maximilian Krah hat sich mit seinen Äusserungen zur SS endgültig selbst ins Aus katapultiert. Er ist unübersehbar zur Belastung für seine Partei geworden. Das haben selbst diejenigen in der Parteiführung einsehen müssen, die ihm bisher die Treue hielten. Krah wird im verbleibenden Wahlkampf nicht mehr auftreten und der Herzkammer der Macht, dem AfD-Bundesvorstand, allerdings nicht mehr angehören.
Schon jetzt kann man freilich sagen, dass der 47-Jährige in der künftigen Gruppe der AfD im Europäischen Parlament allenfalls die Rolle eines Hinterbänklers einnehmen wird.
Es ist der beispiellose Absturz eines Politikers, der mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein gestartet war. Einsicht in der Sache zeigt er freilich auch nach seiner Kaltstellung nicht. Zuzuschreiben hat sich die AfD dieses Desaster kurz vor der wichtigen Europawahl ganz allein. Es hatte an Stimmen innerhalb der Partei nicht gemangelt, die vor einer Aufstellung Krahs als Spitzenkandidat warnten. Er und die Nummer zwei auf der Liste, Petr Bystron, galten auch vielen Parteifreunden als unberechenbar und hinsichtlich ihrer Haltung zu Russland und China angreifbar. Insofern handelt es sich um einen Unfall mit Ansage.
Krahs Äusserungen sind – zumindest – instinktlos
Doch es waren letztlich nicht Krahs antiwestliche, prochinesische Einstellungen in der Aussenpolitik, die ihn zu Fall brachten. Krah wurde vielmehr die Geschichtspolitik zum Verhängnis, was kein Zufall ist. Sein Missverständnisse provozierendes Mantra, die Deutschen sollten stolz sein auf ihre Vorfahren, diese seien keine Verbrecher gewesen, lud die italienische Zeitung «La Repubblica» jetzt ein, zu fragen, ob dies auch für Angehörige der SS gelte. Dass Krah eine Antwort darauf vom Einzelfall abhängig machen wollte, entsprach genau dieser Linie.
Mögen Historiker darüber urteilen, ob seine Weigerung, zu generalisieren, in der Sache richtig war oder nicht: Politisch instinktlos war sie ohne Frage. Man muss schon über ein gerüttelt Mass an Weltfremdheit verfügen, um zu glauben, man könne im europäischen Ausland historische Gerechtigkeit für die Mitglieder der SS einfordern. Erste Reaktionen von Politikern der Rechten aus Frankreich oder Italien sprechen Bände.
Ein Ausrutscher sind Krahs Aussagen nicht. Er ist Exponent einer Denkrichtung, die die AfD unabhängig machen will von der Logik der etablierten Politik und Öffentlichkeit. Die AfD soll demnach keine an die politische Mitte anschlussfähige konservative Kraft sein, die auf Koalitionen schielt, sondern eine Rechtspartei, die sich um ihre Anschlussfähigkeit nicht zu scheren braucht. Allein so käme sie zu Mehrheiten aus eigenem Recht. Der sich darin ausdrückende Grat zwischen Selbstbewusstsein und Sektierertum ist schmal. Krah ist der Balanceakt nicht gelungen.
Die Spaltung der europäischen Rechten
Dass es nun europäische Rechtsparteien sind, die der AfD nach Krahs Äusserungen die Gemeinschaft aufkündigen, lässt die in der Partei sonst üblichen Abwehrreflexe verstummen. Die AfD kann nicht mehr so tun, als werfe ihr einzig eine linke und feindselig gestimmte deutsche Öffentlichkeit NS-Verharmlosung vor. Man wird Marine Le Pen oder Matteo Salvini schliesslich nicht mit übertriebener Linkslastigkeit in Verbindung bringen können. Gewiss, vor allem bei Le Pen hat sich der Bruch mit der AfD schon länger angedeutet. Insofern ist die Empörung über Krahs Äusserungen in ihrem Fall eher Anlass denn Grund.
Die sich abzeichnende Spaltung der europäischen Rechten zwingt die AfD nun zu einer Richtungsentscheidung. Sie würde sich täuschen, sollte sie glauben, mit der Kaltstellung Krahs kämen die Dinge schon wieder ins Lot. Setzt sie den Weg fort, den Krah und seine Unterstützer ihr weisen wollen, dürfte der Weg zur ostdeutschen Nischenpartei vorgezeichnet sein.