Behörden befürchten nun, dass die Volksrepublik persönliche Daten der Nutzer unter ihre Kontrolle bringen und die öffentliche Meinung manipulieren kann. Der chinesische Konzern Bytedance stellt sein umstrittenes Bonusprogramm der App Tiktok Lite ein und hat die von der Europäischen Union (EU) geforderte Risikoeinschätzung für die neue App am Dienstag eingereicht. Damit wendet der Konzern, der für die besonders bei Jugendlichen beliebte Plattform Tiktok bekannt ist, eine Strafzahlung vorerst ab.
Die EU-Kommission hatte am Montagabend mitgeteilt, sie werde prüfen, ob die App die psychische Gesundheit von Jugendlichen gefährde und damit gegen EU-Regeln verstoße. „Wir vermuten, dass Tiktok Lite genauso giftig ist und süchtig machen könnte wie Zigaretten ‚light‛“, sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton.
Das „Lite“ im Namen bezieht sich darauf, dass die App weniger Daten verbraucht und weniger Speicherplatz benötigt. Das Besondere ist aber vor allem ein Bonusprogramm der App. Nutzer erhalten dort Punkte für jedes angesehene, gelikte oder geteilte Video. Die Punkte können gegen geringe Beträge in Gutscheine eingetauscht und für Einkäufe im Internet benutzt werden.
Kritiker befürchten, dass damit ein erhöhtes Suchtpotenzial einhergeht. Diese Funktion soll offiziell nur für Nutzer ab 18 Jahren erlaubt sein. Nach Angaben der Kommission, sei allerdings unklar, wie der Konzern das gewährleisten wolle.
Tiktok reagierte auf den Druck der Kommission und stellt das Bonuspunkte-Programm auf Tiktok Lite für 60 Tage vorübergehend ein: „Tiktok ist stets um einen konstruktiven Dialog mit der EU-Kommission und anderen Regulierungsbehörden bemüht“, verkündete das Unternehmen auf der Plattform X, vormalig Twitter. „Wir setzen daher die Belohnungsfunktionen in Tiktok Lite freiwillig aus, während wir uns um die geäußerten Bedenken kümmern.“
„Keine Versuchskaninchen“
„Unsere Kinder sind keine Versuchskaninchen für soziale Medien“, äußerte sich Breton daraufhin. Die Kommission hatte Tiktok mit täglichen Geldbußen gedroht, die bis zu einem Prozent des weltweiten Umsatzes hätten betragen können. Bytedance selbst legt seine Zahlen nicht offen. Schätzungen zufolge lag der weltweite jährliche Umsatz 2023 etwa bei 120 Milliarden Dollar.
Die App Tiktok Lite ist bereits seit Kurzem in
Frankreich und Spanien auf dem Markt
In Deutschland ist sie noch nicht verfügbar. Bytedance unterliegt als besonders großer Onlinedienst der Regulierung im Rahmen des europäischen Digital Services Act (DSA). Dieser verbietet unter anderem sogenannte „Dark Patterns“, also manipulative Praktiken, mit denen Kunden auf den Plattformen gehalten oder zu Käufen animiert werden.
Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz Internetkonzerne dazu, ein Risikomanagement einzurichten sowie verstärkt gegen Hass und Hetze im Internet vorzugehen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.
Der Nähe zur chinesischen Regierung wegen stehen Bytedance und Tiktok
in zahlreichen Ländern unter Spionageverdacht
Behörden befürchten, dass die Volksrepublik persönliche Daten der Nutzer unter ihre Kontrolle bringen und die öffentliche Meinung manipulieren kann. In mehreren ist Tiktok auf Diensthandys von Beamten und Regierungsvertretern verboten. Bytedance und die chinesische Regierung haben die Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen.
Unter dem DSA läuft gegen Tiktok in der EU noch ein weiteres Verfahren. Bestrebungen, Tiktok aus sicherheitspolitischen Gründen zu zerschlagen, gibt es in Brüssel nicht. Auch die Kommission hat allerdings im vergangenen Jahr die App von den Diensthandys ihrer Mitarbeiter verbannt.
Ultimatum aus den USA
Die USA wollen indes einen Eigentümerwechsel bei der App erzwingen. Die Parlamentarier stimmten am späten Dienstag mit großer Mehrheit für ein Gesetz, das Bytedance dazu verpflichtet, sein US-Geschäft binnen eines Jahres zu verkaufen.
US-Präsident Joe Biden muss das Gesetz noch unterzeichnen, damit es in Kraft tritt Er hat bereits signalisiert, dies rasch tun zu wollen. Anschließend bleiben Bytedance neun Monate Zeit, einen Käufer für das US-Geschäft von Tiktok zu finden. Diese Frist kann um drei Monate verlängert werden, wenn der US-Präsident der Ansicht ist, dass sich die Transaktion ihrem Abschluss nähert.
Sollte das US-Geschäft nicht verkauft werden,
wird der Zugriff auf die Internet-Plattform blockiert
„Jahrelang haben wir der Kommunistischen Partei Chinas erlaubt, eine der beliebtesten Apps Amerikas zu kontrollieren, und das war gefährlich kurzsichtig“, sagte Senator Marco Rubio, der führende Republikaner im Geheimdienstausschuss.
Der US-Senat will die chinesischen Kurzvideo-Plattform Tiktok dazu zwingen, sich in den Vereinigten Staaten vom Mutterkonzern Bytedance zu lösen – ansonsten droht ein Verbot. Der Kurzvideo-App wird eine Nähe zur chinesischen Regierung vorgeworfen.
Tiktok äußerte sich zunächst nicht zu der Entscheidung des US-Senats. Die Videoplattform hatte ein mögliches Verbot zuvor bereits kritisiert und es als Angriff auf die Meinungsfreiheit bezeichnet. Sie wird voraussichtlich gerichtlich dagegen vorgehen. „Dies ist erst der Anfang, nicht das Ende“, hieß es in einem Tiktok-Rundschreiben vom Wochenende. Auch in der EU läuft ein weiteres Verfahren gegen die Standard-App Tiktok.