Wir Alten – also wir meinen doch, die Welt zu kennen. Aber was weiß denn ein „Alter wie ich schon von der Jugend? Ganz ehrlich: Wenn ich in der Straßenbahn, auf der Straße oder bei YouTube junge Leute reden höre, verstehe ich oft nur Bahnhof.
Die – meisten – Jugendlichen sprechen nicht nur eine andere Sprache, sondern haben auch ganz andere Themen als wir Alten drauf. Ich will das zwar nicht werten, aber nachdenklich macht mich das dann doch.

Ws Wunder, mag man denken – Aber hat man nicht als junger Mensch einen von der Natur eingepflanzten Grundoptimismus, birst man da nicht vor Kraft und Zuversicht, will noch die ganze Welt umkrempeln? So ähnlich war das bei mir damals.
Heute hat sich das – wie ja fast alles andere auch – geändert.

Und, in der Tat ist vieles anders,
wie sich zahlreichen Studien entnehmen lässt

Die Mehrzahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen schaut demnach besorgt in die Zukunft, ist geplagt von Zweifeln und Ängsten – und legt großen Wert auf das, was man heutzutage im Manager-Sprech „Work-life-Balance“ zu nennen beliebt. Bitte nicht zu viel arbeiten, bitte ganz viel Freizeit, und im Zweifel geht immer das persönliche Befinden vor. Mit dieser Einstellung könnte es schwer werden, die zahlreichen Herausforderungen der Gegenwart zu meistern.

Ist die – viel beschworene – Generation Z 
zu bequem für diese Welt?

Kann sie Verantwortung übernehmen? Und warum tendieren so viele junge Leute zu konservativen Einstellungen? Bahnt sich gar eine gesellschaftliche Radikalisierung an? Dräuende Fragen, auf die wir Antworten suchen.

Jugend – pessimistisch wie nie zuvor …

Eine Studie mit mehr als 2.000 Befragten zeigt: Die junge Generation in Deutschland blickt düster in die Zukunft. Viele klagen über mentale Belastung und sind politisch unzufrieden.

„Unsere Probleme werden einfach von der Politik“ nicht gesehen, sagt Niklas. Der 16-Jährige steht mit seinen Freunden auf einem Bolzplatz in Heidelberg. „Natürlich sind wir gestresst wegen der Schule. Aber auch jedes Mal, wenn ich Nachrichten auf dem Handy lese, ist das frustrierend.“

Die unsichere Weltlage, die Kriege, das Klima, das würde sie alle sehr belasten. „Keine Ahnung, wie mein Leben in 20 Jahren aussieht. Wir haben keinen Plan, wie unsere Welt dann noch aussehen wird.“ Mit diesen Gedanken sind Niklas und seine Freunde nicht allein. Das zeigt die Studie „Jugend in Deutschland“, die seit 2020 regelmäßig von einem Jugendforschungs-Institut durchgeführt wird.

Stimmung scheint zu kippen

Im Vergleich zu früheren Studien scheint die Stimmung derzeit zu kippen. Das zeigt sich an einem hohen Ausmaß von psychischen Belastungen wie Stress, den 51 Prozent der Befragten angeben. Ähnlich zur Erschöpfung (36 Prozent) und der Hilflosigkeit (17 Prozent), die in den vergangenen drei Jahren trotz des Abflauens der Corona-Pandemie weiter angestiegen sind. Es geben elf Prozent (!) der Befragten an, aktuell wegen psychischer Störungen in Behandlung zu sein.

Corona hat grundsätzlich verändert,
wie junge Menschen in die Zukunft blicken

Auch die wirtschaftliche Lage bedrücke sie. Die Mehrheit der Befragten geht davon aus, dass sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland verschlechtern wird. „Unsere Studie dokumentiert eine tiefsitzende mentale Verunsicherung mit Verlust des Vertrauens in die Beeinflussbarkeit der persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen“.

Positive Vision?

„Die Aussicht auf ein gutes Leben schwindet. Die große Frage für alle Akteure in der Gesellschaft wird sein, wie sie junge Menschen für eine positive Vision im Land begeistern und sie an Veränderungsprozessen beteiligen können“.
Niklas und seine Freunde erzählen auf dem Bolzplatz, dass sie bei einigen Demonstrationen dabei waren, auch bei Fridays for Future. „Der Klimawandel macht uns schon Sorgen und ich kann nicht verstehen, wieso da keiner was tut und jetzt handelt“, sagt Niklas. Sie sind interessiert an dem Thema, wie viele an ihrer Schule. Doch in einer politischen Partei will er sich nicht engagieren.
Fast der Hälfte der Befragten macht die Entwicklung des Klimas Sorgen und sie glauben, dass in Deutschland zu wenig für Umweltschutz getan wird.

Angst vor Inflation und Altersarmut

Die großen Sorgen der jungen Menschen in Deutschland aufgrund von Inflation (65 Prozent), teurem Wohnraum (54 Prozent) und Altersarmut (48 Prozent), aber auch die Spaltung der Gesellschaft (49 Prozent) oder die Zunahme von Flüchtlingsströmen (41 Prozent) führen zu hoher Unzufriedenheit der jungen Generation mit ihrer Lebenssituation und den politischen Verhältnissen.
Das Potential für rechtspopulistische Einstellungen in der jungen Generation habe sich deutlich verstärkt, wie ein Vergleich mit früheren Studien zeigt. „Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen. Das schlägt sich in den politischen Präferenzen der 14- bis 29-Jährigen nieder. Während die Parteien die Ampelregierung in der Gunst immer weiter haben absinken lasseb, hat die AfD besonders großen Zulauf“, sagt Studienautor und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann von der Hertie School Berlin.

Zur Methodik der Studie

Die Studie „Jugend in Deutschland“ basiert auf einer Online-Befragung von 2.042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren. Die Studie wird seit dem Jahr 2020 in regelmäßigem Abstand wiederholt. 

Die Stichproben wurden so zusammengestellt, dass sie der soziodemografischen Altersstruktur der deutschsprachigen Gesamtbevölkerung in Deutschland der jeweiligen Altersgruppe entsprechen. Der Erhebungszeitraum der Befragung erstreckte sich vom 08. Januar bis zum 12. Februar 2024.

AfD als stärkste Partei

Es sei der AfD gelungen, sich als Protestpartei für die Ampel und als mutmaßlicher Problemlöser für die aktuellen Sorgen der Jugend anzubiedern. Die AfD stehe laut ihrer Befragung mit 22 Prozent aktuell an der Spitze der Wählergunst bei den unter 30-Jährigen (2022: 9 Prozent). AfD und CDU/CSU hätten stark in der Gunst zugelegt, die Regierungsparteien enorm verloren.

Demnach würden sich 20 Prozent für die CDU entscheiden (2022: 16 Prozent). Alle weiteren Parteien verlieren bei der jungen Generation Stimmen: Die Grünen liegen in der Gunst der jungen Wähler zur Zeit bei 18 Prozent (2022: 27 Prozent), die SPD bei 12 Prozent (2022: 14 Prozent), die FDP bei acht Prozent (2022: 19 Prozent). Ein Viertel bezeichnete sich als noch unentschlossen.

Pessimismus und Sorgen bei jungen Leuten sorgt
laut Jugend-Studie für Rechtsruck

Es fällt auf, wie nüchtern die Jugend in Deutschland ihre Chance einschätzt, auf das politische Leben Einfluss zu nehmen – es fehlt der jungen Generation eine motivierende Zukunftsperspektive.
Ganz so drastisch mag es Niklas nicht beschreiben. Der 16-Jährige will sein Abitur machen und dann Umweltwissenschaften studieren. „Als Ingenieur kann ich etwas für die Gesellschaft verändern. Das ist mir schon wichtig“, sagt er. „Mein Leben ist mit den Krisen anders und auch fordernder als das meiner Eltern.“ Das sei aber kein Grund, aufzugeben und auch kein Grund, gar nicht erst anzufangen.

Jugend übernimmt die Politik

Zwei Tage lang übernehmen etwa 800 Jugendliche aus Schulen in der ganzenRepublik den Landtag Ba-Wü. So sollen sie das Parlament und den politischen Betrieb von innen erleben.

Ein kurzer Blick ins Plenum, dann nimmt Ben Scheffzick die Glocke in die Hand und läutet sie kräftig. Normalerweise geht der Schüler in die 9. Klasse des Städtischen Gymnasiums Leichlingen. Heute übernimmt er die Rolle des Landtagspräsidenten. Für ihn eine sehr aufregende Angelegenheit: „Es ist schon ziemlich aufregend hier. Es geht mir schon ein bisschen die Pumpe“, so seine erste Reaktion.
Der Düsseldorfer Landtag ist gut gefüllt. Insgesamt 800 Schülerinnen und Schüler beteiligen sich an dem Projekt „Landtag macht Schule“. Seit 2018 gibt es diese Aktionstage. Die Schülerinnen und Schüler lernen nicht nur die Arbeitsweise und Aufgaben des Parlaments kennen, sondern können auch eine Plenarsitzung simulieren.
„Ich finde es wichtig, dass man sich in so einem jungen Alter mit der Politik auseinandersetzt, weil es jetzt auch immer wichtiger wird. Und ich bin auch damals schon im Jugendparlament gewesen und habe mich schon früh dafür interessiert und damit auseinandergesetzt“, sagt Ben.

Simulation einer Plenarsitzung

Seine Mitschülerin Fine Geyer war erst einmal skeptisch, ob ihr diese Aktion wirklich etwas bringt. Nun findet sie den Ausflug sehr interessant. „Ich habe ein bisschen drüber nachgedacht und habe mir überlegt, dass es ja schon ganz interessant werden könnte, mal reinzugucken, wie es alles so abläuft“, so Fine Geyer.
Spannend wird es, als eine Plenarsitzung simuliert wird. Aufgeteilt in die fünf Fraktionen des Landtags diskutierten die Schülerinnen und Schüler darüber, ob es an Karneval eine Kostümpflicht an Schulen geben sollte. Ben Scheffzick hat dazu eine klare Haltung: „Ich finde, jeder sollte so an Karneval in die Schule gehen, wie er möchte, ob er sich verkleiden möchte oder nicht. Und da sollte keiner das vorgeschrieben bekommen“, vertritt er seine Position im Parlament.

Demokratie ist nicht selbstverständlich

Auch Mohamad Yaser Alfaraj bringt sich ein. An seiner Düsseldorfer Gesamtschule ist er Klassensprecher und in der Schülervertretung. Heute ins Parlament zu dürfen und Politikern Fragen zu stellen, ist für ihn etwas ganz Besonderes.
Mohamad Yaser Alfaraj kommt aus Syrien. In seiner Heimat ist das Leben in einer Demokratie nicht selbstverständlich. „Ich habe in einem Land gelebt, wo es nicht so viel Gerechtigkeit gab. Ich würde mich gerne für die Gerechtigkeit einsetzen. Ich mag es, mich für eine spezielle Gruppe einzusetzen. Als Politiker setzt man sich für das Land ein, als Klassensprecher setzt man sich für die Schule oder Klasse ein. Das finde ich interessant“, so der 15-Jährige.

Jugendliche für Politik begeistern

Den Tag über gibt es immer wieder Infos: Wie funktioniert der Landtag? Wie wird man Abgeordneter? Wer ist Ministerpräsident?
SPD-Politiker Rainer Schmeltzer ist der Vize-Präsident im Landtag. Er sagt, das Ziel der Aktion sei es, Jugendliche für Politik zu begeistern. „Die Schülerinnen und Schüler müssen verstehen, dass die Demokratie die beste Form ist, die es in einem Staat gibt, dass sie mitreden können, dass sie demonstrieren können.“
Viele Schülerinnen und Schüler hätten das auch in den vergangenen Wochen getan. „Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit: Das sind Rechte, die es in vielen Ländern auf dieser Welt nicht gibt“, so Schmeltzer.

Jedem Jugendlichen steht der Weg
– eigentlich – in die Politik offen

Wichtig sei es, vor allem Diejenigen mitzunehmen, die sich noch nicht so sehr für Politik interessierten. Dem Vizepräsidenten zufolge steht jedem der Weg in die Politik offen. Er will die Jugendlichen motivieren, sich zu engagieren.
Magadena beispielsweise  interessiert sich noch nicht so sehr für Politik. Doch eine Simulation der Plenarsitzung weckt ihr Interesse. „Ich denke, dass ich immer mehr in die Politik reingehe und wenn ich älter werde, werde ich ja irgendwann auch wählen gehen“, so die Gesamtschülerin. Es sei wichtig für sie zu wissen, was jeden Tag in dem Land, in dem sie lebe, passiert.

Insgesamt zwei Tage lang hatten die Schüler Zeit, das Parlament kennenzulernen. Danach wird aus dem „demnächstigen Landtagspräsidenten“ wieder ein Schüler der 9. Klasse, der „aber auf jeden Fall weiter an der Politik dranbleiben will“. Es geht doch …

Apr. 2024 | Allgemein, Feuilleton, Junge Rundschau, Politik | Kommentieren