Seit Monaten warnen nicht nur CDU, CSU und AfD vor dem Gesetz. Auch die Landesjustizminister, die einer der drei Ampelparteien angehören, hatten das Gesetz in der Form entschieden abgelehnt. „Die Amnestieregelung ist eine enorme Herausforderung und verursacht einen erheblichen Arbeitsaufwand“, sagte Benjamin Limbach, Grünen-Politiker und Justizminister von Nordrhein-Westfalen. Dass die Justiz nun 100.000 Urteile und nicht abgeschlossene Verfahren prüfen müsse, bei denen es auch oder nur um Cannabisbesitz geht, sei zu viel für eine Justiz, die „bereits jetzt Belastungsgrenzen erreicht“. Felor Badenberg, die für die CDU in Berlins schwarz-rotem Senat sitzende Justizsenatorin, hält die Amnestieregelung in der vorgesehen Form für schlicht nicht umsetzbar.

Union schließt die Ampel-Reihen

Warum dennoch keine Ländermehrheit für eine Rücküberweisung des sogenannten Einspruchsgesetzes in dem Vermittlungsausschuss zustande kam? Der Bundesrat hatte keine Möglichkeit, das Gesetz zu stoppen, hätte aber Einzelfragen mit Vertretern des Bundestages verhandeln können. Doch am Ende enthielt sich eine deutliche Mehrheit der Bundesländer im Bundesrat, weil die fast überall mitregierenden Parteien der Ampel auch den CDU-geführten Landesregierungen eine Ablehnung des Gesetzes versagten. Daran wiederum hatte die Union ihren eigenen Anteil.

„Der Freistaat Sachsen wird am Freitag im Bundesrat für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen. Mein Ziel ist es, dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem VA [Vermittlungsausschuss, d. Red] herauskommt“, schrieb Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am vergangenen Samstag auf X. Ähnliche Stimmen kamen von der Bundes-CDU und der CSU. Damit war ein Ton gesetzt, den niemand bei SPD, Grünen und FDP überhören konnte, der oder die auf Nachbesserungen setzte statt Totalblockade.

Die Drohungen von Kretschmer und Co. waren Wasser auf den Mühlen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der in den vergangenen Tagen die Landesregierungen einzeln beackerte, um deren Zustimmung zum Vermittlungsausschuss zu verhindern. „Detailverbesserungen machen wir, wenn das Gesetz da ist, erstmal müssen wir einen Blockadeerfolg der Union verhindern“, konnten Lauterbach und andere Ampelvertreter ihren Länderkollegen vermitteln. Die gaben schließlich nach.

Sachsen-Regierung zerlegt sich

Dabei ging Kretschmer wenige Monate vor der Landtagswahl in Sachsen all in: „Ich werde einer Legalisierung von Drogen unter keinen Umständen zustimmen, auch wenn das Ärger in meiner sächsischen Koalition gibt“, kündigte er im Bundesrat an. Sein Wirtschaftsminister Martin Dulig von der SPD bestätigte diesen Ärger umgehend. Er melde sich „aus unangenehmem Grund zu Wort“, sagte Dulig und kündigte sein Nein zum Vermittlungsausschuss an. Die beiden Vertreter des Landes taten bei der Abstimmung wie angekündigt.

„Ich stelle fest, dass das Land Sachsen nicht einheitlich und somit ungültig abgestimmt hat“, stellte die Bundesratsvorsitzenden Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern fest. Faktisch hatte sich Kretschmer damit enthalten. Genauso wie die meisten anderen Bundesländer. Bundesgesundheitsminister Lauterbach gab eine Erklärung zu Protokoll, demzufolge das Gesetz noch bis zum 1. Juni geändert werden soll für flexiblere Regelungen sowie mehr Kinder- und Jugendschutz. Es handelt sich um Zugeständnisse, die Lauterbach zur Verhinderung des Vermittlungsausschusses gemacht hatte.

CDU-Chef Friedrich Merz hat bereits angekündigt, dass eine neu gewählte CDU-geführte Bundesregierung das Gesetz rückgängig machen werde. Dafür bräuchte sie aber eine alleinige Mehrheit oder einen Koalitionspartner, der diesen Weg mitgeht. Ohnehin sieht das Gesetz aber vor, über eine ständige Evaluierung die Auswirkungen des Gesetzes auf den Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz zu kontrollieren. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff prognostizierte mehr Verkehrstote durch bekiffte Autofahrer, mehr Krebstote, weil Marihuana oft zusammen mit Tabak geraucht werde, sowie mehr Drogentote, weil Cannabis den Weg zu stärkeren Drogen ebne.

Mehr oder weniger Schwarzmarkt?

Lauterbach wies derartige Szenarien sowie den Vorwurf Kretschmers „Sie öffnen die Büchse der Pandora“ zurück. Die Zahl der Konsumenten im Alter von 12 bis 17 Jahren sowie der 18- bis 21-Jährigen habe sich zwischen 2011 und 2021 ebenso verdoppelt wie die Zahl der Drogentoten in Deutschland. „Ist die Büchse der Pandora nicht längst offen?“, fragte Lauterbach. Mit dem Cannabisgesetz werde der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Jugendschutz gestärkt. Mit Blick auf die Amnestieregelung sagte er: „Ich glaube, dass das ein großer Aufwand ist.“ In der Protokollerklärung sei deshalb „einiges vereinbart, wo wir Ihnen entgegenkommen“.

Wenn künftig der Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen pro Erwachsenem in einer Wohnung, die Abgaben an Mitglieder von Anbauvereinen sowie der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis legal ist, soll dies den Schwarzmarkt untergraben und Konsumenten den Bezug von weniger potenten, nicht verunreinigten Cannabisprodukten ermöglichen. „Es ist völlig realitätsfern, dass diese Anbauvereinigungen auch nur annähernd den Bedarf an Cannabis decken werden“, sagte Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann von der CDU. Berliner etwa würden sich weiter bei Dealern in Berlin eindecken, statt im umliegenden Brandenburg aufwendig auf Vereinsbasis anzubauen. „Der Schwarzmarkt wird gestärkt und die dahinter stehenden kriminellen Strukturen.“

„Cannabis wird auf dem Schwarzmarkt weiter günstiger sein, als man es aus den Cannabisvereinen bekommen wird“, glaubt auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach von der CSU. „Cannabis aus illegalen Produktionsquellen wird mit der Übergabe an den Konsumenten faktisch reingewaschen.“ Da privat angebaute Pflanzen ein Vielfaches des normalen Konsums abwerfen würden, werde der Überschuss von Selbstanbauern im Freundes- und Familienkreis geteilt. „Es wird also ein zusätzlicher Schwarzmarkt entstehen.“

Dies dürfte unausgesprochen auch ein Kalkül dieses Gesetzes sein, das eine derartige Weitergabe eigentlich verbietet. In der Praxis wäre es aber wohl eines der wirkmächtigsten Instrumente gegen den Schwarzmarkt, wenn freizeitgärtnernde Cannabis-Pflanzer ihren Ertrag im privaten Umfeld teilten. Die Begünstigten müssten dann zumindest nicht mehr auf tatsächlich kriminelle Strukturen zurückgreifen.

März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Wie habt ihr beide euch kennengelernt?

Elena Malisowa: Ich habe seit meiner frühen Kindheit Geschichten geschrieben. Als ich Studentin war, fing das russische Internet an, sich aktiv zu entwickeln. Es entstanden Webseiten, auf denen Menschen ihre eigenen Werke veröffentlichen konnten. Ich las diese Geschichten sehr gerne und fing an, selbst welche zu veröffentlichen. In einer solchen Community habe ich Katerina kennengelernt.

Euer Roman „Du und ich und der Sommer“ handelt von der Liebesgeschichte zweier junger homosexueller Männer in der Ukraine. Warum habt ihr gerade darüber geschrieben?

Katerina Silwanowa: Ich habe schon früh festgestellt, dass mir sowohl Jungs als auch Mädchen gefallen. Doch in der Literatur, die gedruckt wurde, fand ich mich nicht wieder. Eines Tages entdeckte ich die Selfpublishing-Plattform Ficbook und fing an, Geschichten zum Themenbereich LGBT zu lesen und dann auch darüber zu schreiben.

Elena Malisowa: Als Studentin hatte ich einen Nebenjob in einem Unternehmen und dort einen guten Freund. Er war schwul. Eines Tages erzählte er mir, dass er an HIV erkrankt sei. Damals kannte ich den Unterschied zwischen HIV und Aids nicht und bekam große Angst um ihn. Ich hatte dazu viele Fragen und wollte auch gerne mehr darüber erfahren, wie Schwule in Russland leben. Aber aus Angst, ihn mit meinen Fragen zu verletzen, suchte ich im Internet nach Informationen. Später habe ich dann auch mit meinem Freund selbst gesprochen, weil mir klar wurde, dass es ein Fehler gewesen wäre, es nicht zu tun. Seine und andere Geschichten haben einen sehr starken Eindruck auf mich hinterlassen. Ich verstand, dass ich nicht gleichgültig gegenüber ihrer Situation bleiben kann in einem Land, in dem der Schwulenhass immer größer wird. Deswegen schreibe ich darüber.

„Für uns war es nichts Ungewöhnliches,
dass eine Ukrainerin und eine Russin zusammenarbeiten“

Der Großteil eurer Geschichte spielt in einem ukrainischen Ferienlager im Sommer 1986. Hier lernen sich die Protagonisten Jura und Wolodja kennen und verlieben sich ineinander. Warum gerade dort?

Katerina Silwanowa: Als ich noch klein war, Anfang der 2000er, gab es bei Charkiw ein verlassenes Ferienlager aus der Sowjetzeit. Meine Eltern und ich bekamen von Bekannten den Schlüssel zu einem der Häuschen und verbrachten dort eine sehr schöne Zeit. Die Erinnerungen an das, was ich dort gesehen habe, habe ich niedergeschrieben und mir vorgestellt, wie es wohl gewesen ist, als es noch nicht verlassen war.

Elena Malisowa: Als das Thema Ferienlager für uns feststand, wurde uns schnell klar, dass es besser wäre, über ein Pionierlager zu schreiben. Wir wollten eine Geschichte über die Erziehung zu Sowjetzeiten schreiben und über diesen inneren Konflikt zwischen den eigenen Gefühlen und dem Menschenbild, das im Ferienlager vorgegeben wurde. Denn darin gab es keinen Platz für Homosexualität.

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„Du und ich und der Sommer“ ist im Blanvalet Verlag erschienen

War euch klar, dass die Tatsache, dass eine Ukrainerin und eine Russin zusammen ein Buch schreiben, irgendwann mal zum politischen Statement werden könnte?

Katerina Silwanowa: Wir haben mit der Geschichte 2016 angefangen. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich schon in Russland. Damals haben wir die Schärfe dieses Konflikts gar nicht wahrgenommen. Für uns war es nichts Ungewöhnliches, dass eine Ukrainerin und eine Russin zusammenarbeiten. Erst jetzt, wegen des Krieges, wird das zu einem politischen Statement.

Elena Malisowa: Ich möchte noch aus meiner Sicht als Russin etwas hinzufügen. Bevor wir das Buch schrieben, war ich schon seit einigen Jahren gegen die Handlungen der russischen Regierung. Als ich nach der Annexion der Krim sah, wie viele Russen diese Annexion unterstützten, war ich sehr enttäuscht. Mir wurde klar, dass ich nun wahrscheinlich längere Zeit die Ukraine nicht mehr als Touristin besuchen kann, obwohl ich das fest vorhatte und Katerina mich schon mal eingeladen hatte. Deswegen wollte ich wenigstens eine Geschichte über die Ukraine schreiben.

Ihr sprecht in eurem Buch durchaus kritische Themen an: Der 16-jährige Jura und insbesondere der etwas ältere Wolodja haben große Angst, dass ihre Beziehung auffliegt. Für Wolodja hätte das zu Sowjetzeiten womöglich den Ausschluss von der Universität und eine Haftstrafe bedeutet. Habt ihr auch einen Aufklärungsanspruch?

Elena Malisowa: Ja, den haben wir. Wir beide interessieren uns sehr für Geschichte. Uns wurde schnell klar, dass die Wurzeln der heutigen Homophobie zum Teil schon in der Sowjetunion liegen. Wir wollten den jungen Leuten zeigen: Seht, wie das, was damals war, heute wieder anfängt, präsent zu sein. 2016 war das nur eine Vorahnung. Es ist sehr bitter zu sehen, dass unsere Prophezeiung wahr geworden ist.

Als euer Buch 2021 veröffentlicht wurde, schlug es hohe Wellen. Es war lange ein Top-Titel auf einer wichtigen russischen Belletristik-Bestsellerliste und wurde bis Ende 2022 über 300.000-mal verkauft. Hattet ihr damit gerechnet?

Katerina Silwanowa: Wir hatten niemals mit dieser großen Leserschaft und mit dieser Menge an Liebe gerechnet, die uns entgegengebracht wurde. Wir wollten die Geschichte ursprünglich nicht mal als Buch veröffentlichen, wir haben sie ja nur für uns geschrieben und dann auf einer Selfpublishing-Plattform veröffentlicht. Wir konnten uns auch überhaupt nicht vorstellen, dass es in Russland zu der Zeit möglich wäre, ein gedrucktes Buch zu einem LGBT-Thema zu veröffentlichen. Damals waren die Gesetze noch weniger streng als jetzt, aber die Stimmung innerhalb der Gesellschaft war trotzdem schon so, dass es unmöglich schien. Unsere Leser haben uns schließlich dazu überredet, es doch mal bei dem Verlag Popcorn Books zu versuchen. Und die boten uns an, das Buch herauszubringen.

Elena Malisowa: Das Schönste waren für uns die Reaktionen von Menschen aus der Generation unserer Eltern: Manche erzählten, dass sie, nachdem sie unseren Text gelesen hatten, ihre Einstellung gegenüber LGBT-Themen geändert haben und sie jetzt besser verstehen.

Es gab allerdings auch viele negative Stimmen. Nicht nur in Form von inhaltlicher Kritik, ihr wurdet auch massiv bedroht.

Elena Malisowa: Ja, aber nicht sofort. Das Buch erschien im Oktober 2021, doch erst im Mai 2022 ging die Hetze los. Ich denke, das hatte einen direkten Bezug zum Krieg. Wir haben Drohungen von dem Duma-Abgeordneten Vitalij Milonow bekommen, der in einer Fernsehsendung sagte, wir sollten im Fluss Moskwa ertränkt werden. Der bekannte Filmemacher Nikita Michalkow zeigte auf seinem YouTube-Kanal unsere Fotos und nannte uns Verräterinnen. Was mich aber am meisten geschockt hat, war, dass er TikTok-Videos von unseren Leserinnen und Lesern gezeigt hat. Wir hatten dann auf einmal auch Angst um sie.

„Als wir die vielen negativen Publikationen über uns lasen, auch in großen Telegram-Kanälen mit insgesamt über zwei Millionen Abonnenten, wurde uns klar: Es wird gefährlich für uns“

Was ist dann passiert?

Elena Malisowa: Als wir die vielen negativen Publikationen über uns lasen, auch in großen Telegram-Kanälen mit insgesamt über zwei Millionen Abonnenten, wurde uns klar: Es wird gefährlich für uns. Deshalb sind wir beide Ende Mai 2022 aus Russland ausgereist, zunächst nach Armenien. Mittlerweile bin ich in Rostock gelandet, und Katerina ist zurück in die Ukraine gegangen.

Katerina Silwanowa: Für mich stand nach Ausbruch des Krieges sowieso die Frage nach einer Ausreise aus Russland auf der Agenda. Ich war nur in den ersten Monaten zu geschockt und damit beschäftigt, meinen Freunden und meinen Eltern zu helfen, die in der Ukraine waren. Aber die Drohungen haben mich noch einmal bestärkt auszureisen.

Hattet ihr solch heftige Reaktionen erwartet?

Elena Malisowa: Nein, das haben wir nicht. Ich werde jetzt wieder politisch: Russland ist eine Diktatur. Und jede Diktatur braucht Feinde. Der äußere Feind sind die Ukraine und die Länder, die die Ukraine unterstützen. Zum inneren Feind ist die LGBT-Community geworden. Der Erfolg unseres Buches wurde als Anlass genutzt, um sie als Feindbild zu propagieren. Wir hätten nicht gedacht, dass unser Buch in der Art ausgenutzt wird. Aber wir haben auch nicht mit dem Krieg gerechnet.

Eine weitere Reaktion war die Verschärfung der Gesetzgebung.

Elena Malisowa: Schon seit 2013 gab es ein Verbot von „LGBT-Propaganda“ gegenüber Kindern. Niemand wusste, was genau damit gemeint war, der Begriff war sehr verschwommen. Man nimmt an, dass die russische Regierung darunter jede Form von positiver Darstellung von Sexualität versteht, die von der „traditionellen“, wie sie es nennen, abweicht. Dieses Anti-Propaganda-Gesetz wurde im Dezember 2022 noch mal verschärft. Jetzt ist „LGBT-Propaganda“ nicht nur bei Kindern, sondern in allen Altersgruppen verboten.

Mit diesem Gesetz wurde die Verbreitung von Büchern oder Filmen, die vermeintlich „LGBT-Propaganda“ enthalten, unter hohe Geldstrafen gestellt.

Elena Malisowa: Zensur ist in Russland weiterhin offiziell verboten. Aber die Regierung verabschiedet Gesetze, die ihrem Wesen nach Zensurgesetze sind. Unser Verlag stellte den Verkauf unseres Buches Ende 2022 ein, weil er sonst eine hohe Geldstrafe bekommen hätte. Wir sind nun auf einer Art schwarzen Liste. Es kursieren in Russland Listen von Büchern, die aus Buchhandlungen verbannt werden sollen. Ein bekannter Journalist, Alexander Pljuschtschew, hat zum Beispiel solche Listen veröffentlicht, er hat sie von einem großen Online-Buchhändler. Ich selbst habe keine Beweise dafür, dass solche Listen von der Regierung kommen. Aber es gibt einen Konsens in der russischen Gesellschaft, dass sie letzten Endes auf die russische Regierung zurückzuführen sind.

„Wir wünschen uns weiterhin, dass auch russischsprachige Menschen unsere Bücher lesen können“

Wie geht es für euch beide jetzt weiter? Werdet ihr weiter über LGBT-Themen schreiben?

Katerina Silwanowa: Es gibt eine Fortsetzung unseres Buches, die auch schon in Russland erschienen war. Der zweite Teil soll demnächst in Deutschland, aber auch in Polen, Italien und Brasilien veröffentlicht werden. Und dann wird es noch einen dritten Teil geben. Wir wünschen uns weiterhin, dass auch russischsprachige Menschen unsere Bücher lesen können. Vielleicht gibt es ja irgendwann die Möglichkeit, unsere Bücher auf Russisch als E-Books zu vertreiben.

Hashtags zu eurem Buch haben mittlerweile Aufrufe im dreistelligen Millionenbereich auf TikTok erreicht. Wie wichtig ist der Einfluss der BookTok-Community in Russland?

Katerina Silwanowa: Durch das Internet und TikTok ist unser Bekanntheitsgrad und der des Buches sehr gewachsen. Die Leute haben sehr viele Videos zum Buch gemacht, Cosplay-Geschichten kreiert, Musik geschrieben oder Gedichte. Das zeigt, dass dieses Buch bei den Menschen immer noch sehr beliebt ist und somit auch einen Einfluss hat.

Elena Malisowa: Ich wünsche mir sehr, dass unser Buch noch bekannter wird und noch mehr Einfluss gewinnt. Es geht in diesem Buch um Liebe, Freundschaft und Standhaftigkeit. Das ist genau das, was wir in diesen dunklen Zeiten brauchen.

 

Elena Malisowa wurde 1988 in der russischen Stadt Kirow geboren. Sie studierte Management und arbeitete danach im IT-Support eines Handelsunternehmens. Ende Mai 2022 reiste sie gemeinsam mit Silwanowa aus Russland aus. Seit Anfang 2023 lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Katern in Rostock.

Portrait: Ira Guzova

 

Katerina Silwanowa wurde 1992 im ukrainischen Charkiw geboren. Nach ihrem Studium der Forstwirtschaft zog sie in die russische Stadt Nowgorod und arbeitete im Einzelhandel. Heute wohnt sie wieder in Charkiw, wo sie als Autorin arbeitet.

Das Interview wurde mithilfe eines Übersetzers aus dem Russischen geführt.

 

 

März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

PfadfinderMutproben ebneten Weg für sexualisierte Gewalt

Eine Studie hat erstmals Fälle von sexualisierter Gewalt unter deutschen Pfadfindern zusammengetragen. Das Ergebnis: Betroffene Kinder und Jugendliche werden oft allein gelassen und Täter erfahren nur selten Konsequenzen.

29.02.2024

Der sogenannte Knoten der Pfadfinder: Ein Jugendlicher zieht an seinem blau-gelben Halstuch.
Sexualisierte Gewalt ist ein stukturelles Problem bei den Pfadfindern. (picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
Pfadfinder sind die größte Jugendorganisation der Welt. Auch in Deutschland haben sich viele junge Menschen den Pfadfindern angeschlossen. Bei den „Pfadis“ können Kinder und Jugendliche Abenteuer und Gemeinschaft erleben. Zehntausende von ihnen fahren regelmäßig in Zeltlager und lernen, wie sie sich in der Natur und der Gesellschaft zurechtfinden.
Der sogenannte Knoten der Pfadfinder: Ein Jugendlicher zieht an seinem blau-gelben Halstuch.

Pfadfinder Mutproben ebneten Weg für sexualisierte Gewalt

18:59 Minuten29.02.2024
Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) hat als erster deutscher Pfadfinderverband eine Studie über das Ausmaß sexualisierter Gewalt unter Pfadfindern in Auftrag gegeben. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Inhalt

Wie viele Fälle sexualisierte Gewalt gibt es bei den Pfadfindern in Deutschland?

Der Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) wurde 1976 gegründet, hat aktuell rund 30.000 Mitglieder und gliedert sich in zwölf Landesverbände. Es ist einer von mehreren deutschen Pfadfinderzusammenschlüssen Es gibt allein fünf große Verbände in Deutschland, die wiederum aus unzähligen Ortsgruppen, sogenannten Stämmen, bestehen.
2021 hat der BdP eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, die das Ausmaß sexualisierter Gewalt unter Pfadfindern ermitteln soll. Zwischen 1976 und 2006 erlebten der Studie zufolge 123 Pfadfinderinnen und Pfadfinder sexualisierte Gewalt. Auch nach 2006 sollen weitere Fälle hinzugekommen sein.
Für die Studie hat das unabhängige Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung betroffene Jungen und Mädchen, Zeitzeugen und Schlüsselpersonen des Verbands interviewt und Akten analysiert.
Die Fälle von sexualisierter Gewalt reichen von verbalen Grenzverletzungen bis hin zu Vergewaltigungen. „Es wurde viel berichtet von Fummeln, also durchaus Hands-on-Handlungen, das heißt mit Berührung. Es wurde viel davon gesprochen, dass Spiele sexualisiert wurden, dass es darum ging, sich auszuziehen, Schamgrenzen zu überschreiten. Bis hin dazu, dass Kinder wirklich sexuell missbraucht wurden und auch Gewalt dazu angewendet wurde“, sagt Studienleiterin Helga Dill.
„Die Täter, die uns beschrieben wurden, sind männlich, in der Regel sehr charismatische Personen, attraktiv auch in dem Sinn, dass sie als Pfadfinder ganz besonders sind, viel organisieren können, geschickt sind, kräftig sind, mutig“, so Dill.
Podcast: Religionen

Katholischer Pfadfinder-VerbandEx-Pfadfinderin über spirituellen Missbrauch

10:54 Minuten09.07.2023
Eine Hand steckt eine Kerze für ein Abendgebet an

Ökumenischer MännerordenSexualisierte Gewalt in der Gemeinschaft von Taizé

22:53 Minuten13.12.2022
Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, geht nach einer Pressekonferenz zur Vorstellung eines Gutachtens zum Umgang des Erzbistums Köln mit sexuellem Missbrauch

Sexualisierte Gewalt im Erzbistum Köln Kardinal Woelki bleibt im Amt

Existieren bei den Pfadfindern Strukturen, die Missbrauch begünstigen?

Zum Pfadfinderleben gehören gemeinsame Ausflüge mit Übernachtung, Zeltlager ohne Eltern, manchmal wochenlang und teilweise ohne erwachsene Begleitpersonen. In einigen Stämmen, so heißen die Ortsgruppen der Pfadfinder, herrsche eine Kultur der Grenzverletzung. Kinder würden nachts allein und nackt in den Wald geschickt, berichtet Studienleiterin Helga Dill.
Gruppendruck, Aufnahmerituale und Mutproben würden es den Kindern und Jugendlichen erschweren, ihre persönlichen Grenzen zu erkennen und zu wahren. „Mutproben erfordern eine Grenzüberschreitung. Damit ist dieses Empfinden, jetzt muss ich Stopp sagen, dann ein bisschen außer Kraft gesetzt.“
Die Soziologin Dill spricht von einer Parallelstruktur: Die Pfadfinder und Pfadfinderinnen verstehen sich als eingeschworene Gemeinschaft und pflegen besondere Regeln und Bräuche wie zum Beispiel das Prinzip „Jugend-führt-Jugend“, bei dem Jugendliche Kindergruppen leiten.
DLRG-Flaggen wehen im Wind.

Sexualisierte GewaltÜbergriffe bei DLRG-Ferienfreizeit

08:07 Minuten12.11.2022
Schwestern und Kinder stehen auf diesem Schwarzweiß-Foto im Außenbereich eines Kinderheims in Frankfurt Oder.

Sexualisierte Gewalt in der DDRMissbrauch in Heimen und Kliniken

07:44 Minuten15.08.2023
Illustration einer Frau, die vor Händen, die aus einem Smartphone kommen davon rennt.

Folgen der Corona-PandemieStudie: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder im Netz hat stark zugenommen

06:41 Minuten18.09.2023
Manche verbringen so viel Zeit bei den Pfadfindern, dass die Gruppe zur Ersatzfamilie werde. Dadurch entstehe eine enge Bindung zu den Tätern. Betroffene könnten von ihrem Stamm als Verräter diffamiert werden, wenn die Täter die respektierten Gruppenleiter sind.
„Wo wir dran zu knabbern haben werden, ist, dass viele unserer pädagogischen Methoden, von denen wir selber sagen, dass sie uns abheben von anderen Jugendverbänden und anderen Pfadfinderbünden, die Dinge sind, die den Weg für sexualisierte Gewalt geebnet haben“, sagt die Vorsitzende des Pfadfinderbunds BdP, Annika Schulz, selbstkritisch.
Pfadfinder suchen sich auf dem Bundeslager am Mittwoch (27.07.2005) in Almke bei Wolfsburg ihren Lagerplatz. Zwei Jungen studieren eine Karte, im Hintergrund stehen aufgebaute Zelte.
Pfadfinder organisieren sich in so genannten Stämmen, fahren gemeinsam in Zeltlager und verbringen viel Zeit miteinander. picture-alliance

Wie ging der BdP in der Vergangenheit mit Missbrauchsvorwürfen um?

Schon lange ist bekannt, dass es unter den Pfadfindern sexualisierte Gewalt gibt und gab. Seit 2001 bemüht sich beim BdP ein Arbeitskreis um Prävention. Allerdings seien viele Fälle nicht vernünftig dokumentiert worden. Das ist ein weiteres Ergebnis der nun vorliegenden Studie. In der Vergangenheit sei über Missbrauchsfälle eher geschwiegen worden, statt sie aufzudecken und Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Betroffene seien zudem meist allein gelassen worden, wie die Studie zeigt. Das geschah selbst dann, wenn sie den Vorfall beim Pfadfinderbund meldeten. Täter mussten in der Regel keine Konsequenzen fürchten und konnten, wenn sie ihren Stamm verlassen mussten, einfach einen neuen gründen oder den Landesverband wechseln.
Ein Jugendlicher schaut auf sein Smartphone (Symbolbild)

Sexuelle Gewalt Zahl der Fälle gegen Kinder und Jugendliche weiter hoch

04:15 Minuten23.05.2023
Grafik von zwei Menschen, die vor einer übergroßen Banane stehen, über die ein Kondom gestülpt wurde.

Pädagoge SielertMit Bildung gegen sexualisierte Gewalt

36:47 Minuten11.10.2023

Was ändert sich durch die Studie? Welche Präventionsmaßnahmen gibt es?

Missbrauchsstudien sind wichtig, um Betroffenen eine Stimme zu geben. Außerdem schaffen sie ein Bewusstsein für strukturelle Probleme. Das hilft dabei, Präventionsmaßnahmen zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln.
Inzwischen bietet der Pfadfinderbund seinen Mitgliedern regelmäßig Schulungen an, in denen über Machtmissbrauch aufgeklärt wird. Es gibt einen Verhaltenskodex für Pfadfinder sowie Vertrauenspersonen, an die sich Betroffene wenden können.
Abhängig vom gemeldeten Vorfall ist nun vorgesehen, dass ein Interventionsteam gebildet wird, dem eine externe Beratungsstelle angehört. Mutmaßliche Täter werden mit ihren Vergehen konfrontiert. Außerdem muss mittlerweile jeder Vorfall dokumentiert werden.

Kulturwandel bei den Pfadfindern notwendig

Problematisch ist nach wie vor, dass die einzelnen Stämme und Landesverbände ganz unterschiedlich mit Missbrauchsvorwürfen umgehen. Häufig seien die Pfadfindergruppen, die meist von Ehrenamtlichen getragen werden, schlichtweg überfordert im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen.
„Wir denken oft, wir können die Sachen alleine. Aber das können wir nicht“, räumt BdP-Vorsitzende Annika Schulz ein. „Man kann so einen großen Konflikt in vielen, vielen Fällen nicht alleine klären.“
Darüber hinaus fordert Schulz einen Kulturwandel innerhalb ihrer Organisation. Es dürfe nicht sein, dass frühere Stammesgründer, die sexuell übergriffig waren, auf Internetseiten gewürdigt werden.

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März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Haben ein nicht gerade freundschaftliches Verhältnis: Donald Trump und Prinz Harry

In seiner Biographie „Reserve“ gibt Prinz Harry offen Drogenkonsum zu. Bei seiner Einwanderung in die USA hat er diesen allerdings offenbar dezent „ver“ – kann doch mal passiert sein   „-gessen“ gehabt und das freilich könnte nun aber Konsequenzen haben: Sollte es nämlich irgendwann nochmal nach Ex-Präsident Donald Trump gehen können.

Hätte sich nun also Prinz Harry sein US-Visum erschwindelt? Bei seiner Einwanderung hätte der Ex-Royal jedenfalls angeben müssen, dass er in der Vergangenheit Drogen konsumiert habe.

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März 2024 | Allgemein, In vino veritas | Kommentieren
Eine Apokalypse braucht überraschend viel oder wenig Energie – je nachdem, womit man es vergleicht. Wirklich spannend ist aber die Mathematik hinter der Zerstörung.

Will man die Erde zerstören, hat man – das zu tun – viele Möglichkeiten. Zumindest, wenn es nur um die Auslöschung der Menschheit geht. Atomkrieg, Klimakrise oder Artensterben: Wir haben im Lauf der Zeit leider jede Menge Möglichkeiten gefunden, uns selbst zu vernichten. Aber dem Planeten ist das alles relativ egal.

Um die Erde tatsächlich richtig zu zerstören, muss man sich schon etwas mehr anstrengen. Eine Kollision mit einem großen Asteroiden könnte den Planeten beispielsweise unbewohnbar machen und die Erdkruste aufschmelzen, aber auch das würde die Erde nicht zerstören. Will man sie komplett pulverisieren, so dass nichts mehr übrig bleibt, muss man sich mit folgender Formel beschäftigen –

Diese Gleichung beschreibt die gravitative Bindungsenergie:

Formel zur gravitativen Bindungsenergie

Diese Formel entspricht der Energie, die nötig ist, wenn man die durch Gravitationskraft zusammengehaltenen Bestandteile eines Körpers unendlich weit voneinander entfernen will, sie stellt den Spezialfall für eine homogene Kugel dar. Die Erde ist zwar keine Kugel und auch nicht homogen, aber die Gleichung reicht aus, um zumindest die richtige Größenordnung ihrer Bindungsenergie zu berechnen. Tut man das, erhält man ein Ergebnis von zirka 200 Quintillionen Joule. Das entspricht in etwa der Energie, die man erhält, wenn man die Masse des kompletten Asteroiden Eros (der immerhin einen mittleren Durchmesser von fast 17 Kilometern hat) direkt in Energie umwandeln könnte. Andererseits aber entspricht es nur einem Sechzigstel der Energie, die die Sonne in einem Jahr produziert.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Wenn man nicht gerade an der kompletten Zerstörung eines Planeten interessiert ist, dann ist die gravitative Bindungsenergie aus einem anderen Blickwinkel viel interessanter. Denn sie entspricht nicht nur der benötigten Energie, um den Zusammenhalt durch Gravitation aufzulösen. Die gleiche Energiemenge wird auch frei, wenn sich beispielsweise ein Stern bildet. Fängt eine der großen Gaswolken im interstellaren Raum durch äußere Einflüsse an zu kollabieren, wird sie immer kompakter. Sie fällt in sich zusammen, die Materie kommt sich immer näher und wird immer stärker aneinander gebunden. Durch den Kollaps wird die Menge an Energie frei, die durch die Formel für die Bindungsenergie gegeben ist.

Hinweise auf die Dunkle Materie

Diese Energie sorgt dafür, dass sich die Gaswolke, aus der später ein Stern entsteht, immer weiter aufheizt. Früher, bevor man wusste, wie alt die Sterne sind (und die Kernfusion noch nicht verstanden hatte), dachte man sogar, dass die gesamte Energie der Sonne aus ihrem ursprünglichen Kollaps stammt. Das hat sich zwar als falsch herausgestellt, aber man darf diese Energie trotzdem nicht vernachlässigen. Jupiter strahlt beispielsweise mehr Energie ins All ab, als er von der Sonne aufnimmt. Ein Teil dieser zusätzlichen Energie stammt von der langsamen Kontraktion des Gasplaneten, der unter seiner eigenen Anziehungskraft ein paar Zentimeter pro Jahr schrumpft.

Zu wissen, wie viel Energie nötig ist, um etwas zu binden, ist in der Astronomie generell wichtig. In den 1930er Jahren berechnete Fritz Zwicky, wie schnell sich Galaxien in einem Galaxienhaufen höchstens bewegen können, um sich nicht aus ihrer wechselseitigen gravitativen Bindung zu lösen. Das Ergebnis war deutlich geringer als die tatsächlich beobachtete Bewegung. Die gravitative Bindung musste also größer sein als erwartet. Zwicky folgerte daraus, dass eine »Dunkle Materie« die zusätzliche Gravitationskraft ausübt, die nötig ist, um den Galaxienhaufen zusammenzuhalten.

März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Die Hauptbedrohung resultiert aus der exzessiven Nutzung fossiler Brennstoffe und der damit verbundenen Aufheizung des Planeten. Die von der Menschheit derzeit verursachten Treibhausgas-Emissionen sind mindestens  10mal so hoch, als beim schnellsten natürlichen Klimawandel der Erdgeschichte. Beim PETM (Paläozän Eozän Temperatur Maximum) gab es eine Gesamtfreisetzung von 4-6 Gt pro Jahr und das bei einer voll funktionsfähigen Biosphäre, was die Temperatur der Erde in  20 000 (in Worten: zwanzigtausend !) Jahren um ca. 5 Grad erhöhte.

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März 2024 | Allgemein, In vino veritas, Sapere aude | 1 Kommentar

Jedoch bietet die aktuelle Schwäche der chinesischen Wirtschaft Deutschland eine große Chance, so die Wirtschaftsexpertin Janka Oertel:
China strebt nach globalem Einfluss, doch daheim muss sich Präsident Xi Jinping gravierenden Problemen stellen: Chinas Wirtschaft befindet sich in einem desolaten Zustand. Für Deutschland und Europa aber bietet die augenblickliche Schwäche Pekings die Möglichkeit  aufzuholen, denn viel steht auf dem Spiel – insbesondere die Zukunft der deutschen Autoindustrie. Was nun zu tun wäre, erklärt Janka Oertel, China-Expertin und Autorin des Buches „Ende der China-Illusion“ im Gespräch.

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März 2024 | Allgemein, Essay, Zeitgeschehen | Kommentieren

Blick in ein Klassenzimmer.

Die wesentliche Aufgabe von Schule in einer Demokratie ist es, gemeinsam eine demokratische, selbstbewusste und kritische Persönlichkeit zu entwickeln

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März 2024 | Allgemein, Junge Rundschau, Zeitgeschehen | Kommentieren

Beschleunigter Alterungsprozess: Bei der Krankheit Progerie werden Kinder und junge Erwachsene zu Greisen.Vergrößern des Bildes

Beschleunigter Alterungsprozess: (Quelle: Globallmagens/imago-images-bilder)

Seltene Erkrankungen sind meist nicht heilbar und oft tödlich: Eine davon ist das Werner-Syndrom, bei dem Patienten deutlich älter aussehen, als sie sind.

Es ist ein medizinisches Phänomen, das kaum zu begreifen ist: Menschen im Kindes- oder Teenageralter, die wie Greise aussehen. Bei dieser seltenen genetischen Krankheit handelt sich um eine Form der Progerie, genauer gesagt um das sogenannte Werner-Syndrom. Betroffene altern deutlich schneller als normal – und sterben deutlich früher. Wie sich die Erkrankung bemerkbar macht und was zu den Ursachen bekannt ist, lesen Sie hier.

Zwei Formen der Progerie

Der Begriff Progerie stammt aus dem Griechischen und bedeutet „vorzeitiges Altern“. Dabei werden zwei Typen unterschieden:
– Progerie Typ I: Hutchinson-Guilford-Progerie-Syndrom (HGPS); das schnelle Altern setzt ab dem ersten Lebensjahr ein
– Progerie Typ II: Werner-Syndrom; das schnelle Altern setzt im Jugendalter ein

Werner-Syndrom – wenn Menschen vorzeitig altern

Das Werner-Syndrom ist eine genetische Störung, die dazu führt, dass Menschen fünf- bis zehnmal schneller altern. Für die Patienten und das Umfeld ist dies extrem belastend. Der stark verfrühte Alterungsprozess setzt meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter ein. In den Kinderjahren durchlaufen die Betroffenen eine normale Entwicklung. Zu den ersten Symptomen zählen vor allem Wachstumsstillstand sowie faltige Haut. Mit etwa 20 Jahren zeigen viele bereits graue Haare oder eine Glatze.

Hinzu kommen bei vielen Patienten altersbedingte Krankheiten, wie etwa:

Menschen mit dieser Störung haben aufgrund des großen Krankheitsrisikos eine geringere Lebenserwartung. Die meisten sterben mit etwa 50 Jahren.

Ursachen des Werner-Syndroms nicht völlig erforscht

Der Prozess des Alterns ist komplex, daher ist die Entstehung der Progerie noch nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler nehmen an, dass beide Progerie-Typen auf Fehler in der Erbinformation (Mutationen) zurückzuführen sind, die jeweils in verschiedenen Genen entstehen. Beim Werner-Syndrom gehen sie von einer autosomal-rezessiven Vererbung aus: Das bedeutet, beide Eltern müssen eine defekte Genkopie an das Kind weitergeben, damit die Krankheit ausbricht. Der Gendefekt beeinträchtigt demnach die Reparaturmechanismen im Körper.

Wie häufig ist die Diagnose Werner-Syndrom?

Die seltene Krankheit tritt weltweit mit einer Häufigkeit von 1:1.000.000 auf.

Progerie Typ I und Typ II sind unheilbar

Beide Formen der Progerie sind nicht heilbar. Die Behandlung zielt ausschließlich darauf ab, die Symptome der betroffenen Menschen zu lindern, Folgeerkrankungen zu behandeln und Komplikationen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen vorzubeugen.

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Wissenschaftler sind auf der Suche nach neuen Behandlungsmethoden. Seit 2022 steht Patienten mit Typ-I-Progerie ein Medikament namens Lonafarnib zur Verfügung. Es kann ab einem Lebensalter von zwölf Monaten verabreicht werden. Studiendaten zeigen bisher, dass das Medikament das Leben der Betroffenen deutlich verlängern kann. Für Patienten des Werner-Syndroms ist solch ein Mittel noch nicht verfügbar.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
März 2024 | In Arbeit | Kommentieren

Die Mittelschicht weiß derzeit nicht, wie sie sich in Sachen Klimaschutz verhalten soll.

© Illustration: WZ, Bildquelle: Stable Diffusion

Keine Partei erreicht derzeit die neue Mitte, also den jüngeren Anteil der Mittelschicht – und damit auch nicht ihre Ängste.

Anna ist 39 Jahre alt, angestellt, hat zwei kleine Kinder. Beim Einkaufen im Supermarkt steht sie vor den Regalen und weiß oft nicht, ob sie an die Geldbörse oder an die Umwelt denken soll. Bringt es wirklich etwas, wenn ich die Bio-Butter kaufe? Sie weiß es nicht und entscheidet mal so, mal so. Nachrichten schaut sie kaum. Die ewigen Streitereien in der Politik gehen ihr auf die Nerven. Und über all dem schwebt etwas, das ihr große Angst macht: die Klimakrise.

„Die einheitliche Mitte gibt es nicht mehr“

Anna steht für die Mitte der Gesellschaft. Sie ist verunsichert, hat keine Antworten auf die großen Klima-Fragen und findet keine Partei, die ihr klare Antworten liefert. Bei Klima-Debatten hält sie sich raus. Zu festgefahren sind ihr die Einstellungen. Doch ohne die Mitte der Gesellschaft kann wenig bewegt werden. „Ohne die Mitte ist die Klimakrise nicht bewältigbar“, sagt Christian Kdolsky von der Bürgerinitiative „Zukunftsallianz“, die gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Integral die Bevölkerung auf diese Fragen abgeklopft hat.

Die Mitte der Gesellschaft hat sich sehr lang sehr homogen präsentiert: Mittelschicht, mittleres bis hohes Einkommen, soziale Werte und Tugenden. Doch diese einheitliche Mitte gibt es nicht mehr. Das Marktforschungsinstitut hat eine Gruppe definiert, die sich „adaptiv-pragmatisch“ nennt. Sie sind mit 14 Prozent die größte Gruppe der gesellschaftlichen Mitte. Diese Gruppe hat die „alte“ Mitte überholt, die „nostalgisch-bürgerlichen“, die jetzt bei zwölf Prozent liegen. Als dritte Gruppe tummeln sich die „postmateriellen“ mit elf Prozent in der Mitte.

  • Die aktuelle Mitte „Adaptiv-Pragmatisch“: Der flexible und nutzenorientierte Mainstream

  • Die ehemalige Mitte: „Nostalgisch-Bürgerlich“: Die systemkritische ehemalige Mitte

  • Postmaterielle: Die weltoffenen Kritiker:innen von Gesellschaft und Zeitgeist

Das Sinus-Milieu-Modell bezeichnet die neue, moderne Mitte als „adaptiv-pragmatisch“; sprich (Situations-)angepasst, praktisch denkend. „Die neue Mitte ist bereit, etwas zu tun, weiß aber nicht genau wie“, erklärt Marktforscher Barth im WZ-Interview. Sie wisse nur, dass sie die Augen nicht mehr verschließen kann. Sie hält laut Barth wenig von Ideologien und verlangt nach konkreten Angeboten. Sie sei pragmatisch im Ansatz und frage „was habe ich davon?“

Man kann sie mit Klimaschutzmaßnahmen erreichen, wenn sie Nutzen und Sinnhaftigkeit erkennen.Bertram Barth, Integral-Geschäftsführer

„Diese Menschen haben sich ihren Wohlstand erarbeitet und haben Angst, diesen wieder zu verlieren. Man kann sie mit Klimaschutzmaßnahmen erreichen, wenn sie Nutzen und Sinnhaftigkeit erkennen.“ So schätzen sie zum Beispiel den Reparaturbonus. Auch die Systematik der CO2-Besteuerung mit dem Rückfluss des Klimabonus würden sie gut akzeptieren, „leider verstehen viele das Prinzip aber nur unzureichend“.

-> Die 10 Sinus-Milieus der Gesellschaft

Das Problem sei, dass die Politik die neue Mitte nicht erreicht, sagt Barth. Die FPÖ bediene nur das nostalgisch-bürgerliche Klientel, geprägt von Klimawandel-Leugner:innen. „Diese Menschen haben das System getragen und sind heute empfänglich für Rechtspopulisten. Sie wollen zurück in eine Zeit, in der angeblich die Welt noch in Ordnung war, in der es nur zwei Geschlechter gab, die Grenzen geschlossen waren und niemand von der Klimakrise redete.“ Die ÖVP schaue neidisch auf die Freiheitlichen und hechle hinterher. Die Grünen würden in erster Linie die Postmateriellen bedienen, moralisch und gut situiert. „Sie kommen aus diesem Cluster nicht heraus“, sagt Barth. Und die SPD sei orientierungslos und matche sich mit den Grünen.

„Aktuell redet die Politik kaum mit der modernen Mitte, ihre Bedürfnisse und Interessen werden nicht angesprochen.“ Wenn man sie ansprechen will, muss man laut Barth auch ihre Sprache sprechen und ihre Erwartungen an Bildgestaltung und Veranschaulichung treffen. Es müsste klar vermittelt werden, ja, es gehe auch um Verzicht, allerdings bringe dieser auch etwas. „Diese Gruppe hat ein hohes Sicherheitsbedürfnis und wünscht sich eine sichere Zukunft für alle.“

Klare Klimaschutz-Angebote seitens der Politik fehlen demnach. Auch die Erklärung, warum man überhaupt das Klima schützen sollte und die Einigung darüber, mit welchen gemeinsamen Maßnahmen. Eine aktuelle Umfrage von Kontext, Institut für Klimafragen, bestätigt diesen Gap. In der Altersgruppe der 20- bis 29-Jährigen sagen 81,8 Prozent, dass, obwohl viel darüber gesprochen wird, zu wenige Maßnahmen gegen die Klimakrise gesetzt werden. 71,7 Prozent wünschen sich, dass jemand ihnen die Klimakrise neutral erklärt. 76,1 Prozent in dieser Gruppe sagen sogar, dass sie das Gefühl haben, dass manche Lösungen aktiv verhindert werden. Gleichzeitig fühlen sich 73,6 Prozent von der Klimakrise bedroht.

  • 81,8 Prozent der 20- bis 29-Jährigen finden, dass zu wenige Klimaschutz-Maßnahmen gesetzt werden

  • 71,7 Prozent wünschen sich eine neutrale Erklärung der Klimakrise

  • 76,1 Prozent haben das Gefühl, dass Lösungen verhindert werden

Eine Bedrohung und keine klaren politischen Konzepte dagegen bringt Verunsicherung und schafft Raum für andere Interessen. „In der Öffentlichkeit ist die derzeitige Debatte rund um den Klimawandel sehr stark von der FPÖ und dem nostalgisch-bürgerlichen Milieu geprägt“, erklärt der Marktforscher. „Diese Gruppe fühlt sich von der sogenannten Elite vergessen und verraten. Sie fühlt sich nicht ernst genommen, leugnet den Klimawandel und spürt, dass die Welt komplizierter geworden ist.“

Viele junge Menschen sind völlig desinteressiert am Thema Nachhaltigkeit.Bertram Barth, Integral-Geschäftsführer

Und wer glaubt, dass all die Jungen für das Klima auf die Straße gehen würden, der täuscht sich laut Barth. „Ja die FFF-Bewegung ist laut und man sieht in der Öffentlichkeit ein aktives jüngeres Milieu, aber viele junge Menschen sind völlig desinteressiert am Thema Nachhaltigkeit“, sagt er. Im Durchschnitt sind etwa die unter 30-Jährigen nicht stärker an Nachhaltigkeit interessiert als die Gesamtbevölkerung. Dennoch dominiert bei allen Altersgruppen eine diffuse Angst vor dem möglichen Klima-Kollaps.

Eine große Bedrohung, deren Bewältigung keine Mehrheiten findet? Auch wenn sie derzeit in der Debatte übersehen wird, die neue Mitte der Gesellschaft ist wichtig. „Sie sind Brückenbauer in andere Wertebereiche. Mehrheiten für politische und gesellschaftliche Entwicklungen sind gegen dieses Milieu nicht möglich“, sagt Barth. Brückenbauer können prinzipiell mit jedem, sind bereit, etwas zu tun.

Anna ist auch bereit, etwas zu tun. Doch es fehlt ihr an Klarheit und konkreten Maßnahmen, die nicht nur ihr, sondern auch der Umwelt helfen würden.

 

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