Die Hauptbedrohung resultiert aus der exzessiven Nutzung fossiler Brennstoffe und der damit verbundenen Aufheizung des Planeten. Die von der Menschheit derzeit verursachten Treibhausgas-Emissionen sind mindestens  10mal so hoch, als beim schnellsten natürlichen Klimawandel der Erdgeschichte. Beim PETM (Paläozän Eozän Temperatur Maximum) gab es eine Gesamtfreisetzung von 4-6 Gt pro Jahr und das bei einer voll funktionsfähigen Biosphäre, was die Temperatur der Erde in  20 000 (in Worten: zwanzigtausend !) Jahren um ca. 5 Grad erhöhte.

Beim PETM erwärmte sich die Erde um 0.025 Grad  in 100 Jahren (also um ein vierzigstel Grad). Jetzt werden es im selben Zeitraum wahrscheinlich fünf Grad und mehr sein. Die heutige Erderwärmung verläuft also mit erdgeschichtlich beispielloser Geschwindigkeit, nämlich mindestens 100mal so schnell als bisherige natürliche Klimaänderungen.

Die Weltgemeinschaft hat sich im Pariser Klimavertrag völkerrechtlich verbindlich verpflichtet, die Erderwärmung auf 1.5 bzw. weit unter 2 Grad (etwa 1.8 Grad) zu begrenzen und die Emissionen entsprechend zu senken.

Doch die Menschheit ist weiter dabei, die „Planetaren Leitplanken“ zu durchbrechen und das System Erde, möglicherweise irreversibel zu destabilisieren. Die derzeitigen, völlig unzureichenden freiwilligen Selbstverpflichtungen zur Treibhausgas- Reduzierung bedeuten faktisch ein „weiter so wie bisher“ und würden eine Erderwärmung von mindestens 3.2 Grad verursachen, die sich aber eher als eine von 5 Grad und mehr erweisen dürfte. Doch bereits eine Erwärmung von drei Grad wäre dramatisch, wenn man bedenkt, dass jedes Grad Temperaturerhöhung langfristig zu einem Meeresanstieg von 3 Metern und mehr führt. Das ist schon schlimm genug.

Aber je länger eine substanzielle Reduzierung der Treibhausgasemissionen hinausgezögert wird, desto weiter schreiten auch die Kippprozesse im Klima- und Erdsystem voran und heißt es nicht, gekippt ist gekippt? Die Kipppunkte sind, laut Prof. Schellnhuber, dem scheidenden Direktor des Potsdam Instituts  für Klimafolgenforschung (PIK), bereits viel näher als bisher gedacht. Eine symbolische Klimapolitik des Aufschubs und der Vertagung, des so tun „als ob“, wie in den vergangenen 25 Jahren, ist auch mit dem Etikett freiwilliger Selbstverpflichtungen, nicht mehr verantwortbar. Die Erde können wir nicht manipulieren.

Entweder wir bleiben innerhalb der lebensfreundlichen Rahmenbedingungen, die das Klima- und Erdsystem seit Jahrmillionen aufrecht erhält, oder wir fallen aus dem Rahmen. Entweder wir bleiben im Rahmen des Möglichen oder wir werden ihn auf immer verlassen und zerstören.

Das kann man so doppeldeutig nehmen, wie es gemeint ist. Die Erde ist schon dabei, die Schwelle zur Heißzeit zu überschreiten und in einen lebensfeindlichen Systemzustand überzugehen, was wir noch verhindern, aber nicht rückgängig machen können.

Jenseits von Kipppunkten  treten verstärkt positive, also verstärkende Rückkopplungen mit anderen Elementen des Klimasystems auf, so dass sich die Veränderungen wechselseitig aufschaukeln. Am Beispiel der Arktis zeigt sich das besonders deutlich.

Die Arktis ist bereits gekippt

Daran erinnerte uns im Frühling 2018 mehrfach eisige Polarluft,- der Polarwirbel war zusammengebrochen. Gleichzeitig war es in der Arktis viel zu warm, teils wärmer als in Mitteleuropa, was zu massiven Eisverlusten und minimaler Meereisbedeckung führte.

Wo doch schon die eine Hälfte des Meereises verschwunden ist und die andere immer dünner wird. Das ist in nur 20 Jahren passiert, einem erdgeschichtlichen Wimpernschlag und es ging viel schneller,  als gedacht. Die Arktis ist bereits unwiderruflich gekippt, nichts wird mehr so sein, wie es war. Und in nur 10  Jahren wird die Arktis im Sommer wahrscheinlich ganz eisfrei sein und dem Atlantik immer ähnlicher werden.

In der sich am schnellsten erwärmenden Region der Erde ist durch das Verschwinden des arktischen  Meereises und die veränderte Albedo (Wärmerückstrahlung) nun sogar eine Art zusätzlicher Heizung in Betrieb. Es werden nicht mehr 80-90% der Wärmeeinstrahlung durch Eis und Schnee reflektiert, sondern  das Meerwasser nimmt  80-90 % der Wärme auf und speichert sie. Je weniger Eis, desto stärker die Erwärmung, je stärker die Erwärmung, desto weniger Eis.

Die Atmosphärische Zirkulation der Nordhalbkugel ist zudem stark verändert,- der finale Temperaturausgleich zwischen Arktis und Subtropen scheint in vollem Gange, warme Luft strömt oft weit nach Norden und kalte Luft nach Süden. Die Nordischen Wälder trocknen zunehmend aus  und brennen daher immer häufiger  und der Permafrost taut immer großflächiger und tiefer auf. Wir haben es hier mit einer klassischen Rückkopplungsschleife zu tun, die gleich mehrere Verstärkungen hat: Immer mehr CO2 in der Atmosphäre -Erwärmung –Eisschmelze –veränderte Albedo-weitere Erwärmung- veränderte atmosphärische Zirkulation –zusätzliche Erwärmung -tauender Permafrost- Freisetzung von CO2–Freisetzung von Methan –beschleunigte weitere Erwärmung mit noch mehr Eisschmelze und noch mehr auftauendem Permafrost und  Wäldern unter Hitzestress und mit verringerter CO2- Aufnahme usw.usf. Die Erderwärmung wird also auf vielfache Weise verstärkt.

Besonders bedeutsam ist die massive Freisetzung von Treibhausgasen aus natürlichen Quellen und die gleichzeitige Schwächung der natürlichen CO2- Senken,  ein Vorgang der nicht nur in der Arktis, sondern weltweit stattfindet.

Der Kollaps des Kohlenstoffkreislaufs

Der  CO2- Gehalt der Atmosphäre hat längst den natürlichen Schwankungsbereich zwischen 250 und 300 ppm (parts per million) verlassen und ist mit 410 ppm so hoch, wie seit vielen hunderttausend Jahren nicht mehr. Man kann jetzt eigentlich auch nicht mehr von einem Kreislauf sprechen, da das Ungleichgewicht zwischen CO2- Freisetzung und CO2- Aufnahme, also zwischen Quellen und Senken derartig groß ist, dass nur noch ein Teil des Kohlendioxids einen Kreislauf durchläuft. Allein von den menschlichen Emissionen aus Verbrennung, in Höhe von reichlich 40 Gt jährlich,  verbleiben 20 Gt bereits direkt in der Atmosphäre, je ein Viertel wird noch von der Landbiosphäre und den Ozeanen aufgenommen, wobei sich die Aufnahmefähigkeit der CO2- Senken zunehmend reduziert.

Hinzu kommen ja noch die Entwaldung, andere CO2- Quellen und die anderen Treibhausgase, wie z.B. Methan, wodurch die Gesamtemission an Treibhausgasen heute bereits bei über 80 Gt

CO2- Äquivalent liegen dürfte (für 2010 gibt O. Edenhofer bereits 67 Gt an, siehe Atlas der Globalisierung, 2015).

Der Treibhauseffekt und die Aufheizung  der  Erde verstärken sich dadurch immer weiter, was  wiederum die Biosphäre  unter Druck setzt und dezimiert. So war der Amazonas- Regenwald seit 2005 bereits von fünf schweren Dürren betroffen, was zum Verlust von Milliarden Bäumen führte.

Prof. Johan Rockström vom  Stockholm Resilience Centre, einer der neuen Direktoren des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), prognostiziert in seiner Stellungnahme „The 10 Science must knows on Climate Change“  sogar den bevorstehenden weitgehenden Zusammenbruch der biosphärischen Kohlenstoffsenken ab ca. 2030. Im Diagramm auf Seite 11 über einen Dekarbonisierungspfad entsprechend dem Pariser Abkommen,  sind die möglichen Entwicklungen skizziert. Die Fähigkeit der Wälder und der ozeanischen Biomasse, Kohlendioxid zu binden, reduziert sich demnach auf etwa ein Drittel bis 2060, um danach weiter abzunehmen.

In seinem Diagramm schließt Prof. Rockström  diese gigantische Lücke in der Kohlenstoffbilanz durch anthropogene CO2- Senken, die ab ca. 2040 den Verlust der natürlichen Senken ausgleichen und 2100 deren Kapazität von 2010 erreicht haben sollen. Einmal ist es natürlich erschreckend, dass der Zusammenbruch der biosphärischen Kohlenstoffsenken so nahe bevorstehen könnte. Zum anderen tut sich darin ein enormer Technikoptimismus kund. Könnte die Menschheit tatsächlich fast die gesamte Biosphäre ersetzen?

Kann man Kippprozesse rückgängig machen?

Dies ist angesichts der Tatsache, dass die Menschheit ja nicht einmal in der Lage ist, die vorhandene Biosphäre zu bewahren, zwar von vornherein unwahrscheinlich, doch die Rückkopplungen und Verstärkungen im Erdsystem machen es eigentlich unmöglich.

Mit dem Ausfall vieler Wälder und der nachlassenden CO2- Aufnahme durch die Ozeane wären ja entscheidende Kipppunkte im Klimasystem erreicht. Wenn die Landbiospäre weitgehend kollabiert, reduziert sich ja nicht nur die  CO2- Aufnahme (Senkenfunktion) der Wälder, sondern sie  werden gleichzeitig zu CO2- Quellen.  Es sind etwa 500 Gigatonnen (Gt = Milliarden Tonnen) Kohlenstoff in der Biomasse gebunden, was 1830 Gt CO2 entspricht, das ist in etwa so viel, wie die Menschheit bisher insgesamt freigesetzt hat. All dieser Kohlenstoff würde früher oder später durch Waldbrände, menschliche Nutzung  und mikrobielle Zersetzung in die Atmosphäre gelangen.

Auch das weitere Auftauen des Permafrosts setzt immer mehr CO2 und Methan frei und langfristig droht das Auftauen der Methanhydrate. Methan oxydiert nach etwa 10 Jahren zu Kohlendioxid und erhöht so letztlich auch den CO2- Gehalt der Atmosphäre, der sich durch all diese Emissionen aus der Natur mehr als verdoppeln könnte.

Dieser erhöhten Freisetzung von Treibhausgasen steht eine stetig abnehmende Aufnahme von CO2 durch die Wälder gegenüber, aber auch die biologische, chemische und physikalische CO2- Aufnahmefähigkeit der Ozeane verringert sich durch Erwärmung und Versauerung immer weiter.

Der zunehmende Ausfall der natürlichen Senken verursacht eine starke Erhöhung des CO2- Gehalts der Atmosphäre, da ihr nun viel weniger Kohlendioxid wieder entzogen wird. Diesen Anstieg müssten  die anthropogenen Senken als erstes kompensieren. Wenn man die Erderwärmung auf 1.5 oder 2 Grad  begrenzen will, muss man den  CO2- Gehalt der Atmosphäre  zudem wieder senken, auf etwa 350 ppm. Heute beträgt er ja schon 410 ppm, bei unverändert stark steigender Tendenz.

Für eine Reduktion bräuchte man zusätzliche Senkenkapazität  und für den Ausgleich der Verstärkung der Erderwärmung durch weitere erdsystemische Veränderungen, wie die abnehmende Albedo, noch welche. Die künstlichen Senken müssten also letztlich die vielfache Kapazität einer intakten Biosphäre erreichen.

Das ist eine wohl unlösbare Aufgabe, zumal all diese Verfahren zur CO2- Rückholung weitgehend unerprobt und ineffizient sind und mit erheblichen Risiken und einer enormen Freisetzung von Treibhausgasen verbunden wären und die ohnehin schrumpfende landwirtschaftliche Nutzfläche stark in Anspruch nehmen würden.

Wenn die Kippprozesse im Klima-und Erdsystem bestimmte Punkte erreichen, setzt eine Dynamik ein, die man hinterher kaum wieder rückgängig machen kann, dann kippt letztlich das ganze System.

Wir können nur vorher versuchen, diesen Point of no Return niemals zu erreichen.

Wenn es uns nicht gelingt, rechtzeitig entschlossen umzusteuern, dann könnte die Zukunft bald so aussehen, wie in diesem naturgemäß fiktiven Bericht aus dem Jahr 2035. Er beruht auf den heute schon bekannten Tatsachen und verdeutlicht die zwangsläufigen Konsequenzen eines „Weiter so“.

Ein Bericht aus der Zukunft des Jahres 2035

„Es ging dann alles sehr schnell.

Im Jahr 2028 war die Arktis das erste Mal im Sommer völlig eisfrei. Die Temperaturen in den nördlichen Polarregionen erhöhten sich, nach den schon dramatischen Anstiegen der letzten Jahre noch einmal schlagartig und es kam zu einer beispiellosen Waldbrandsaison in den Nordischen Wäldern. Das Auftauen des  Permafrost trat in ein neues Stadium und die Freisetzung von Methan und Kohlendioxid nahm dramatisch zu.

Ein Jahr später kollabierte der Amazonasregenwald in einer Superdürre und ging zu großen Teilen in Flammen auf, nachdem er schon all die Jahre davor, schwer von Dürren betroffen war.

Die jährliche Zunahme der CO2- Konzentration in der Atmosphäre verdoppelte sich.

Damit war der Kohlenstoffkreislauf unumkehrbar aus dem Gleichgewicht gebracht und die globale Durchschnittstemperatur erhöhte sich immer schneller.

An eine Kompensation des weitgehenden Verlustes der natürlichen CO2- Senken durch menschliche Ausgleichsmaßnahmen, wie großflächige Neupflanzungen, war angesichts der weltweiten Zunahme von Katastrophen immer größeren Ausmaßes, nicht zu denken. Die Atmosphärische Zirkulation veränderte sich vollständig und chaotisch, und warme Luft konnte nach dem Zusammenbruch des Polarwirbels ungehindert nach Norden fließen, doch auch im Süden wurde das „ewige Eis“ der Antarktis durch das Vordringen warmer Luft und warmen Wassers massiv destabilisiert.

Das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes und der Antarktis beschleunigte sich dramatisch. Das Meer stieg nun um über 3cm jährlich, mit zunehmender Tendenz  und würde schon zur Jahrhundertmitte einen Meter höher sein als bisher. Viele Küstenregionen wurden viel eher unbewohnbar, als gedacht.  Zudem kam es in Asien und Afrika zu schwersten Dürren und Überschwemmungen. Dutzende Millionen Menschen machten sich auf den Weg nach Norden.

Doch auch Europa und Nordamerika wurden 2033 von einer beispiellosen Dürre heimgesucht, es gab Missernten und Lebensmittelrationierung,  Waldbrände wüteten aller Orten und die Flüsse begannen auszutrocknen, so dass Kraftwerke abgeschaltet werden mussten. Ein Jahr zuvor, hatten noch wahre Jahrtausendfluten weite Landstriche unter Wasser gesetzt und schwerste Verwüstungen angerichtet. Die heftigen Herbst- und Winterstürme hatten überdies gewaltige Zerstörungen in den Wäldern angerichtet.

Jetzt ging es um Überlebenssicherung, Reparaturen, Wiederaufbau, -darum, das tote Holz aus den Wäldern zu schaffen, die Energieversorgung sicherzustellen und umzubauen…

Wie sollte man da zig Milliarden Bäume pflanzen, um den Amazonas- Regenwald zu ersetzen. Wenn wir es in all den vergangenen Jahrzehnten nicht geschafft hatten, das Richtige und Notwendige zu tun, wie sollten wir es jetzt können? Jetzt musste sich jeder selbst helfen. Wir hatten uns die Erde endgültig zum Feind gemacht, – ihr zu helfen, das überstieg  unsere Kräfte.“

So oder so ähnlich wird es früher oder später ablaufen. Damit hätte das System Erde seine Fähigkeit zur Regulierung der Treibhausgase in der Atmosphäre und zur Temperaturregulierung des Planeten weitgehend eingebüßt und die Aufheizung würde sich ungehindert immer weiter beschleunigen.

Dieser Übergang der Erde in den lebensfeindlichen Systemzustand einer Heißzeit, ist nur noch eine Frage der Zeit. All die genannten Veränderungen sind heute bereits im Gange und führen längst zu einer beständig zunehmenden Destabilisierung des Systems Erde und zur Zerstörung seiner Selbsterhaltungsfähigkeit. Die Pufferkapazitäten der Erde sind sowohl bei der Wärmeaufnahme als auch bei der CO2- Aufnahmefähigkeit offensichtlich bald aufgebraucht, doch die Verstärkungen der Erderwärmung nehmen immer weiter zu.

Die zunehmende natürliche Verstärkung der Erderwärmung

erfolgt auch durch die dramatische  Veränderung riesiger Flächen, -in der Arktis, Grönland, Sibirien, Kanada, Alaska, der Antarktis, um nur einige der betroffenen Regionen zu nennen. Das sind dutzende Millionen Quadratkilometer, wo das Eis schmilzt und sich die Vegetation verändert.

Diese Veränderungen führen zu einer deutlich abnehmenden Albedo (Wärmerückstrahlung)  der Erde, wodurch der  Erde zusätzlich eingeheizt wird. Das ist ein weiteres, wohl bisher unterschätztes Kippelement im Klimasystem.

Genannt sei hier nur die beständige Abnahme der globalen Meereisbedeckung, sie lag im November 2016 vier Millionen km² unter dem langjährigen Mittel. Das heißt, eine Fläche von der Größe der EU reflektiert nicht mehr wie bisher 80 % der Wärme, sondern das offene Meerwasser nimmt diese Wärme auf und speichert sie. Auf Grönland ist der Eisschild zudem zunehmend von einer grauschwarzen Schicht aus Schmutz- und Rußpartikeln bedeckt, was gleichfalls die Wärmerückstrahlung massiv reduziert und damit das Abschmelzen des Eises weiter beschleunigt.

Auch die Gebirgsgletscher schmelzen weltweit rasant, was man in manchen Skigebieten mit Schneekanonen und durch das Auflegen weißer Plastikplanen zu verlangsamen versucht…

Wir Menschen würden sehr schnell wieder Demut gegenüber der Natur entwickeln und erfahren wie klein wir sind, wenn wir nur einen Bruchteil der riesigen Gebiete, die wir im Norden verändert haben, mit weißen Plastikplanen abdecken wollten.

Die Dimensionen dieser Veränderungen machen deutlich, dass sich die Erde auf dem Weg in eine beispiellose Klimakatastrophe befindet, mit Folgen, deren Ausmaß wir bisher nur ansatzweise überblicken und die weder beherrschbar, noch  rückgängig zu machen sein werden. Doch nachwievor steht Problemvertagung statt Problemlösung auf der Tagesordnung.

Russisch- Roulette mit der Erde

Unser eigener Größenwahn (Anthropozän) verkleinert die Erde zu einer handhabbaren Immobilie, von der wir meinen, wir könnten sie alle Zeit beliebig unseren Verwertungsbedürfnissen anpassen und beliebig steuern. All die starken Worte von Geoengeneering, Klimabeeinflussung und Terraforming sollen suggerieren, es gäbe notfalls einen technisch machbaren Weg zur Begrenzung der Erderwärmung, ohne Emissionsreduzierungen und ohne limitierenden Zeitfaktor, man könne also das Problem auch später irgendwie in den Griff zu bekommen. Das beruhigt vor allem die zusehends besorgte Öffentlichkeit und es beruhigt das eigene Gewissen.

Doch es ist ein Ausdruck von Verblendung und  Selbstüberschätzung (Hybris) zu meinen, die Menschheit könne nachträglich einen planetaren Systemübergang rückgängig machen und bräuchte ihn deshalb nicht verhindern. Hierin offenbart sich eine fatale Fehleinschätzung der Realität.

Wenn die Erde die Schwelle zur Heißzeit einmal überschritten hat, dann ist ein sich selbst verstärkender Aufheizungsprozess im Gange, den wir nicht mehr stoppen können.

Wir spielen gewissermaßen Russisch- Roulette mit der Erde und haben noch nicht verstanden, dass der Revolver voll geladen ist.

Es gibt einen lebensfreundlichen Bereich von Umweltbedingungen, an den die Biosphäre und der Mensch sich über lange Zeiträume hinweg evolutionär angepasst haben und es gibt lebensfeindliche Umweltbedingungen. Eine nach erdgeschichtlichen Maßstäben, blitzartige Erwärmung der Erde um 5 oder gar 8 Grad, bedeutet den wahrscheinlich irreversiblen und viel zu schnellen Übergang in eine völlig andere Welt und überfordert damit jede Anpassungsfähigkeit, was das fast vollständige Aussterben des Lebens und der Menschheit zur Folge haben könnte. Diese Veränderungen würden mehrere Zehn bis hunderttausend Jahre andauern und sich noch weiter verstärken und es ist völlig ungewiss, ob sich das System Erde überhaupt jemals wieder stabilisieren kann,- wenn nicht, würde sich der leblose Planet, entsprechend seiner Umlaufbahn, auf bis zu 240 Grad Celsius aufheizen.

Es ist an uns, diese Eskalation zu vermeiden und im gegebenen natürlichen Rahmen zu verbleiben und die weitere Zerstörung der Lebensgrundlagen zu beenden.

Hierzu sind eine schnelle „Große Transformation“ der Gesellschaften und ein großangelegtes Programm zur Stabilisierung des Klima- und Erdsystems notwendig. Die Kohlendioxid-Emissionen müssen binnen 10 Jahren weit mehr als halbiert werden und schnellstmöglich gegen Null gehen und zusätzlich muss der Atmosphäre sofort Kohlendioxid in ungeheuren Mengen entzogen werden,- noch vor dem Kollaps der Biosphäre. Wir müssen also nicht nur die CO2- Quellen verstopfen, sondern sofort die CO2- Senken sichern und erheblich erweitern, was u.a. bedeuten würde, die Photosynthese betreibende Pflanzenmasse schnellstmöglich  zu verdoppeln, statt ihre nochmalige Halbierung abzuwarten. Der Mensch hat in den letzten 10000 Jahren, seit seinem „Erscheinen im Holozän“, bereits mehr als die Hälfte des Waldes auf der Erde verbraucht und vernichtet. Es ist allerhöchste Zeit, diesen Trend umzukehren und der Erde endlich wieder zurückzugeben, was wir ihr genommen haben. Diese ökologische Wende muss allerdings jetzt erfolgen, denn im  Jahr 2035 könnte es bereits unmöglich sein, das Geschehen noch entscheidend zu beeinflussen.

Literatur:

Lee R.Kump, Was lehrt uns die letzte Erderwärmung, Spektrum Spezial 4/2012
WBGU, Zivilisatorischer Fortschritt innerhalb planetarischer Leitplanken, 2014
WBGU, Entwicklung und Gerechtigkeit durch Transformation, Sondergutachten 2016
Maria A. Martin, Das riskante Spiel mit dem Gleichgewicht, Kippelemente im Klimasystem, 2014
S. Rahmstorf, Können wir die globale Erwärmung rechtzeitig stoppen?, KlimaLounge,11.04.2017
Rockström J., „The 10 Science must knows on Climate Change“, 2017
Tallig J., „Rasante Zerstörung des Blauen Planeten“ Umwelt aktuell  12.2016/01.2017
Die tödliche Falle“ in Umwelt Aktuell 11/2017
H.J. Schellnhuber, Selbstverbrennung, 2015
David Wallace-Wells, „Der Planet schlägt zurück“ (dt. im „Freitag“,20.07.2017)
F.Ekardt, Paris- Abkommen, Menschenrechte und Klimaklagen, 2018

März 2024 | Allgemein, In vino veritas, Sapere aude | 1 Kommentar