Wie oft ein Fachartikel von anderen Forschern zitiert wird, ist ein wichtiges Maß in der Wissenschaft – doch lässt es sich mit ein paar Tricks manipulieren. In der Mathematik führt das jetzt zu herben Konsequenzen.
Mathematiker-Gruppen an Institutionen in China, Saudi-Arabien und anderswo haben die Zitationszahlen von Kollegen mutmaßlich künstlich in die Höhe getrieben. Dazu veröffentlichten sie qualitativ minderwertige Arbeiten, die Aufsätze der Kollegen immer wieder zitieren – wodurch diese in den einschlägigen Rankings steigen.
Das ist das Ergebnis einer noch unveröffentlichten Analyse, die vom Wissenschaftsjournal Science eingesehen wurde. So kommt es, dass Universitäten – von denen einige offenbar nicht einmal mathematische Abteilungen haben – jedes Jahr mehr mathematische Arbeiten veröffentlichen, die extrem häufig zitiert werden, als Hochschulen mit hohem Renommee in dem Bereich, wie etwa Stanford und Princeton.
Diese sogenannten „Zitierkartelle“
scheinen nach Ansicht von Experten zu versuchen,
die Rankings ihrer Universitäten zu verbessern.
„Es steht viel auf dem Spiel“
„Auf- oder Abstiege in den Rankings können Universitäten Dutzende Millionen Dollar kosten – oder einbringen“, sagt Cameron Neylon, Professor für Forschungskommunikation an der australischen Curtin University. Es sei unvermeidlich, dass Leute die Regeln beugen und brechen, um ihre Position zu verbessern.
Als Reaktion auf solche Praktiken hat das Unternehmen Clarivate, das auf Zitationsanalysen spezialisiert ist, den gesamten Mathematik-Bereich von seinem jüngsten Ranking hoch zitierter Arbeiten ausgeschlossen, das im November 2023 veröffentlicht wurde.
Viele Artikel erscheinen in Fachzeitschriften,
die kein seriöser Mathematiker lesen würde
Die neue Analyse ist das Werk von Domingo Docampo, einem Mathematiker an der spanischen Universidade de Vigo, der sich seit Langem mit Hochschulrankingsystemen beschäftigt. In den letzten Jahren war Docampo aufgefallen, dass die Clarivate-Liste der am häufigsten zitierten Forscher (HCR) nach und nach von weniger bekannten Mathematikern übernommen wurde. „Es gab Leute, die in Zeitschriften veröffentlichten, die kein seriöser Mathematiker liest, deren Arbeit in Artikeln zitiert wurde, die kein seriöser Mathematiker lesen würde, und die von Institutionen kamen, die in der Mathematik niemand kennt“, sagt er. Also beschloss er, die Daten von Clarivate aus den letzten 15 Jahren zu untersuchen, um herauszufinden, welche Universitäten hoch zitierte Arbeiten veröffentlichten und wer diese zitierte.
Die Daten zeigen, dass zwischen 2008 und 2010 Institutionen wie die University of California, Los Angeles (UCLA) und Princeton mit 28 beziehungsweise 27 die meisten hoch zitierten mathematischen Arbeiten veröffentlichten. In diese Kategorie fallen das eine Prozent der Fachartikel, die in einem Jahr am häufigsten zitiert werden. In den Jahren 2021 bis 2023 wurden die renommierten Hochschulen jedoch von Einrichtungen mit wenig mathematischer Tradition verdrängt, von denen viele in China, Saudi-Arabien und Ägypten zu finden sind. Im jüngsten Zeitraum führte die China Medical University in Taiwan die Liste mit 95 hoch zitierten mathematischen Arbeiten an. Ein Jahrzehnt zuvor war diese Institution mit keinem einzigen Paper in der Liste vertreten.
Die UCLA hingegen hatte zuletzt
nur eine einzige hoch zitierte Arbeit
Docampo fand Muster, die darauf schließen lassen, dass Zitierkartelle am Werk waren. Am aufschlussreichsten ist, dass die Zitate zu den Top-Papieren oft von Forschern derselben Einrichtung stammen wie die Autoren des zitierten Papiers. So veröffentlichten etwa die China Medical University und die King Abdulaziz University, die zwischen 2021 und 2023 66 Top-Publikationen vorweisen konnten, Hunderte Studien, die besonders häufig zitierte Arbeiten zitierten. Docampo fand zudem heraus, dass die Studien, die sich auf hochgradig zitierte Arbeiten bezogen, häufig in fragwürdigen Zeitschriften veröffentlicht wurden, von denen unseriöse Zitierpraktiken möglicherweise leichter akzeptiert werden.