Man möcht es nicht glauben, man fasst es nicht: In Bern wurde das Konzert einer weißen Reggae-Band abgebrochen. Der Grund: Zuschauer beschwerten sich, es handle sich um kulturelle Aneignung. Das Kulturzentrum verteidigt die Entscheidung, die Band versteht die Welt nicht mehr – (wir auch nicht) –
Die Brasserie Lorraine ist ein genossenschaftlich organisiertes Kulturzentrum im Zentrum von Bern. Man kann sich hier zwanglos treffen, ganz ohne Konsumationszwang. Es gibt Speisen, Getränke, und oft auch Veranstaltungen. Im Sommer gibt es jeden zweiten Montag ein Konzert. So auch am Montag, da trat im „Brass“, wie sich das Zentrum auch nennt, die Gruppe Lauwarm auf, eine fünfköpfige Schweizer Kombo.
An jenem Tag konnte die Band ihr Konzert jedoch nicht beenden. Das Kulturzentrum brach das Konzert ab, nachdem sich mehrere Besucher beschwert hatten. Der Vorwurf: kulturelle Aneignung. Denn Lauwarm spielt Reggae, zu alledem haben – Teufel noch mal – zwei der Bandmitglieder Dreadlocks.
Dürfen Weiße Reggae spielen? – Verdammt nochmal ja!
Afrikaner – mal nur zum Beispiel – dürfen auch (J. S.) Bach spielen!
A propos spielen: Wer spielt hier verrückt?
Von kultureller Aneignung, englisch „Cultural Appropriation“, sprechen manche Menschen, wenn sich Mitglieder der weißen Mehrheitsgesellschaft einer Kultur bedienen, deren Angehörige sie unterdrückt haben. Der jamaikanische Musikstil Reggae dürfte demzufolge nur von der schwarzen indigenen Bevölkerung gespielt werden. Und auch Dreadlocks sind dieser Denkweise zufolge für weiße Menschen tabu.
Der Konzertabbruch sorgte für viel Wirbel
Die Brasserie Lorraine stellte ihren Instagram-Account auf privat. Auf seiner Homepage veröffentlichte das Kulturzentrum nun eine Stellungnahme und rechtfertigte sich für den Abbruch: „Wir behaupten nicht, dass wir mit dem Abbruch des Konzertes das Richtige getan haben“, heißt es dort. Es jedoch einfach weiterlaufen zu lassen, habe sich falsch angefühlt. „Wir könnten es auch Überforderung nennen.“ Man wolle eine Diskussion führen, die eine saubere Analyse hervorbringe und auch die einhergehenden Folgen, die der Kolonialismus hinterlassen hat, in die Diskussion miteinbeziehen.
Auch die Musiker von Lauwarm meldeten sich zu Wort: „Mit dem Thema kulturelle Aneignung wurden wir als Band bis jetzt noch nie direkt konfrontiert“, scheibt die Gruppe auf Instagram. „Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt. Wir stehen aber auch zu der Musik, welche wir spielen, zu unserem Erscheinungsbild und zu unserer Art, wie wir sind.“
Im Gespräch mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) äußerte sich Bandchef Dominik Plumettaz enttäuscht über den Konzertabbruch: „Wir fühlten uns vor den Kopf gestoßen, da niemand aus dem Publikum auf uns zugekommen ist, als wir an dem Abend gespielt haben“, sagte der Musiker. Es gehe bei den Auftritten seiner Band nicht um kulturelle Aneignung. „Wir inspirieren uns von anderen Kulturen und anderen Musikrichtungen, entwickeln diese weiter und machen so unsere Musik.“
Der Konzertabbruch dürfte die Diskussion um das Konzept der Kulturellen Aneignung und der „Cancel Culture“ weiter befeuern. Zuletzt Ende März hatte ein ähnlicher Fall für Wirbel gesorgt: Die Klima-Aktivisten von Fridays for Future Hannover verhängten ein Auftrittsverbot gegen die Musikerin Ronja Maltzahn. Sie trägt ebenfalls Dreadlocks.