Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die gigantische Eroberungsarmee das Inselreich überrollt. Im Schutz der Dunkelheit aber klettern japanische Samurai von kleinen Booten auf die mongolischen Schiffe. Lautlos töten sie die feindlichen Soldaten. Noch vor Anbruch des Tages ziehen sie sich wieder zurück. Und plötzlich scheinen auch die Götter den japanischen Verteidigern zu Hilfe zu eilen.
Am 15. August wütet ein Taifun über dem Meer, wie ihn Japan selten zuvor erlebt hat. Wenige Tage später ist Kublai Khans Flotte vernichtet. Fast alle mongolischen Soldaten sind ertrunken oder von den Samurai getötet worden. Der hilfreiche Sturm ging als „göttlicher Wind“ oder „Kamikaze“ in die japanische Geschichte ein, die siegreichen Samurai gelten bis heute als Sinnbild für fernöstliche Tapferkeit und Tugend.
Ein Samurai auf Hokkaido nimmt Tributzahlungen von unterworfenen Einheimischen entgegen.
Foto von Gemeinfrei
Wer waren die Samurai?
Gut 700 Jahre lang prägten die Samurai als adlige Kriegerkaste das feudale Japan. Ihre ruhmreiche Zeit begann im späten 8. Jahrhundert. Damals gab es in Japan zunächst noch eine allgemeine Wehrpflicht. Allerdings waren die meisten Soldaten eigentlich Bauern und deshalb schlechte Kämpfer. Im Jahr 792 ließ der Tenno, der japanische Kaiser, seine Armee deshalb zum Freiwilligenheer umgebaut. Doch die Verteidigungsmittel waren begrenzt.
Vor allem in den abgelegenen Provinzen mussten die Bauern und Familienklans lernen, sich selbst zu schützen. Viele taten dies so erfolgreich, dass ihre Kampfkünste auch fernab der Heimatdörfer für Aufsehen sorgten. So spezialisierten sich einige Klans darauf, ihre militärischen Dienste dem Kaiserhaus oder den Provinzfürsten, den Daimyos, anzubieten.
Es war die Geburtsstunde der Samurai oder Bushi, wie sie in Japan zumeist genannt werden. Als Soldaten kämpften sie nicht nur gegen feindliche Invasoren aus dem Ausland. Zugleich sollten sie die Ländereien des Adels schützen. Als Verwalter in den Provinzen gewannen die Samurai zunehmend an Einfluss. Mit der Zeit etablierten sie sich als Schwertadel (Buke) fest neben dem traditionellen Hofadel (Kuge).
Galerie: Japans Samurai
Von Dienern zu Herrschern: Aufstieg der Samurai
Im Laufe der Jahrhunderte wurden die Samurai immer mächtiger. Die Einführung des Shogunats als neue Regierungsform ab 1192 spielte hierbei eine entscheidende Rolle. Schon in früheren Zeiten hatte es Anführer aus dem Kriegeradel der Samurai gegeben, die auf kaiserliches Geheiß den Titel des Shoguns trugen. Für eine begrenzte Zeit hatten sie damit militärische Befugnisse, die denen eines europäischen Herzog entsprachen.
Nun aber hatte der einflussreiche Klanchef Minamoto no Yoritomo durchsetzen können, dass aus dem Shogunat ein erbliches Amt wurde. Als Shogun war Yoritomo auf diese Weise zum unumschränkten Oberbefehlshaber und damit zum mächtigsten Mann im Land geworden. Der Tenno blieb zwar offizielles Staatsoberhaupt, hatte faktisch allerdings nur noch wenig Einfluss.
Durch die neue Militäraristokratie des Shogunats waren die Samurai zur herrschenden Gesellschaftsschicht aufgestiegen. Und es gab viel zu tun für die Kriegsadligen: Bis ins 16. Jahrhundert wurde das politisch zersplitterte Japan laufend von politischen Kämpfen, Aufständen und Bürgerkriegen heimgesucht. Die absolute Loyalität eines Samurai galt Shogun und Daimyo. Unterstand ein Samurai keinem Herrn, bezeichnete man ihn als Ronin.
Die letzten ihres Standes: Samurai in den 1860-er Jahren
Katana, Wakizashi, Tanto: Die Waffen der Samurai
Ein neues Gesetz im Jahr 1586 gab den Samurai weitere Machtfülle. Die Zugehörigkeit zum Stand wurde als erblich festgeschrieben. Außerdem erhielten die Samurai ein Waffenmonopol. Niemand sonst durfte nun Kriegsgeräte tragen.
Zu den charakteristischen Kampfgeräten gehörte das Daisho – ein Schwertpaar aus Langschwert (Katana) und Kurzschwert (Wakizashi). Weitere typische Waffen waren das Nahkampfmesser Tanto sowie ein riesiger Langbogen. Ein geübter Bogenschütze brachte es auf Reichweiten von bis zu 300 Metern.
Die Krieger folgten einem strengen Verhaltenskodex – dem Bushido. Tugenden wie Aufrichtigkeit, Höflichkeit, Ehrhaftigkeit, Reinheit, Mut und Loyalität waren Leitlinien ihres Handelns. Zugleich hatte ein Samurai das Recht, einen einfachen Bauern mit einem Schwerthieb zu töten, wenn dieser sich ihm gegenüber respektlos verhielt.
Seppuku: Das Selbstmordritual der Samurai
Darüber hinaus war eine ritualisierte Form des männlichen Selbstmords fester Bestandteil der Samurai-Kultur. Beim Seppuku, im Westen als Harakiri bekannt, schlitzte ein Samurai sich eigenhändig den Bauch auf. Die Gründe dafür waren vielfältig und für viele westliche Beobachter schwer nachzuvollziehen. Eine Leben in Schande durch persönlichen Ehrverlust gehörte ebenso dazu wie der Tod des Herrn, der einen Samurai zum Ronin machte.
Mit Beginn des 17. Jahrhunderts begann sich das Leben der Samurai allmählich zu wandeln. Die gut 250 Jahre der Edo-Zeit (1603-1868) gelten heute als längste Friedenszeit in der Geschichte Japans. Für die Samurai waren dies keine guten Vorzeichen. Ihr Geschäft war der Kampf. Von nun an mussten sich zahlreiche Kriegsadlige als Beamte oder Gelehrte verdingen.
Zu jener Zeit wurde auch erstmals ein Europäer zum Samurai ernannt. William Adams war ein englischer Seefahrer, der im April 1600 Japan erreichte. Der Shogun verbot ihm, das Inselreich wieder zu verlassen. Stattdessen wurde Adams in den Samurai-Stand erhoben. Bis zu seinem Tod lebte er in Japan.
Das Schicksal des William Adams ist Vorbild für die Figur des John Blackthorne in der bildgewaltigen neuen Historienserie „Shogun“ auf Disney+, basierend auf dem gleichnamigen Roman von James Clavell.
Meiji-Restauration: Untergang der Samurai im 19. Jahrhundert
Jahrhundertelang hatte Japan versucht, sich vom Westen abzuschotten. Das änderte sich, als Kaiser Meiji (1852–1912) die Gesellschaft ab 1868 nach westlichem Vorbild umgestalten ließ. Mit strengen Reformen versetzte er dem Kriegsadel den Todesstoß. Das Shogunat wurde abgeschafft und mit ihm die Macht der Samurai gebrochen. Der Tenno erlangte eine Machtfülle wie seit 700 Jahren nicht mehr.
Meiji führte wieder die Wehrpflicht ein. Damit waren die Samurai ihres Waffenmonopols beraubt. Das Tragen von Daisho und traditionellen Kriegsgewändern war nun in der Öffentlichkeit untersagt. Selbst der traditionelle Haarknoten der Samurai wurde verboten. Viele der einst so stolzen Krieger versanken in Armut.
Im Zuge dessen kam es immer wieder zu Revolten. Die Niederschlagung der letzten Samurai-Rebellion im Jahr 1877 markierte schließlich das endgültige Ende der Ära. Am 29. November 1890 trat die neue Verfassung des Kaiserreichs Groß-Japan in Kraft.
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