Ja, ungefährlich ist das Zeug nicht. Und wer davor warnt, tut das zu Recht. Es kann unzurechnungsfähig, abhängig und krank machen, die Persönlichkeit verändern (in der Regel nicht zum Guten), das Hirn, das Herz und die Libido schädigen, sowie etliche Krebsarten auslösen.
Trotz alledem ist Alkohol in fast allen Ländern der Welt legal. Und, das andere Zeug ist schließlich auch nicht ungefährlich!
Es trübt die Sinne und das Urteilsvermögen, macht antriebslos und desinteressiert, kann Psychosen auslösen und vor allem das Gehirn von Heranwachsenden schädigen. Auch deshalb ist Cannabis in den meisten Ländern illegal. Überzeugende Gründe für diese Ungleichbehandlung gibt es nicht. So gefährlich Cannabis aber sein mag, gefährlicher als Alkohol ist es nicht.
Man kann sich dumm- und doofkiffen, aber totkiffen, das kann man sich nicht – einmal abgesehen von Gefahren wie jener, zugedröhnt auf die Strasse zu rennen ohne nach links oder rechts zu gucken.
Totsaufen allerdings, das kann man sich durchaus. Die Weltgesundheitsorganisation geht von drei Millionen alkoholbedingten Fällen pro Jahr aus. Und damit zur Ampelregierung in Berlin.
Es ist gut und richtig, dass der Deutsche Bundestag an diesem Freitag das seit Monaten leidenschaftlich diskutierte «Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis» verabschiedet hat, welches das Rauschmittel vom 1. (sic) April an zumindest im Ansatz legalisiert (falls der Bundesrat, der sich nun mit dem Gesetz zu beschäftigen haben wird, den Vermittlungsausschuss zwischen Länderkammer und nationalem Parlament einberufen lässt, könnte es auch später werden).
Stand heute dürfen Erwachsene künftig bis zu 50 Gramm Cannabis für den eigenen Konsum im privaten Raum besitzen, und die Substanz wird nicht mehr unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. «Cannabis-Klubs» sollen das Kraut anbauen und an ihre Mitglieder abgeben können – ähnlich den Zürcher «Social Clubs».
Natürlich: Deutschland wäre nicht Deutschland, käme die dortige «Liberalisierung» ohne ein besonders eindrucksvolles Heer von Paragrafen mit Verboten aus, von der gewinnorientierten Produktion bis zur Mitgliedschaft in mehreren Klubs, zu Klubs mit mehr als 500 Mitgliedern oder zum Konsum in einem Radius von 100 Metern von deren Eingang.
Die Richtung stimmt trotzdem. Ein Verbot bringt ein Rauschmittel nicht zum Verschwinden. Es sorgt lediglich für einen Schwarzmarkt mit allen negativen Begleiterscheinungen, allen voran Drogenkriminalität und ein stark erhöhtes Risiko für Konsumenten durch unbekannte Mengen psychoaktiver Inhaltsstoffe und möglicherweise giftige Verunreinigungen und Streckmittel.
Warum der gute Wille des Staates heikel ist
Der Ökonom Ludwig von Mises hat die liberale Position zu Rauschmitteln vor fast hundert Jahren auf den Punkt gebracht, als er schrieb, dass «Alkoholismus, Kokainismus und Morphinismus» selbstverständlich «fürchterliche Feinde des Lebens» seien. Aber es sei nicht bewiesen, dass staatliche Verbote diese Laster unterdrücken könnten. Und selbst wenn dem so wäre, bestehe die Gefahr, dass der Staat durch ebenjene Verbote andere Gefahren heraufbeschwöre – den eigenen guten Willen eingeschlossen.
Warum, fragt Mises, soll denn der Staat nicht auch vorschreiben, welche Speisen, welche Intimitäten oder welche Bücher erlaubt sein sollen? Als Beispiel nennt er christliche Fundamentalisten, die in den USA nach Durchsetzung der Prohibition sogleich den Kampf gegen die Lehre von der menschlichen Entwicklungsgeschichte aufgenommen und den Darwinismus in mehreren Gliedstaaten aus den Klassenzimmern verdrängt hätten. Doch zurück in die Gegenwart.
Was ist mit Heroin oder Crystal Meth?
Müssten solche Drogen – wenn man Cannabis entkriminalisiert – gemäss liberaler Logik nicht auch legalisiert werden? Die Frage ist legitim und eine schöne Übung für Debattierklubs. Praktisch gibt ein Spaziergang durch einen Ort wie das Bahnhofsviertel von Frankfurt am Main die Antwort: Wer regelmässig kifft, wird im schlimmsten Fall blöd und faul. Wer regelmässig harte Drogen konsumiert, verfällt bei lebendigem Leib.
Ein libertärer Staat (sofern man ein solches Gebilde überhaupt als Staat würde bezeichnen können) würde Heroin und Meth wohl liberalisieren, weil ihm die Freiheit des Einzelnen alles bedeutet. Ein liberaler Staat hat neben der Entscheidungsfreiheit des einzelnen (erwachsenen!) Menschen auch das funktionierende Gemeinwesen im Blick. Und das soll doch aber bitte nicht so aussehen wie das Frankfurter Bahnhofsviertel.