Akteure erstellen dort Clips oder Memes, die – mal mehr, mal weniger offensichtlich – Inhalte transportieren. Memes sind Bilder, die mit witzigen oder sarkastischen Sprüchen kommentiert werden. Und das kursiert zu Millionen im Internet und solche Sprüch sind – in der Regel – harmlos, doch oftmals werden auch Memes benutzt, um unter dem Deckmantel des Humors rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten. Wenn Kinder und Jugendliche den digitalen Raum betreten, sind die rechts- extremistischen Inhalte also schon lange da – aber warum verbreiten sie diese über Klassenchats und andere Plattformen weiter?
Man dürfe nicht vergessen, dass rassistische oder LGBTQI-feindliche Ansichten in der Gesellschaft weit verbreitet seien, sagt Schmidt. Das zeigten Einstellungsstudien immer wieder. „Wer das aus seinem Elternhaus mitbekommt, ist vielleicht eher dazu geneigt, entsprechende Inhalte zu teilen oder zu liken“, vermutet die Expertin. Die wenigsten Schülerinnen und Schüler, die rechte Inhalte weiterverbreiten, seien aber wahrscheinlich überzeugte Anhänger dieser Ideologie.
Mögliche Ursachen könnten auch ein distanzloser Umgang oder das gezielte Überschreiten von Grenzen sein. „Zu wissen, dass man etwas nicht machen sollte, übt einen Reiz aus.“ Ein weiteres Problem sei auch die Geschwindigkeit, mit der Sachen im Internet geteilt werden. „Viele denken nicht lange darüber nach – ein Klick und das Thema ist gelikt oder geteilt.“
Nur ein „Dumme-Jungen-Streich“?
Doch auch wenn es sich bei den Kindern und Jugendlichen, die rechtsextreme Inhalte weiterverbreiten, nicht um überzeugte NS-Sympathisanten handelt: Als „Dumme-Jungen-Streiche“ oder jugendliche Lust an der Provokation sollte man solche Vorfälle nicht abtun. „Das ist kein Spaß“, sagt Schmidt. Es trage dazu bei, rechtsextremes Gedankengut zu normalisieren. Mitschülerinnen und Mitschülern, die eine familiäre Einwanderungsgeschichte haben, homosexuell sind oder eine Behinderung haben, könnten durch das Teilen rechtsextremer Memes und Parolen verletzt oder verunsichert werden. „Es verbreitet Angst.“
Nicht zu handeln, schadet. Eltern und Lehrkräfte sollten daher auch schon vermeintlich kleine Vorfälle ernst nehmen. „Als Beratungseinrichtung werden wir oft Feuerwehr-mäßig zu Hilfe geholt, wenn es brennt“, erzählt Schmidt. Im Gespräch stelle sich dann heraus, dass es schon zuvor Vorfälle gab, in denen Schülerinnen und Schüler mit rechtem Gedankengut provoziert haben. Besser sei, frühzeitig zu handeln.
Tatsächlich können rechtsextremistische Vorfälle an Schulen sogar strafrechtlich relevant werden – etwa bei Hakenkreuzen in Chatnachrichten oder einem Hitlergruß im Klassenzimmer. Allein in Brandenburg wurden im vergangenen Jahr 159 solcher Propagandadelikte an Schulen angezeigt. Selten gingen solche Fälle vor Gericht, sagt Schmidt, auch weil Jugendliche erst ab 14 strafmündig sind und die Strafverfolgung von NS-Symbolen schwierig ist. Tatsächlich sind nur wenige Symbole eindeutig verboten.
Gleich zur Polizei? Wie Eltern und Lehrkräfte reagieren sollten
Sollte man dennoch zur Polizei gehen – im Sinne der Abschreckung? „Das Strafrecht sollte immer das letzte Mittel sein“, sagt Schmidt. Besser sei, zuerst das Gespräch mit der Schülerin oder dem Schüler zu suchen und nach den Gründen zu forschen. Das gelte für Lehrkräfte und Eltern. Sonst könne das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören werden – mit der Folge, dass gar kein Gespräch mehr möglich ist. „Aus unserer Sicht ist die Bekämpfung von Rechtsextremismus an Schulen eine pädagogische Aufgabe und keine strafrechtliche.“
Interesse an den Beweggründen zu zeigen, könne helfen, ein gutes Gespräch mit dem Kind zu führen und einzuschätzen, ob es tatsächlich in ein rechtsextremes Milieu abrutscht oder einfach nur im Internet ein paar Mal falsch abgebogen ist. Unterstützung können sich Eltern und Lehrer auch bei einer Beratungsstelle einholen, wie zum Beispiel der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, die es in jedem Bundesland gibt. Diese können eine Einschätzung der Lage geben und dabei helfen, das Gespräch mit dem Kind vorzubereiten. „Auch die Schule kann ein wichtiger Ansprechpartner sein, um herauszufinden, ob es zuvor schon ähnliche Vorfälle gab.“
Davon, Chatnachrichten oder den Instagram-Feed des Kindes zu kontrollieren, rät Schmidt ab. „Es ist gar nicht möglich, alle Kommunikationswege zu überprüfen.“ Besser sei, dem Kind schon im Vorfeld zu signalisieren: Wenn Dir online etwas begegnet, das Dir komisch vorkommt oder Dich verunsichert, dann können wir darüber sprechen – auch, wenn Du vielleicht selbst Fehler gemacht hast.
Rechte Vorfälle als Gesprächsaufforderung
Ob in Schulen zu spät über Nationalsozialismus aufgeklärt wird, mag Schmidt nicht generell beurteilen. Doch wenn NS-Symbole oder – Memes an Schulen auftauchen, könne das als Gesprächsaufforderung verstanden werden. „Offenbar ist das in der Klasse oder bei Einzelnen gerade Thema – das ist ein guter Zeitpunkt, um das Thema aufzugreifen.“ Daher sollten Themen wie NS-Diktatur oder Holocaust unmittelbar nach einem Vorfall und dem Alter der Klasse angemessen thematisiert werden – und nicht erst in ein paar Jahren, wenn das Thema auf dem Lehrplan steht.
Darüber hinaus seien vor allem Digitaltrainings wichtig, um die Mechanismen im digitalen Raum verstehen zu lernen, seriöse von unseriösen Quellen unterscheiden und rechtsextreme Symbole im Internet erkennen zu können. Solche Trainings seien aber nicht nur für Schülerinnen und Schüler empfehlenswert, findet Schmidt. „Auch Lehrkräften fehlt oftmals Wissen darüber.“
Widerspruchsfähigkeit der Klasse stärken
Im Idealfall seien es die anderen Mitschüler, die solches Fehlverhalten regulieren. Kam es zu einem Vorfall, sei daher wichtig zu schauen, ob es Widerspruch in der Klasse gab. Falls nicht, müsse die Widerspruchsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler gestärkt werden. Zum Beispiel, indem konkrete Regeln erarbeitet werden, wie im Klassenchat und außerhalb kommuniziert und miteinander umgegangen wird. Das helfe Schülerinnen und Schülern, Widerspruch einzulegen. „Sie müssen dann nicht nur ihre eigene Position vertreten, sondern können auf die Regeln verweisen.“
Viele Mitschüler – aus Angst, in der Klasse ausgegrenzt zu werden –
trauten sich nicht, Vorfälle zu melden
Viele Mitschüler trauten sich nicht, Vorfälle zu melden – aus Angst, in der Klasse ausgegrenzt zu werden. „Diese Sorge muss man ernst nehmen“, sagt Schmidt. Schulen sollten daher konkrete Ansprechpersonen haben, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können. Generell sei es wichtig, dass sich Schulen schon im Vorfeld Gedanken machen, wie mit derartigen Vorfällen umgegangen wird. Nicht erst, wenn die Probleme auftauchen.
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