Wollen wir wirklich älter werden?
Wen die Götter lieben, den rufen sie doch früh zu sich. Und, wenn wie im Mittelalter nur das ewige Leben zählt, ist die Zeit hier nur Vorbereitung. Wenn wir wie Seneca alles stoisch sehen, ist mathematisch jede Zeit hier gleich lang, gegenüber der langen Strecke die wir noch nicht, und der noch längeren, die wir nicht sein werden.


Von Wilhelm Busch über Seneca, Goethe und Jesaja zu Otto Reutter. Schaun wir mal:

Bevor man auf die Welt gekommen
Hat man mit allem vorlieb genommen.
Man schwebte rum, war schuldenfrei
Und hatt‘ mit keinem etwas bei.
Hatt‘ keine Uhr und keine Eile
Und äußerst selten Langeweile.
Allein man nimmt sich nicht in Acht –
Und – schlupp – ist man zur Welt gebracht.
Wilhelm Busch

Schlagen wir – aktueller „Allerseelen & -heiligen“ wegen – einen kleinen Bogen von Busch zu Senecas hier in Latein und Deutsch wiedergegebenen diesbezüglichen Erkenntnisse:

„Der hingegen, der jeden Tag so einteilt, als wäre er sein Leben, sehnt sich nicht nach dem folgenden Tag noch fürchtet er sich davor.“

Non exiguum temporis habemus, sed multum perdidimus. Satis longa vita et in maximarum rerum consummationem large data est, si tota bene collacaretur; sed ubi per luxum ad neglegentiam diffluit, ubi nullae bonae reiimpeditur, ultima demum necessitate cogente quam ire non intelleximus transisse sentimus.

Wir haben nicht wenig Zeit, nur vertan haben wir davon viel. Das Leben ist lang genug und reicht zur Vollendung größter Taten, wenn es als ganzes gut angelegt würde; sobald es aber durch Verschwendung und Achtlosigkeit zerrinnt, sobald es nur für schlechte Zwecke verwendet wird, dann merken wir erst vom äußersten Verhängnis bedrängt, dass es vergangen ist – dass es vergeht, haben wir nicht erkannt.

Exigua pars est vitae qua vivimus. Ceterum quidem omne spatium non vita sed tempus est.

Nur einen kleinen Teil des Lebens leben wir. Die ganze übrige Dauer ist ja nicht Leben sondern nur Zeit.

De istis me putas dicere quorum in confesso mala sunt? Aspice illos ad quorum felicitatem concurritur: bonis suis effocantur. Quam multis divitiae graves sunt! Quam multorum eloquentia et cotidiana ostentandi ingenii exercitatio sanguinem educit. Quam multi continuis voluptatibus pallent! Quam multis nihil liberi relinquit circumfusus clientium populus!

Du glaubst ich spreche von denen, über deren üblen Zustand es keinen Zweifel gibt? Schau die an, denen man wegen ihres Erfolges die Tür einrennt: Sie ersticken an ihrem Glück. Wie vielen ist ihr Reichtum eine Last! Wie vielen saugt die Beredsamkeit und das Präsentieren ihrer Begabung, das sie täglich üben, alle Lebenskraft aus! Wie viele sind ganz bleich von ihren pausenlosen Vergnügungen! Wie vielen läßt der Schwarm von Klienten, der sich um sie drängt, kein bißchen Freiheit!

Audis plerosque dicentes: „quinquagesimo anno in otium secedam, sexagesimus me annus ab officiis dimittet.“ Et quem tandem longioris vitae praedem accipis?

Sehr viele wirst du sagen hören: „Vom 50. Jahr an will ich mich ins ruhige Leben zurückziehen, das 60. Jahr wird mich von allen Verpflichtungen entbinden – und, mit 75 zu guter Letzt, muß an die Schlußendlichkeit gedacht werden dürfen.“ Wen bekommst du denn als Bürgen für ein so langes Leben? (ego sum 80!) Quam serum est tunc vivere incipere cum desinendum est!

Wie spät ist es, erst dann mit dem Leben zu beginnen, wenn man es verlassen muß.

At ille qui omnes dies tanquam vitam ordinat, nec optat crastinum nec timet.

Der hingegen, der jeden Tag so einteilt, als wäre er sein Leben, sehnt sich nicht nach dem folgenden Tag – noch fürchtet er sich davor.

Wie alt können wir überhaupt werden?

In dem Text „Die Jahre“ lassen wir mal Goethe zusammenfassen, was wir spüren, bevor Sie weiter unten dann die wirklichen, die wahren Anti-Aging-Tricks lesen:

Die Jahre sind allerliebste Leut‘
Sie brachten gestern, sie bringen heut,
Und so verbringen wir Jüngeren eben
Das allerliebste Schlaraffenleben.

Und dann fällt’s den Jahren auf einmal ein,
Nicht mehr, wie sonst, bequem zu sein;
Wollen nicht mehr schenken, wollen nicht mehr borgen.
Sie nehmen heute, sie nehmen morgen …
Nun ist aber das Alter festgelegt, eine Eintagsfliege eben einen Tag, eine Schildkröte eben 200 Jahre, und wir maximal 120, das steht schon in Genesis 6, Vers 3 und wurde vor 3000 Jahren richtig erkannt und im 90 Psalm noch mal auf die mögliche Durchschnittslebenszeit runtergerechnet, die auch genau heute noch mit den Allianz-Sterbetafeln übereinstimmt. Die Worte von Jesaja (siehe unten) dagegen bleiben utopische Hoffnung, aber ein Symbol unseres Strebens nach CITIUS-ALTIUS-FORTIUS (= schneller, weiter, stärker) ein Gegenwartsgedanke, zur Tarnung nur in Latein gekleidet, er stammt aus der Rede zur Wiedereröffnung der olympischen Spiele 1894.

Genesis 6,3
Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf der Erde, sprach der Herr: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertzwanzig Jahre.

Jesaja 65, 20
Es sollen keine Kinder mehr da sein, die nur einige Tage leben, oder Alte, die ihre Jahre nicht erfüllen, sondern als Knabe gilt, wer hundert Jahre alt stirbt, und wer die Hundert nicht erreicht, gilt als verflucht.

Psalm 90, 10
Unser Leben währt 70 Jahre und wenn es hoch kommt, so sind es 80 Jahre, und wenn es köstlich war, so war es Mühe und … naja.

Nun also die fünf besten Tricks zum Anti-Aging
1. Freie Radikale fangen
2. Hungern
3. Hormone schlucken (brrrr.)
4. Gentechnische Eingriffe
5. chron. Entzündungen bremsen

1. wichtigste Ursache sind aggressive Moleküle, sogenannte Freie Radikale (sprachlich jedem verständlich!) – das sind unpaare Elektrone auf der Außenbahn, die aggressiv reagieren und durch Rauchen und UV-Strahlung und Umweltgifte entstehen! Wurden bereits 1950 von D. Harman beschrieben. Therapie dagegen Vit C und Vit E Infusionen helfen leider nur in der Theorie, da die antioxidative Wirkung (= d.h. das Sie nicht innerlich verrosten!) sich nur im antioxidativen Netzwerk mit Carotinoiden und Flavinoiden entfaltet. Also hier hilft nur Selbsthilfe: farbige Früchte essen! (an apple a day keeps the doctor away!)

2. Die AGE-Theorie besagt, dass die advanced glycosylation endproducts (A.G.E.) (für Fachfreaks: Schiff’sche Basen und Amadori Products) zu irreversiblen Proteinbindungen führen, die lassen Sie dann alt und schrunzelig aussehen! Therapie dagegen wird ganz modern als CR beschrieben, (ich kannte es bislang als FDH, friß die Hälfte) aber CR heißt caloric restriction und wenn Sie bei Wikipedia nachlesen, sehen Sie dass die Eintagsfliege zur Zweitagsfliege mutiert, wenn sie 30 % weniger frißt. Da das auch bei allen Säugetieren gilt, wird’s wohl auch beim Homo sapiens wirken, nur wer will’s erleiden.
Da haben wir eine gute zudem bekannte Methode: Es geht auch durch Rotweintrinken! Wilhelm Busch’s bekanntestes Bon Mot: Denn im Rotwein sind die Resveratrol-Stoffe besonders hoch und die führen zur Gewichtsreduktion, sie gelten im Fachbereich als die besten CR-Mimetika, also Stoffe, die das „fdH“ dem Körper in seinen Auswirkungen vorspielen. Rotweintrinken kann gar nicht früh genug angefangen werden. Es gehört zu den beiden Dingen, die wir gerne auf dem Rezeptblock sehen würden, aber leider leider … fand schon Eugen Roth:

 

 

Zwar gäbs manch prächtiges Rezept,
das jeder Doktor gern verschriebe:

Es fehlte weiter nichts als Liebe.
Doch fehlts an Apotheken dann,
wo man es machen lassen kann,
denn Liebe just wird auf der Welt
Noch nicht synthetisch hergestellt!

3. Hier die dritte wichtige Anti-Aging-Komponente: Hormone. Nirgendwo wird so viel verdient wie am Verkauf von Hormonen. Otto Reutter parodierte schon 1920 die damalige Mode sich Affendrüsen-Testosteron einspritzen zu lassen:

Sei modern, will’s Alter dich bezwingen,
Laß‘ durch Affendrüsen dich verjüngen.
Doch das dauert lang‘, drum tu‘ es bald –
Bis du richtig jung bist, bist du alt.
’s gibt Verjüngte schon, die rumspazieren –
Triffst du ein’n mit affigen Manieren,
darfst du nie „Sie alter Affe“ schrei’n,
denn der kann mal ’n Mensch gewesen sein.

Und es ist uns doch allen klar, dass im Alter die männlichen Hormone sinken, aber so einfach nachzulegen, hat auch Risiken, Thrombosen, Krebserkrankungen und mögliche Infarkte sind die Folgen. Gegeben werden alle NNR-Hormone, DHEA, Melatonin, Somatropin … na ja. Wir stehen hier vor viel Geld.

4. Hier haben wir die von Gott gegebe Altersursache, die in jedem Chromosom eingebauten Telomere, die Endkappen der Chromosomen. Sie bedeuten, dass eine Zelle sich nach (je eigenem Programm) pro Vermehrung einen Zipfel abschneidet, und da diese Zipfel auf 20 bis 60 begrenzt sind: wenn der letzte abgeschnitten ist, stirbt sie. Nur die Krebszelle ist unsterblich. Und deswegen tötet sie uns. Therapieansatz: Das Enzym Telomerase geben, es verhindert das Abschneiden … aber große Gefahr, wenn es das auch bei beginnenden Krebszellen tut, die sonst eventuell vorm Unglück gestorben wären, jetzt aber vorzeitig „ewiges“ Wachstum erhalten. Auch wieder kein geeigneter Ansatz.

5. Chronische subakute Entzündungen werden zusehens für Altersvorgänge verantwortlich gemacht, für Gefäßveränderungen, Gelenksveränderungen. Aber wie diese stoppen? An aspirin a day keeps the doctor away. Manche machen es. Aber, Aspirin gegen die vier Hauptkrankheiten des Alters? Arteriosklerose, Alzheimer, Osteoporose und Carcinome, die als Ursache einfach nur das Alter haben …

Es gibt eben nur einen realistischen anti-aging-Trick: früh zu den Göttern!

Sei modern …
Original-Couplet – Text und Melodie von Otto Reutter 1929

1.
Sei modern, dann wird’s dir wohlergehen –
Lern‘ das Tempo uns’rer Zeit verstehen.
Fahr‘ spazieren in der Luft geschwind,
Wo die „oberen Zehntausend“ sind.
Fährst du Bahn, fahr‘ in der Ersten Klasse
Auf dem „Holzweg“ ist die breite Masse.
Weiche nie von weicher Sitzungsart,
Denn nicht weich zu sitzen – das ist hart.

2.
Sei modern und arbeit‘ nicht so heftig –
Fremder Schweiß erhält dich frisch und kräftig.
Bist du stets zur Arbeit nur bereit,
Bleibt dir zum Verdienen keine Zeit.
Lebe flott, kannst ruhig Schulden machen;
doch nicht wenig, denn dann gehst du krachen.
Mach‘ so viel, dass du die Gläub’ger bannst –
und von deinen Schulden leben kannst.

3.
Sei modern, du brauchst nicht brav zu bleiben,
Du kannst schwindeln, tolle Sachen treiben,
Komm‘ als Prinz, betrüge voll Nobleß‘,
Zeig dich stolz in ’nem Betrugsprozeß.
Jede Zeitung wird’s dir honorieren,
Film und Fernseh’n werd’n dich engagieren –
Heutzutage frißt nur der sich satt,
der vorher was ausgefressen hat.

4.
Sei modern, lies keine alten Dichter
Schon‘ die Werke dieser Geisteslichter.
Laß‘ die Bücher hübsch im Schranke steh’n,
Wo sie grollend dir den Rücken dreh’n.
‚S gibt ein Singspiel jetzt, mit viel Musike –
Da singt Goethe mit der Friederike.
‚S ist nicht nötig, dass du Goethe liest –
Es genügt, wenn du das Singspiel siehst.

5.
Sei modern, schenkt dir dein Weibchen Kinder,
Unmoderne Vornamen verhinder‘.
Fritze, Wilhelm, Grethe und Marie –
Solche Namen wählt man heute nie.
Dennis ist ein hochmoderner Name,
Nicole heißt heute fast jede Dame.
Hauptsach‘, dass du vorne auswärts bist,
Wenn du hinten auch bloß Schulze bist.

6.
Sei modern, wenn Damen dich empfangen,
Preise nie die Röte ihrer Wangen.
Dazu hab’n sie Schminke oft gewählt
Und sie sind verpudert und vermehlt.
Preis‘ auch niemals ihre blonden Haare,
Denn die war’n vielleicht noch schwarz vor’m Jahre.
Wenn sie graue hab’n, die lobe recht,
Denn die grauen, die sind immer echt.

7.
Sei modern, will’s Alter dich bezwingen,
Laß‘ durch Affendrüsen dich verjüngen.
Doch das dauert lang‘, drum tu‘ es bald –
Bis du richtig jung bist, bist du alt.
’s gibt Verjüngte schon, die rumspazieren –
Triffst du ein’n mit affigen Manieren,
darfst du nie „Sie alter Affe“ schrei’n,
denn der kann mal ’n Mensch gewesen sein.

8.
Sei modern, kommt dir auf deinen Wegen
Mal ein Freund aus früh’rer Zeit entgegen.
Frag‘ ihn nie, wie ’s geht, das wär‘ nicht recht,
Denn den meisten Menschen geht’s heut‘ schlecht.
Stundenlang wird er sich an dich klammern –
Drum, bevor er anfängt mit dem Jammern,
sei modern und pumpe du ihn an,
Sollst mal sehn, wie rasch der laufen kann.

Und nu – und das zu guter Letzt: Alle Unklarheiten versetzt?

Jan. 2024 | Allgemein, In vino veritas, Junge Rundschau, Senioren, Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch | Kommentieren