Eine Petition gegen den AfD-Politiker Björn Höcke findet hohen Zuspruch, es geht um die sogenannte Grundrechtsverwirkung. Einen Antrag könnte die Bundesregierung stellen.

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Grundrechtsverwirkung: Björn Höcke, AfD-Fraktionschef, während der Sitzung des Thüringer Landtags im Dezember 2023
Björn Höcke, AfD-Fraktionschef, während der Sitzung des Thüringer Landtags im Dezember 2023 © Martin Schutt/​dpa

Von vielen Seiten wird ein Verbotsverfahren gegen die AfD gefordert. Hohen Zuspruch findet derzeit aber auch eine andere Möglichkeit, das Erstarken der Partei, wenn möglich, zu verhindern: ein Antrag auf Entzug der Grundrechte für herausragende Verfassungsfeinde. Eine entsprechende Petition, die sich namentlich gegen den Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschef Björn Höcke richtet, wurde bereits von mehr als 830.000 Menschen unterzeichnet.

Höckes Landesverband wird vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem einstuft. Die Petition appelliert an die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen, FDP sowie den Oppositionsfraktionen CDU/CSU und Linke, die Bundesregierung zu einem entsprechenden Antrag beim Bundesverfassungsgericht zu bewegen.

Auf der Petitionsplattform des Kampagnen-Netzwerks Campact sind bereits mehr als 830.000 Unterschriften eingegangen für den Vorstoß unter dem Titel „Stoppen Sie den Faschisten Björn Höcke: Veranlassen Sie, dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 Grundgesetz stellt“. Damit ist das Quorum weit übererfüllt: Ab 50.000 Unterstützern muss sich der Petitionsausschuss des Bundestags mit einer öffentlichen Petition befassen und Gelegenheit zur Anhörung geben.

AfD liegt in Umfragen vorn

In Thüringen steht im September eine Landtagswahl an. Höckes AfD liegt in den Umfragen mit großem Abstand vorn. Sie kommt derzeit auf 34 bis 36 Prozent.

Die Möglichkeit des Grundrechteentzugs ist im Grundgesetz geregelt. In Artikel 18 heißt es: Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das Eigentum oder das Asylrecht „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht, verwirkt diese Grundrechte. (…) Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.“ Dafür ist ein Antrag des Bundestags, der Bundesregierung oder einer Landesregierung nötig.

In der Geschichte der Bundesrepublik wurde so ein Antrag erst wenige Male gestellt ­– jedoch nie erfolgreich. 1974 etwa stellte die Bundesregierung einen entsprechenden Antrag gegen den Herausgeber der National-Zeitung, Gerhard Frey. In den Neunzigerjahren wurden Anträge gegen die Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz gestellt. Alle wurden abgelehnt, die letzten sogar ohne Begründung. Zudem wurden die Anträge bisher stets erst nach einer Dauer von mehreren Jahren entschieden. Es ist also davon auszugehen, dass eine Entscheidung über einen potenziellen Antrag gegen Höcke nicht vor den Landtagswahlen getroffen werden würde.

Dietmar Bartsch ruft zur Unterzeichnung auf

Im Falle einer Grundrechtsverwirkung besteht die Möglichkeit, jemandem das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter abzuerkennen. Dabei können die Richter in Karlsruhe auch nur einzelne Grundrechte entziehen und dies außerdem zeitlich befristen, jedoch auf mindestens ein Jahr.

Die Petition wurde bereits vor zwei Monaten gestartet. Nach Bekanntwerden des Potsdamer Treffens von Rechtsextremisten mit einigen AfD-Funktionären und auch CDU-Mitgliedern hat der Zuspruch in den vergangenen Tagen stark zugenommen.

Der Linkenpolitiker Dietmar Bartsch rief zur Unterzeichnung der Petition auf, verlangte von den Parteien aber eine politische Auseinandersetzung. „Diese Petition aus der Mitte der Gesellschaft ist begrüßens- und unterstützenswert, und ich wünsche mir, dass viele Bürger diese unterzeichnen“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Er habe sie aber nicht unterschrieben, denn: „Wir Politiker müssen die politische Auseinandersetzung führen.“

736 Kommentare

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ED

Eddie_Dean

Sofort Unterschrieben!

d

deLinhuberin

Es führt kein Weg an einem Verbotsantrag gegen die AfD gesamt vorbei. Selbst wenn Höcke das passive Wahlrecht entzogen würde – er darf weiter Reden schwingen und wird weiter die AfD maßgeblich beeinflussen. Dann stellt er sich halt hin und empfiehlt einen Strohmann zur Wahl, von dem alle wissen, dass er (vermutlich keine sie …) tut was Höcke will.

Die wehrhafte Demokratie muss den Antidemokraten gesamt entgegentreten und aufhören, sie mit staatlicher Finanzierung, Abgeordnetenrechten und Reichweite zu alimentieren.

Und zwar bald, bevor das braune Pack in die Situation kommt, die Justiz zu beeinflussen. Ging bis jetzt deutlich schneller als alle noch vor ein oder zwei Jahren befürchtet hätten.

Z

Zantoris

Nach den landesweiten Protesten gegen die AfD stimmt bis das wirklich positiv. Die Zivilgesellschaft muss ein klares Signal an die AfD senden. Rechtsextreme Umtriebe finden in diesem Land keine Mehrheit.

MO

Machet Otze

Das ist richtig und wichtig und ich erwarte von der Bundesregierung, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird, anstatt aus Angst vor der Reaktion den Schwanz einzuziehen. Das Risiko ist ungleich geringer als ein Parteiverbotsverfahren. Der Rechtsstaat muss sich gegenüber den Verfassungsfeinden endlich als wehrhaft erweisen, anstatt es zuzulassen, dass diese den Staat auf legalem Wege kapern.

Avatarbild von Haliflor

Haliflor

Bürgerrechtlich bedenklich, verfassungsstaatsrechtlich widersprüchlich. Und wie wirkt es sich aus, wenn, was nicht unwahrscheinlich ist, das Bundesverfassungsgericht den Antrag auf Grundrechtsverwirkung ablehnt?

2

21mal2

Art 20 Absatz 4 GG

Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Jan. 2024 | In Arbeit | Kommentieren

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