Kein einziges Land tut genug, um das Pariser Klimaziel zu erreichen, lautet das vernichtende Urteil des Klimaindex. Damit steuert die Welt geradewegs auf eine Erderwärmung von weit mehr als 1,5 Grad zu.
Die Folgen wären – auch hierzulande – drastisch.
Auf der Klimakonferenz in Dubai ringt die Welt um einen Weg, sich der größten Bedrohung für die Menschheit entgegenzustemmen. Bereits 2021 erklärte die Weltgesundheitsorganisation den Klimawandel zur größten Gefahr für die menschliche Gesundheit, als Katalysator für Krisen ist die Erderwärmung längst als Sicherheitsbedrohung anerkannt. Denn vor allem die Menschen im globalen Süden leiden schon jetzt unter den verheerenden Folgen. Extremwettereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überflutungen werden heftiger und häufiger: Die Flutkatastrophe in Libyen mit Tausenden Toten, die Jahrhundertdürre im brasilianischen Amazonasgebiet und ein Hitzerekord nach dem anderen in Südostasien sind nur einige Beispiele aus diesem Jahr.
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Allerdings hat der Klimawandel auch hierzulande – schon jetzt – ganz konkrete Folgen. So hat sich Deutschland laut dem aktuellen Monitoringbericht sogar stärker erwärmt als im internationalen Vergleich. Seit 1881 ist die Lufttemperatur um 1,7 Grad gestiegen. Zum Vergleich: Die globale Durchschnittstemperatur liegt 1,1 Grad über dem Wert der Referenzzeit.
Rekord-Hitzewellen ereignen sich auch hierzulande immer häufiger, erklärt Peter Hoffmann den starken Anstieg der Durchschnittstemperatur im Gespräch mit ntv.de. Der Meteorologe und Klimaforscher am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt: „Die Zahl der Hitzetage, also Tage mit über 30 Grad, hat sich seit den 1960er bis 1980er Jahren verdoppelt.“ Zudem seien bereits Veränderungen beim Niederschlag zu beobachten. „Dabei geht es vor allem um die Verteilung des Niederschlags, weniger um die Gesamtmenge.“ Auf der einen Seite komme es bereits zu längeren Trockenphasen. Das ist nicht nur für die Vegetation im Frühjahr ein Problem, sondern führte zuletzt auch zu Wasserpegel-Tiefständen von Rhein und Bodensee.
„Auf der anderen Seite ist das Potenzial für extreme Niederschläge gestiegen, weil die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann“, fügt Hoffmann hinzu. Wenn es im Sommer also mal regnet, so der Experte, sei dies bereits viel intensiver. Da die Wassermassen vor allem in Städten wenig Möglichkeiten zum Abfließen haben, „münden sie lokal in Sturzfluten“. Wie gefährlich das ist, zeigte sich im Sommer 2021 im Ahrtal.
„Steuern auf 3-Grad-Welt zu“
Dieser Trend hin zu häufigeren und verstärkten Extremwettereignissen werde sich in den kommenden zwei Jahrzehnten mit großer Wahrscheinlichkeit fortsetzen, sagt Hoffmann. Wie es danach weitergeht, „hängt auch davon ab, wie sich die Klimaschutzbemühungen weltweit entwickeln“. Im Moment sei die Tendenz jedoch deutlich: „Mit den momentanen nationalen Klimaversprechen und den tatsächlichen Bemühungen zum Einsparen von Emissionen steuern wir direkt auf eine 3-Grad-Welt zu.“ Die Auswirkungen wären drastisch, auch hierzulande-

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Als Landgebiet drohen Deutschland dann sogar 4 bis 5 Grad Erwärmung, erklärt Hoffmann. Jahre wie 2018, die wegen ihrer Hitzewelle als Extremjahr galten, könnten dann zum Normalfall werden. Zudem würde das Starkregen-Risiko deutlich steigen. Schwere Hochwasser wie 2002 oder 2013, die bislang Jahrhundertereignisse waren, könnten viel häufiger auftreten. Der Meteorologe verweist auf die extremen Regenfälle in Mittelmeerländern wie Italien und Griechenland im Spätsommer dieses Jahres. „Das waren Niederschlagsmengen innerhalb von 24 Stunden, wie wir sie in Berlin oder Hamburg durchschnittlich nur im ganzen Jahr kennen.“ Durch den Zustrom von Mittelmeerluft nach Deutschland sei das Potenzial für solche Extremereignisse aber auch hier durchaus gegeben.
Gleichzeitig nehmen bei einer derart starken Erwärmung die Trockenperioden zu, fährt der Klimaforscher fort. Das führt nicht nur zu Trockenheit, die bis in tiefere Bodenschichten reicht. Auch das Grundwasser erreicht in den trockenen Phasen Niedrigpegel, die selbst in weniger trockenen Jahren kaum ausgeglichen werden können. „Die große Herausforderung wird es, den Kontrast zwischen zu viel und zu wenig Wasser auszugleichen“, sagt Hoffmann. „Dürre und Starkregen – beides wird in Deutschland zum Problem.“ Man müsse auch bedenken, dass „unsere Landwirtschaft, im Prinzip unsere ganze Wirtschaft, von vielen wetterbedingten Regelmäßigkeiten geprägt ist.“
Die Generationenaufgabe
Damit wird der Klimawandel, zumindest in hiesigen Regionen, vor allem für die jüngeren und künftigen Generationen zur Bedrohung. Sie werden, das belegen die Forschungen, noch deutlich stärker von den Auswirkungen betroffen sein. Verhindert werden könne das nicht mehr, sagt Hoffmann. Allerdings sei es nun das oberste Gebot, die Folgen so weit wie möglich abzumildern. „Wenn wir es schaffen, unter 2 Grad zu bleiben, werden Klimarisiken zum Beispiel kalkulierbarer. Über 2 Grad wird es viel schwieriger, die notwendigen Maßnahmen zu planen.“
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Am Ende sei es auch eine Kostenrechnung. Jetzt in Klimaschutz-Technologien zu investieren, sei günstiger als die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung und Schadensbegrenzung, wenn es zu spät ist. „Das ist natürlich nichts, was sich sofort auszahlt, sondern eine Generationenaufgabe“, sagt der Meterologe. „Was den jetzigen Part angeht, sehe ich aber große Defizite.“
Aus einem ähnlichen Grund schlug das Bundesverfassungsgericht bereits im April 2021 Alarm. Die Richterinnen und Richter erklärten das damalige Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig, weil es das verbleibende CO2-Budget zwischen den Generationen ungerecht verteilte. Die große Emissionsmenge, die das Gesetz bis 2030 erlaubte, hätte zwangsläufig zu massiven Einschnitten im Leben der darauffolgenden Generationen geführt. Denn um das Pariser Klimaziel dann noch zu erreichen, wären drastische und kurzfristige Maßnahmen notwendig. Von diesen wäre, so das Gericht, „praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen“.
Jüngere und Ärmere leiden am meisten
Damit stellte Karlsruhe fest, dass eine vergleichsweise milde Belastung von heute nicht zu einer radikalen Last von morgen werden darf. Der Gesetzgeber muss das Restbudget an CO2 – und damit an Freiheitschancen – gerecht verteilen.

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Andernfalls verfehle Deutschland seine Generationenaufgabe, betont Volker Stelzer vom Karlsruher Institut für Technologie im Gespräch. Doch nicht nur das: Mit der Erderwärmung droht auch die soziale Ungleichheit zuzunehmen, wie der Geograf erklärt. So werden neben jungen Menschen vor allem die Ärmeren von den Auswirkungen betroffen sein. „Wer mehr Geld hat, hat auch mehr Möglichkeiten, sich den Folgen des Klimawandels anzupassen, etwa indem er oder sie das Haus klimatisiert.“
Unterschiede bestehen auch bei den Ausweichmöglichkeiten. „In einer 3-Grad-Welt wird es zum Beispiel keine europäischen Gletscher mehr geben und viele Wälder, wie wir sie heute kennen, werden abgebrannt sein.“ Wer es sich nun leisten kann, so Stelzer, könne allerdings nach Grönland oder Kanada fliegen, um Gletscher zu sehen oder sich gar sein eigenes Walderlebnis im Gewächshaus bauen. Ähnlich sei es bei Menschen mit Vorerkrankungen. Wer etwa unter einer Lungenkrankheit oder Kreislaufbeschwerden leide, werde bei zunehmender Hitze deutlich größere Probleme haben. Der Experte mahnt: „Kranke und ärmere Menschen, die sich das Anpassen und Ausweichen nicht leisten können, werden deutlich mehr unter den Folgen des Klimawandels leiden.“
„Heutige Beschränkungen erhöhen Freiheitsgrade von morgen“
Nun sei die Liste an Möglichkeiten, jetzt in Klimaschutz zu investieren und Emissionen einzusparen, lang. Dabei ist kaum eine Option neu, Stelzer nennt etwa Tempolimit und höhere Preise für Flugtickets als „einfache und effektive Maßnahmen“. Gerade im Flugverkehr gebe es zahlreiche Stellschrauben. „Wir haben zum Beispiel nicht einmal eine Mehrwertsteuer auf Flugbenzin, geschweige denn eine CO2-Abgabe“, klagt der Experte. „Das kann man in unserer Lage schon fast schizophren nennen.“
Auch das Dienstwagen-Privileg sei aus klimapolitischer Sicht problematisch
„Es geht nicht darum, Autos abzuschaffen, aber der Dienstwagen triggert ja praktisch dazu, ins Auto zu steigen, statt auf die Bahn zu setzen.“ Schließlich könnte man auch darüber nachdenken, die Emissionen über den Lebensmittelmarkt zu regulieren, sagt Stelzer. Der Wissenschaftler gibt ein Beispiel: „Wir könnten die Kosten des Klimawandels in die Lebensmittel einspeisen, die ihn befeuern. Das wären zum Beispiel Milch, Käse und Rindfleisch. Im Gegensatz dazu könnten wir die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel wie Erbsen, Kartoffeln und Zwiebeln ganz erlassen.“ So könnte man die Kosten des Klimawandels gerechter zuordnen, erklärt der Experte.
All diese Maßnahmen würden dazu beitragen, eine 3-Grad-Welt möglichst zu verhindern. Im Prinzip sei es einfach, sagt Stelzer. „Je weniger die Menschen heute fliegen, Auto fahren und mit fossilen Brennstoffen heizen, desto milder fallen die Einschränkungen der künftigen Generationen aus.“ Die Beschränkungen von heute erhöhen die Freiheitsgrade von morgen. Allerdings, wendet der Experte ein, passiere das eben kaum freiwillig. „Deswegen braucht es noch viel mehr Aufklärung und vor allem harte Vorgaben.“ Genau daran hapere es allerdings.
„Werden Budget überschreiten“
So hat der Gesetzgeber beim Klimaschutzgesetz nach dem Rüffel aus Karlsruhe zwar nachjustiert. Allerdings bezweifelt Stelzer, dass das aktuelle Gesetz ambitioniert genug ist, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten. „Vor allem im Hinblick darauf, dass im Sommer sogar Druck herausgenommen wurde.“ Tatsächlich wurde das Klimaschutzgesetz jüngst entschärft. Verbindliche Emissionsziele für einzelne Ministerien und verpflichtende Sofortprogramme bei Zielverfehlungen sind weggefallen. Damit wird vor allem das Verkehrsministerium, das seinen Emissionszielen deutlich hinterherhinkt, entlastet.