Im Namen der Weißen Rose: Hans und Sophie Scholl vor ihrer Ermordung am 22. Februar 1943

Auf hunderten Flugblättern, die sie in regelmäßigen Abständen von einer Empore in den Innenhof ihrer Universität warfen, riefen sie zum Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime auf.

Zunächst konnten die Geschwister die Tat glaubhaft abstreiten. Doch dann findet die Gestapo in Hans Wohnung Hunderte Briefmarken und die Skizze eines Flugblattes. Die Beweislast ist erdrückend – Hans Scholl gesteht.
Heute ist bekannt, dass sowohl Hans Scholl als auch der verhörende Gestapo-Kommissar Robert Mohr versucht hatten, zumindest das Leben von Sophie Scholl zu retten – und damit auch beinahe erfolgreich waren. Mohr hatte Sophie Scholl während der Vernehmung zweimal die Chance gegeben, der Höchststrafe zu entkommen.

„Ich würde alles genau noch einmal so machen“

Sie hätte dafür die Verantwortung für die Flugblätter von sich weisen müssen und sich von der Überzeugung des Bruders distanzieren. Hans Scholl hatte behauptet, die Schriften ganz alleine produziert und verbreitet zu haben.
„Sie täuschen sich, ich würde alles genau noch einmal so machen, denn nicht ich, sondern Sie haben die falsche Weltanschauung.“ (Sophie Scholl in ihrem Verhör)

Doch Sophie Scholl ließ sich darauf nicht ein. Sie nahm alle Schuld auf sich und versuchte wiederum, den Bruder zu entlasten.

Geschwisterliebe trifft Charakterstärke

All das geht sowohl aus den Protokollen der Vernehmung hervor, als auch aus einem Bericht, den Robert Mohr 1951 dem Vater der Hingerichteten zukommen lässt.
„Dass die hier zum Ausdruck gekommene Geschwisterliebe, diese Opferbereitschaft und Charakterstärke auf mich selbst wie auf alle die übrigen Beteiligten den stärksten Eindruck machte, brauche ich wohl nicht besonders hervorzuheben“, schreibt er da.

Eine unerschütterliche Überzeugung

Am 22. Februar 1943 enthauptet der NS-Henker Johann Reichhart Hans und Sophie Scholl und mit ihnen den Freund und Unterstützer Christoph Probst durch die Guillotine. Noch nie habe er jemanden so tapfer sterben sehen wie Sophie Scholl, sagt Reichart später.
Zum engsten Kreis der Widerstandsgruppe Weiße Rose gehörten neben Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst noch weitere Personen. Am 13. Juli 1943 werden Alexander Schmorell und Kurt Huber hingerichtet, am 12. Oktober töten die Nationalsozialisten Willi Graf.

In der detailreichen Darstellung des Theologen Robert M. Zoske über den vor 80 Jahren am 22 Februar mit 24 Jahren zum Tod verurteilten Medizinstudenten wird deutlich, dass das Bild, das die Deutschen von einem der berühmtesten Gegner der Nationalsozialisten haben, unvollständig ist. Hans Scholl war ungewöhnlich mutig, das wusste man; weniger bekannt war, aus welch unteraxgidlichen Quellen sein Mut sich speiste. Scholl, das zeigt Zoskes Biografie, war eigenwillig und unangepasst, er war elitär und kompromisslos. Der Anführer der „Weißen Rose“, eine Art säkularer Heiliger, aus dessen Handeln mehrere Generationen von Nachkriegsdeutschen einen gewissen Trost angesichts der Untaten ihrer Väter und Großväter schöpften.

Hans und Sophie Scholl faszinieren bis heute

Bis heute faszinieren Hans und Sophie Scholl und ihr absolutes Eintreten für ihre Überzeugungen. Besonders über Sophie Scholl ist viel geschrieben worden. Sie war eine ernste, entschlossene junge Frau mit einem tiefen Glauben. Erst nach und nach wandelte sie sich zu einer Kritikerin des NS-Regimes: „Hans ist mein Bruder und so eine Art Vorbild. Na ja, nicht in allem, zugegeben. Für mich hat Hans etwas von einem Leuchtturm“
Sophie und Hans Scholl zahlten für ihren Widerstand gegen das NS-Regime mit dem Leben. Vor genau 80 Jahren wurden sie in München hingerichtet. Ihre Botschaft: weiter lebendig. Ihr Tod jährt sich zum 80. Mal.

Thomas Mann war vom Widerstand der Weißen Rose
gegen das Nazi-Regime beeindruckt
.

„Brave, herrliche junge Leute! Ihr sollt nicht umsonst gestorben, sollt nicht vergessen sein“, sagte der Literaturnobelpreisträger am 27. Juni 1943 im britischen Radiosender BBC.
Ihre Ermordung war erst der Auftakt. Bis 1945 wurden vier weitere Mitglieder der Gruppe umgebracht, viele andere aus dem Umfeld kamen in Haft.

Im Sommer 1942 erschienen die ersten Flugblätter
mit Schandtaten der Machthaber :

„Wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten?“, heißt es darin.
Insgesamt sechs Flugblätter wurden veröffentlicht, in denen auch zum Sturz der Nationalsozialisten aufgerufen wurde.

Am 18. Februar 1943 dann ein schicksalhafter Tag: Gegen 11 Uhr legen die Geschwister Scholl in der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München das sechste Flugblatt aus, das zum Tag der Abrechnung aufruft.

Ein Hausmeister beobachtet die Geschwister und schlägt Alarm

Roland Freisler- Der „Blutrichter“

Und wenig später werden beide festgenommen, zwei Tage später auch Christoph Probst.

Nur vier Tage später fällt der Präsident des Volksgerichtshofs,
Roland Freisler, sein Urteil, das der Henker Johann Reichhart wenig später auch vollstreckt.
„Es lebe die Freiheit“, ruft Hans Scholl, bevor er im Gefängnis Stadelheim den Kopf unter das Fallbeil legt. Seine Schwester Sophie und Probst sterben auf die gleiche Art.

Die Reaktionen auf die Hinrichtungen nennt der Historiker Andreas Wirsching „ambivalent“. „Am Abend des 22. Februar 1943 versammelten sich mehr als 3.000 Studenten an der Münchner Universität, um ihre „Treue zum Führer“ zu bekunden.
Allerdings zeigte sich, dass die Weiße Rose mehr Sympathisanten hatte als vermutet.
Überdies wird man davon ausgehen müssen, dass die große Mehrheit der Deutschen die Hinrichtung ohne große Teilnahme zur Kenntnis nahm – wenn überhaupt.

Andreas Wirsching: Flugblätter „Höhepunkt des deutschen Widerstands“

Die Erinnerung an die Weiße Rose ist bis heute lebendig. Politisch, intellektuell und moralisch seien die Flugblätter „der Höhepunkt des deutschen Widerstands gegen Hitler“ gewesen, sagte Wirsching.
„Nicht zuletzt sind sie das einzige Dokument des deutschen Widerstandes, in dem der Massenmord an den Juden beim Namen genannt und als das bezeichnet wird, was er war“, erklärte der Historiker.

Dass es die Stimme der „Weiße Rose“ ganz zum Schweigen bringen wollte,
gehört zur verbrecherischen Logik des NS-Regimes

 

Dez. 2023 | Allgemein, Junge Rundschau, Sapere aude | Kommentieren