Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt: Bald wird es schnei’n –
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!
Nun stehst du starr,
 Schaust rückwärts ach! Wie lange schon!

Was bist du Narr 
Vor Winters in die Welt – entflohn?
Die Welt – ein Thor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer Das verlor,
 Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich, 
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
 Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg’, Vogel, schnarr’
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –
 Versteck’, du Narr,

Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrei’n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei’n,
Weh dem, der keine Heimat hat!

Tristesse der Lebensgier, Tristesse der Einsamkeit

Stockend in den kurzen, treibend in den langen Zeilen, zerreißt schon der Rhythmus dies Gedichts das teilnehmende Herz. Fliehen oder bleiben? Die zwei Krähenstrophen umrahmen ein unheimliches Selbstgespräch. Einer verhöhnt sich: du Narr!
Den Einsamen lockt die Welt und verrät ihn zugleich. Was ist „die Welt“? Sie ist Liebe und Leben, Glück und Gier; der Ort des Widersachers, wie in der asketischen Tradition. Ein Tor zu tausend Wüsten nennt sie der Enttäuschte. Was sind Wüsten? Die Wüste ist die Weltlust. „Unter Töchtern der Wüste“ heißt der gequälte Bordellpsalm, in dem Nietzsche seinen Zarathustra, „umsphinxt“ von „Mädchen-Katzen“, „lüstern nach einem runden Mädchen-Maule“, zeigt.
Nach Freiheit vom wüsten Begehren lechzt der Unerlöste, zum Trieb Verfluchte. Die Lust ist Pein. Ihr Geräusch ist nicht lieblich, sondern rasselnd. Schnarr dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton!

Dez. 2023 | Allgemein, Feuilleton, Senioren | Kommentieren