40% der Schüler und Studenten leiden aufgrund von zu hohem Stress unter psychischen Belastungen. Deutsche Schulen sind nicht ausreichend digitalisiert, „wir arbeiten mit Tafelkreide statt Whiteboardstiften“. Der Fachkräftemangel trifft auch das Klassenzimmer: Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Schulpsychologen fehlen, mit ihnen auch ausreichende Unterstützung für Lernende.
Unterrichtet wird wie vor 50 Jahren, wir setzen auf verstaubte statt innovative Unterrichtsmethoden. Rechtsextremismus und Diskriminierung machen vor Schultoren keinen Halt und führen zu Gewalt auf dem Pausenhof. Aufstieg durch Bildung? Von
wegen, der sozioökonomische Hintergrund bestimmt noch immer den Bildungserfolg.
Diese Liste könnte nahezu endlos fortgesetzt werden, aber es steht fest: Wir stecken tief in einer
Bildungskrise, aktuell läuft einiges massiv schief und in den zentralen Bereichen einer modernen
Bildungspolitik hängt Deutschland dramatisch hinterher.
Immer wieder werden neue Arbeitsgruppen, Gesetzesentwürfe, Maßnahmenpakete oder Finanztöpfe
vorgestellt, die uns aus dieser Lage befreien sollen. Eine Gruppe, die dabei aber fast gar nicht beachtet
wird, eine Perspektive, die dabei nicht gehört wird, ist die der fast 9 Millionen Lernende in unserem
Land. Während Ministerien und Verbände fleißig vor sich hin maßnahmeln, stellt sich niemand die
Frage, was eigentlich Lernende, die von diesen Entscheidungen am meisten betroffen werden, wollen.
Schülervertretungen sind nicht dafür da, um Nikolausaktionen und Kuchenstände zu betreiben und
für Abikassen zu sammeln, sondern um Bildungspolitik durch Interessensvertretung aktiv
mitzugestalten. Eine echte Bildungswende erreichen wir nur, wenn alle Beteiligten gemeinsam an
einem Strang ziehen – und da sollten Schüler und Studenten ganz vorne mit dabei sein.
Um den vielen Lernenden in unserem Land Gehör zu verschaffen, Ideen zu bündeln und Bildung ganz
neu zu denken, lud die Bundesschülerkonferenz vom 20. bis 22. Oktober Lernende aus ganz
Deutschland zum Bildungskongress 2023 nach Berlin ein. Drei Tage lang nahmen sie an Workshops,
Debatten und Diskussionen teil, vernetzten sich und tauschten sich über ihre Vision von Schule aus.
Politiker, Bildungsverbände und Jugendorganisationen brachten ihre Perspektiven in diesen
Austausch mit ein. Dieses Forderungspapier ist das Ergebnis. Es entstand unter Mitwirkung von mehr
als dreihundert Lernenden basierend auf dem Grundsatzprogramm der Bundesschülerkonferenz und
fordert eine radikale Bildungswende von den politisch Verantwortlichen.
Effektive Digitalisierung
Der Ausbau digitaler Infrastruktur an Schulen muss drastisch beschleunigt werden. Mehr
Tempo geht nur mit weniger Bürokratie. Vor allem regionale Ungleichheiten und
Standortunterschiede müssen behoben werden. Zeitgleich muss digitale Kompetenz
gleichwohl von Lehrkräften, Lernenden, aber auch Eltern erlernt werden.
Konsequent gegen Lehrkräftemangel
Guter Unterricht braucht ausreichend Lehrkräfte. Die Bundesländer sollten nicht um Personal
konkurrieren, sondern gemeinsam an einer pragmatischen Lösung arbeiten: Neben
Übergangslösungen muss dazu der Beruf attraktiver gestaltet, das Lehramtsstudium
reformiert und die Entlastung von Verwaltungsaufgaben umgesetzt werden.
Unterricht grundlegend neudenken
Schulen brauchen die notwendige Freiheit moderne Unterrichtsmethoden einzusetzen. Hier
betonen wir vor allem weniger Frontalunterricht, andere Unterrichtszeiten und politische
Bildung, die Demokratie stärkt und erlebbar macht.
Schule für alle: Inklusion und Chancengerechtigkeit
Barrierefreie Zugänge, inklusiver Unterricht und Chancen unabhängig vom
sozioökonomischen Hintergrund: Bildungspolitik soll unterschiedliche Voraussetzungen
ausgleichen. Heute mehr denn je muss Bildung für jeden ermöglicht werden – klar
ausgerichtet gegen jegliche Form der Diskriminierung und des politischen Extremismus.
Lernen fürs echte Leben
Berufsbildung ist ein zentraler Bestandteil lebensvorbereitender Schule. Dies gelingt
insbesondere durch aktive Informationsveranstaltungen, hochqualitative Praktika und
integrierte Berufsberatung. Dafür braucht es viel stärkere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
und Respekt vor allen Abschlüssen sowie Berufswegen.
Stärkerer Fokus auf mentale Gesundheit
Durch Pandemie und weitere Krisen sind Lernende hoher psychischer Belastung ausgesetzt.
Schule darf vor diesem Hintergrund kein weiterer Belastungsfaktor werden, sie muss
stattdessen bei der Bewältigung unterstützen. Die Schulpsychologie muss weiter
institutionalisiert und mit neuen Stellen ausgestattet werden; auch hier muss der
Fachkräftemangel angegangen werden.
Gemeinsam für die Zukunft der Bildung
Wir fordern Bund und Länder auf, Bildung als parteiübergreifende Gemeinschaftsaufgabe zumbetrachten, neue Formen der Zusammenarbeit zu entwickeln und ausreichend finanzielleMittel zur Verfügung zu stellen, um allen Lernenden Deutschlands den Zugang zu besterBildung zu ermöglichen. Die Politik muss das Versprechen vom Aufstieg durch Bildung verwirklichen und bundesweit gerechte Voraussetzungen schaffen- (Bild: Fassade: KFG HD)