Den 125. Geburtstag Wilhelm Fraengers zu feiern, füllte ein illustrer Kreis den Großen Salon „Palais Morass“ des Kurpfälzischen Museums Heidelberg. Wir waren – schon ne Weile her – dabei, haben mitgefeiert und schenken ihm, uns und Ihnen nochmals – nunmehr „anlasslos“ – diese Miszellen aus seinem Leben:
„Ihm sollte mehr als ein Denkmal gesetzt werden -, war doch der Radius seiner geistigen Ausstrahlung, seines Wissens und seiner Darstellungs- und Übertragungsgabe geradezu unerschöpflich“ – schrieb Carl Zuckmayer am 4. April 1964 an Gustel Fraenger, die Witwe Wilhelm Fraengers. Sein „Hieronymus Bosch“ hat ihm zwar eine Art Weltruhm eingetragen, doch wer ihn nicht gekannt und wie wir eine Zeit lang unter seinem Einfluss gestanden hat, ahnt nichts vom Reichtum und der Fülle des Geistes und der Macht seiner elementarischen Phantasie …
Das Aushandeln von Koalitionsverträgen ist eine heikle Angelegenheit. Die Wähler erwarten, dass sich endlich eine neue Regierung konstituiert und an die Arbeit macht, potenzielle Minister und frisch gewählte Parlamentarier scharren ungeduldig mit den Hufen. Wenn eine Partei dann auch noch gerade vom Wähler abgewatscht wurde, aber unbedingt an der Macht bleiben will, lässt sie sich mitunter zu Kompromissen breitschlagen, die ihr dann später leidtun.
So geschehen in Baden-Württemberg bei der CDU: Nach der Landtagswahl im Frühjahr 2021 gaben die geschwächten Christdemokraten, obgleich schon damals widerstrebend, dem grünen Seniorpartner bei einem Wunsch nach, den sie nun am liebsten wieder einkassieren würden. Grün-Schwarz hat sich nämlich verpflichtet, auch auf Landes- und Kommunalstraßen eine Lastwagen-Maut einzuführen – selbst dann, wenn Baden-Württemberg das einzige Bundesland in ganz Deutschland mit dieser Art des Abkassierens bliebe.
Das Versprechen ist der CDU nun offenkundig höchst unangenehm. Fast flehentlich appellierte ihr verkehrspolitischer Sprecher Thomas Dörflinger an die Grünen, angesichts der „massiv eingetrübten wirtschaftlichen Lage“ doch bitte ein Einsehen zu haben. Schließlich habe im Frühjahr 2021 doch niemand voraussehen können, dass die wenige Monate später gewählte Berliner Ampel eine Verdoppelung der Maut auf Autobahnen und Bundesfernstraßen plane. „Wir müssen unsere Unternehmen unterstützen, indem wir sie nicht mit neuen Abgaben belasten“, so der Fraktionsvize.
Doch die Grünen in Baden-Württemberg bleiben stur: Der Gesetzesentwurf soll kommen, bekräftigt Verkehrsminister Winfried Hermann, der mit der Landes-Maut die Straßen sanieren und die Verkehrswende finanzieren will. Daher wankt Hermann, der in seinen nunmehr zwölf Jahren als Landesverkehrsminister schon oft als „Autohasser“ beschimpft wurde, diesen Vorwurf aber kategorisch zurückweist, keinen Zentimeter: „Maßgeblich ist für uns weiterhin uneingeschränkt der Koalitionsvertrag.“
Baden-Württemberg würde damit zum gallischen Dorf, das sich mit einem eigenen Wegzoll vom Rest der Republik absetzt. Und das, obwohl der Bundestag ohnehin gerade erst einem CO₂-Aufschlag bei der Maut zugestimmt hat, durch den die Straßennutzungsgebühr für Lastwagen ab 1. Dezember um satte 83 Prozent steigt. Das werden auch die Verbraucher zu spüren bekommen, erwarten Logistik-Experten: „Wir gehen davon aus, dass die Kosten an die Kunden weitergegeben werden“, so Patrick Lepperhoff, Experte für Lieferkettenmanagement bei der Beratungsgesellschaft Inverto.
Außerdem gilt die bundesweite Mautpflicht ab Juli 2024 auch für kleinere Transporter ab 3,5 Tonnen, nicht länger nur für schwere Brummis. Lediglich Handwerker-Kleinlaster bleiben ausgenommen.
„Krachend gescheitert“
Gegen das zusätzliche „Eintrittsgeld“ ins Ländle opponieren nicht nur SPD, FDP und AfD, vor allem die Wirtschaft läuft Sturm. Der baden-württembergische Unternehmerverband warnt vor einem „klaren Wettbewerbsnachteil für unsere Unternehmen“, der insbesondere die Firmen im ländlichen Raum hart treffen würde. „Die baden-württembergische Landesregierung ist im vergangenen Jahr im Bundesrat aus gutem Grund damit gescheitert, die Lkw-Maut über eine bundesgesetzliche Regelung auch auf Landes- und Kommunalstraßen auszudehnen“, sagt Hauptgeschäftsführer Oliver Barta.
Tatsächlich hatte sich der Verkehrsminister an das im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Vorgehen gehalten und zunächst versucht, andere Länder mit ins Boot zu holen. Dabei sei er „krachend gescheitert“, wie er selbst eingestand. Nun hält er sich weiter an den Vertragstext, der da lautet: Dann machen wir es eben allein.
Details dazu, wann Lkw-Fuhrparks eine Straßengebühr im Südwesten blüht, wie hoch sie ausfallen könnte und wie sie abgewickelt wird, sind zwar noch offen. Auch einen Zeitplan gebe es noch nicht, so die Sprecherin. Zur Erhebung genutzt werden könne die Technologie, die in Lastwagen ohnehin installiert sei, sagte sie. „Ein solches System wäre auch für die Lkw-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen geeignet, zumal es sich hierbei um ein erprobtes und bewährtes System handelt.“ Ob die Sonder-Maut aus rechtlicher Sicht überhaupt erhoben werden darf, obwohl das Projekt im Bundesrat durchgefallen war, habe man bereits prüfen lassen.
Doch dass das rechtlich tatsächlich so einfach möglich ist, sehen andere skeptischer, allen voran die FDP in Baden-Württemberg. Deren FDP-Verkehrsexperte Christian Jung brachte in der „Schwäbischen Zeitung“ die Rolle des bundeseigenen Technologie-Dienstleisters Toll Collect, der die Autobahn-Maut eintreibt, ins Spiel. Die Ampel-Parteien in Berlin hätten zufolge die Bundesregierung beauftragt zu bewerten, ob Landesvorstöße bei der Maut aus Sicht des Bundes überhaupt statthaft seien, so Jung. Noch liegen keine Ergebnisse vor. Aber niemand könne wollen, dass der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu einer „Sondermautzone“ werde, warnt Jung. „Es ist den Grünen gar nicht bewusst, was sie mit ihrer Politik anrichten.“
Logistiker empfinden die Ausweitung und Verteuerung der Maut auch deshalb als Affront und Abzocke, weil ein Ausweichen fast unmöglich sei. „Wir sind darauf angewiesen, unsere Güter auf der Straße zu transportieren“, sagte Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA).
Eine Verlagerung auf die Schiene werde durch die schlechte Infrastruktur verhindert. Und Lastwagen mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb, für die es Vergünstigungen gebe, würden bisher kaum geliefert.
Allerdings gab es in der Vergangenheit neben Hermann durchaus auch Befürworter für eine Maut auf kommunalen Straßen, allen voran der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). „Schlaglöcher, Lärm und dreckige Luft durch Lkw sind nicht nur ein Problem für Bundesstraßen, sondern vor allem für die Straßen in den Kommunen“, hieß es in einer Stellungnahme von Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg zur Maut-Ausweitung auf Bundesfernstraßen.
Baden-Württemberg verspricht sich durch die Extra-Maut Einnahmen von 200 Millionen Euro, jeweils die Hälfte für das Land und die Kommunen. Vorausgesetzt, es kommt je zu dem Gesetz. Dazu müsste es aber den Landtag passieren und Zustimmung auch von der CDU erhalten. Sollte es scheitern, wäre die große Regierungskrise im Ländle perfekt.