„Blutauto“ – so nannten „Wissende“ eine Recherche, in der es um die Nachhaltigkeit von Auto-Rohstoffen ging. Das Wort entstand in Anlehnung an sogenannte Blutdiamanten. Bei deren Förderung sterben oft Menschen. Auch finanziert der Diamantenhandel nicht selten Gewalt und Kriege. Wir dachten uns: Solche Blutdiamanten will sich doch eigentlich niemand umhängen – aber warum reden so wenige über den Blutzoll, der mit der Autoproduktion verbunden ist? Freude am Fahren – im Blutauto?
In der Limmatstadt geht demnächst das erste Langlebigkeits-Zentrum des Landes auf, weiss die «NZZ am Sonntag». Rund um den Globus pumpen Investoren derzeit Unsummen in den neusten Megatrend, Longevity. Die Aussicht auf ein langes, gesundes Leben basiert auf solider Wissenschaft – zumindest meistens.
Lässt sich seine Obsession, ewig jung zu bleiben, 2 Mio. $ im Jahr kosten: Bryan Johnson.
Den Wunsch nach Unvergänglichkeit hegen Menschen schon seit Jahrtausenden. Aber wie gewohnt sind es Tech-Unternehmer im Silicon Valley, die den Traum in die Realität umsetzen wollen. Das heisst dann Longevity. Bryan Johnson etwa, der eine von ihm aufgebaute Firma für 800 Mio. $ verkaufen konnte, lässt sich seine Obsession, ewig jung zu bleiben, 2 Mio. $ im Jahr kosten. Sein Lebensmotto lautet: «Don’t Die».
Er hat sich selbst auch schon als «Open-Science-Projekt» bezeichnet, da er seine Interventionen, die täglichen Mahlzeiten und Vitaldaten konsequent ins Netz stellt. Johnson unterzieht sich täglich einem strengen 2250-Kalorien-Regime, schluckt über 100 Pillen und macht eine Stunde Sport – dazu kommen jede Menge exotischer Interventionen wie Laser-Hauttherapien und konstante Tests. Der Körper von Johnson altert laut eigenen Angaben in einem Jahr nicht um 365, sondern lediglich um 252 Tage.
Ein Longevity-Zentrum in Zürich
Doch nun rückt die Aussicht auf ein langes, gesundes Leben auch ganz nahe. In die Zürcher Innenstadt, um genau zu sein: Anfang nächstes Jahr eröffnet die Firma Ayun an der Uraniastrasse ein sogenanntes Longevity-Zentrum auf 580 Quadratmetern. Das Angebot: personalisierte Gesundheitsvorsorge, basierend auf Blut- und Genanalysen sowie weiteren Tests. Dazu natürlich eine breite Auswahl an Langlebe-Behandlungen unter der Aufsicht von spezialisierten Ärzten: Sauerstoff- und Rotlicht-Therapien, Kältekammern, Infusionen usw. Allesamt Interventionen, für deren Wirksamkeit es Evidenz gibt.
Denn Wissenschaftlichkeit steht ganz im Zentrum der Langlebigkeits-Bewegung, deren eifrigste Jünger sich als «Biohacker» bezeichnen. Es handelt sich um eine junge Disziplin: «Die Longevity-Forschung im engeren Sinne, die sogenannte Geroscience, entstand erst 1993», sagt Ewald Collin, der an der ETH Zürich an Strategien zur Verbesserung der menschlichen Lebenserwartung forscht. «Damals gelang es Forschern der University of California, San Francisco, die Lebensspanne von Fadenwürmern zu verdoppeln. Danach konnten auch Mäuse und menschliche Zellen verjüngt werden.»
So spektakulär diese Durchbrüche sein mögen: Sie lassen sich womöglich nicht eins zu eins auf Menschen übertragen. Dennoch begeistert das Thema Longevity bereits viele Laien, die sich auf Social Media über neue wissenschaftliche Paper und die besten «Protokolle» austauschen. Gemeint sind damit alle konkreten Massnahmen, die sie täglich gegen das Altern ergreifen: von Intervallfasten, Sporteinheiten und Eisbaden über die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bis zur morgendlichen Tasse Matcha-Grüntee. Longevity kann zum Lifestyle werden.
Altern als behandelbare Krankheit
Für diesen Hype sind auch Forscher wie etwa der Genetik-Professor David Sinclair von der Harvard Medical School verantwortlich. Sinclair, der ein vielbeachtetes Buch geschrieben hat («Das Ende des Alterns»), erregt regelmässig mit gewagten Prognosen Aufmerksamkeit. Sinclair behauptet etwa, dass bereits erste Menschen auf der Welt seien, die dereinst 150 Jahre alt würden. Für ihn ist Altern nicht gottgegeben, sondern eine behandelbare Krankheit.
Weil die Amerikaner Meister der Kommerzialisierung sind – auch Sinclair mischt da kräftig mit –, spriessen in den USA immer neue Longevity-Firmen aus dem Boden. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis auch in der Schweiz Unternehmer auf den Zug aufspringen würden.
Erstaunlich ist vielmehr, dass es in der Schweiz gleich zwei Risikokapitalfirmen gibt, die sich im Bereich Longevity als Seriengründer verstehen. Das Unternehmen Maximon, das hinter dem Longevity-Zentrum Ayun steht, hat auch noch vier andere Unternehmen auf die Beine gestellt: zum Beispiel Avea, eine Schweizer Firma, die Nahrungsergänzungsmittel für Langlebigkeit entwickelt. Sie hat nicht nur DNA-Tests im Angebot, sondern kann darüber hinaus auch das biologische Alter einer Person bestimmen – das nicht mit dem Alter im Pass übereinstimmen muss. Man kann schneller oder langsamer altern, so wie Millionär Bryan Johnson.
Maximon bezeichnet sich als «company builder» und will von nun an laufend neue Firmen gründen. «Longevity wird zum grössten Markt im 21. Jahrhundert. Jeder Mensch wird zum Longevity-Kunden – denn jeder Mensch will lieber jung und gesund bleiben als alt und krank werden», begründet Co-Gründer Tobias Reichmuth die ambitionierten Pläne.
Maximon organisiert in Gstaad jeweils die Longevity Investors Conference, deren hohe Eintrittspreise für einen exklusiven Teilnehmerkreis sorgen. Die Firma hat soeben einen «Longevity Valley Community Manager» engagiert, der auch einen nationalen «Swiss Longevity Campus» planen soll. Die Firma lädt am WEF zudem zu einem «Longevity Lunch».
Die andere Firma, die sich als Seriengründerin betätigt, ist Rejuveron. Wie Maximon verfügt auch sie über ein hochkarätiges Führungsteam und hat bereits fünf Pferde im Stall. Diese Jungfirmen teilen sich in Schlieren bei Zürich Büros und Forschungsinfrastruktur. Es handelt sich bei ihnen allesamt um Biotech-Firmen, die mit ihren Produkten die sogenannte Gesundheitsspanne von Menschen verlängern wollen.
Denn das primäre Ziel ist trotz der Bezeichnung Longevity nicht unbedingt, möglichst lange zu leben, sondern bis kurz vor Lebensende vital und frei von Krankheiten zu sein. So gesehen, könnte dieser Forschungszweig dereinst auch enorme Ersparnisse für unser überlastetes Gesundheitssystem bringen. Dieses wendet bekanntlich die meisten Mittel dafür auf, Krankheiten in Schach zu halten, die selbst im hohen Alter meist vermeidbar wären. Niemand muss Diabetes des Typs 2 bekommen. Es gibt auch keinen Automatismus, dass der Blutdruck mit der Anzahl Lebensjahre steigt.
«Viele Menschen gehen davon aus, dass mit dem Alter unausweichlich chronische Krankheiten und Gebrechen auftreten. Doch die Longevity-Forschung zeigt, dass dies nicht unabwendbar so sein muss», sagt Nilayini Vamatheva. Die Fachärztin für Innere Medizin führt nicht nur eine Hausarztpraxis, sondern arbeitet auch für den Zuger Risikokapitalgeber SNGLR. Dieser sammelt gerade Geld für einen spezialisierten Fonds ein. SNGLR will bis in zwei, drei Jahren ein Portfolio von rund zwölf europäischen Longevity-Jungfirmen aufbauen.
Vamatheva betont, dass der Traum von Longevity weder an unserem Erbgut noch an unserem Portemonnaie scheitern müsse. «Die Aussicht auf ein langes, gesundes Leben ist nur wenig von unseren Genen abhängig. Das meiste haben wir selbst in der Hand: Soziale Kontakte, genügend Bewegung und Schlaf, gesundes Essen oder die Reduktion von Stress tragen massgeblich zur Langlebigkeit bei.»
Pillen gegen das Altern
In den nächsten Jahren würden verschiedene medizinische Interventionen auf den Markt kommen, die den Alterungsprozess zusätzlich zu verlangsamen vermögen: etwa Stammzell- und Gentherapien oder senolytische Medikamente – also Arzneien, den dem Körper helfen, alte Zellen zu eliminieren. «Viele dieser Interventionen befinden sich aber noch in einem experimentellen Stadium», sagt die Ärztin.
«Eine unserer grössten Herausforderungen ist, dass das Altern noch nicht zur Krankheit erklärt wurde», sagt ETH-Forscher Ewald. «Das macht es schwierig, klinische Versuche aufzusetzen, weil es noch keine anerkannten biologischen Merkmale gibt, an denen Behandlungserfolge gemessen werden können.» Entsprechend schwierig sei es, klinische Studien zu finanzieren.
Auch andere Schweizer Hochschulen werden auf das Thema aufmerksam. Die Universität Zürich zum Beispiel verfügt seit zwei Jahren über ein «Healthy Longevity Center».
Die Geroscience mag noch um die Anerkennung der Gesundheitsbehörden ringen. Die Forscher sind sich ihrer Sache bereits sehr sicher: «Die Wissenschaft hat die Kennzeichen des Alterns identifiziert, und mit einer sogenannten epigenetischen Uhr können wir das biologische Alter eines Menschen recht zuverlässig bestimmen», sagt Ewald. Dieses weicht unter Umständen erheblich vom chronologischen Alter ab. Ewald zum Beispiel beziffert sein eigenes biologisches Alter auf 34 Jahre, das Alter in seinem Pass ist hingegen 42.
Unternehmen sind im Gegensatz zur Wissenschaft weniger auf langwierige Vergleichsstudien angewiesen, um ihre Produkte und Dienstleistungen einer bereitwilligen Käuferschaft anzubieten. Die Wirksamkeit ihrer Produkte ist vielleicht noch nicht restlich bewiesen oder quantifizierbar. Es reicht vorderhand, dass diese keinen Schaden anrichten.

Muss doch endlich mal gesagt werden dürfen …
Ich erinnere mich einer Talkshow aus Anlass eines Jahrestages des Atomkraftwerks Tschernobyl. Darin erregte sich die Vertreterin einer Bürgerinitiative, die horrende Verantwortungslosigkeit der Politiker und Atomlobby zeige sich ja bereits daran, dass es für den Fall eines Super-GAU keinerlei Vorsorge oder Evakuierungspläne gäbe. Als nun einer der Angesprochenen protestierte und darauf hinwies, dass man natürlich auch für einen solchen Fall Katastrophenpläne bereithalte, fuhr sie ihm erneut in die Parade und wertete dies als Eingeständnis der Unglaubwürdigkeit aller Versicherungen, eine Katastrophe wie die von Tschernobyl sei in Deutschland ausgeschlossen. Sowohl die Existenz als auch die Nichtexistenz von Katastrophenplänen – beides waren für sie klare Belege der Verantwortungslosigkeit.“ Frechheit, sie gedeiht nun mal gleichsam im Windschatten einer allenthalben grassierenden ideologischen, unverfrorenen Dummheit. Einem Vermieter gewidmet:
Zwei deutsche Anwälte werfen Fotografen Beihilfe zu den Taten der Hamas vor. Wann wird Kriegsberichterstattung strafbar? Eine Strafrechtsprofessorin beschreibt, auf was es ankommt. Die ersten Fotos tauchten am 7. Oktober schon kurz nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel auf. Bei dem Angriff starben nach Angaben der israelischen Regierung 1.200 Menschen und 240 wurden als Geiseln genommen. So entstanden Fotos von brennenden Panzern und entführten und misshandelten israelischen Zivilisten.

Die Brücke über den Isorno bei Intragna gehört zu den spektakulärsten Übergängen der Centovallina.
Die Eisenbahn ist dazu da, Passagiere schnell, reibungs- und schmerzlos von A nach B zu bringen. So die landläufige Meinung, von der Parlamentarierin auf dem Weg nach Bern bis zum Luzerner Wanderer, der seine Bergtour in Chur starten will: Man hofft, die Zeit zwischen A und B möge rasch verstreichen.
Manch Zugstrecken aber sind ein Erlebnis für sich. Ihr Weg ist das Ziel. Dafür gibt es hierzulande mehrere Beispiele, zu denen ganz sicher eine Jubilarin namens Centovalli-Bahn gehört. Auf den Tag genau hundert Jahre ist es her, seit am 25. November 1923 zwei festlich geschmückte Züge ihre Jungfernfahrt zwischen Locarno und Domodossola antraten.
Logenplatz für das Naturschauspiel
Heute ziert die Centovallina, wie die Verbindung auf Schweizer Seite liebevoll genannt wird, die Lonely-Planet-Liste der zehn landschaftlich schönsten Zugfahrten Europas. Tatsächlich wird man beim Blick aus dem Panoramafenster das Gefühl nicht los, einen Logenplatz zu haben für ein Schauspiel, entstanden in Kooperation zwischen bauwilliger Menschenhand und nimmermüder Natur. Und Schönheit gilt es zu geniessen, deshalb ist diese Reise auch eine Wiederentdeckung der Langsamkeit: Die 52 Kilometer umfassende Fahrt um 348 Kurven und über 83 Brücken dauert knapp zwei Stunden; das Durchschnittstempo von 28 km/h entspricht etwa jenem des Bernina-Expresses und ist nicht einmal doppelt so hoch wie das der Zürcher Trams.
Die Fahrt wird zur Offenbarung, beginnt und endet aber in der Unterwelt. Im Bahnhof Locarno ist 1990 eine subterrane Station eingerichtet worden. Von da aus rollt das Bähnchen die ersten drei Kilometer – auf der ganzen Strecke erreicht es einzig in diesem Teil seine Höchstgeschwindigkeit von 55 km/h – ohne Tageslicht, um dieses kurz vor seiner Fahrt entlang der Maggia wiederzuerlangen.
Nach der Station Ponte Brolla queren wir beim blassrosa gestrichenen Albergo Centovalli, wo einer der besten Risotti weit und breit gekocht wird, die tiefe Schlucht der Maggia mit ihren vom Wasser polierten Felsen und biegen in die sonnenreiche Terre Pedemonte ein. Nur der eine oder andere Zug hält in Verscio, wo sich ein Besuch der Scuola Dimitri anbietet, der vor bald fünfzig Jahren vom berühmten Clown gegründeten Ausbildungs- und Bühnenstätte. Doch das ist längst nicht die einzige der gut zwei Dutzend Haltestellen, bei denen sich ein Aussteigen lohnt, wobei meist nur auf Verlangen gehalten wird.
Vor Intragna, dem mit dem kantonsweit höchsten Campanile ausgestatteten Hauptort des Centovalli und Tor zu diesem, überquert das blau-beige Züglein sehr fotogen den Nebenfluss Isorno, nämlich in 75 Metern Höhe über eine spektakuläre Stahlbrücke. Sie ist nicht nur ein beliebtes Bildsujet, sondern inspirierte schon manche zu tollkühnen Aktionen: Vor fast hundert Jahren sprang der Tessiner Holzfäller Plinio Romaneschi mit einem Fallschirm hinunter und stellte damit einen Weltrekord auf. Und 1980 balancierte der für ausgefallene Aktionen berühmte französische Seiltänzer Philippe Petit die Schlucht auf einem Seil.


In Palagnedra, an der zweitletzten Station auf Schweizer Gebiet, wird wie an vielen nur auf Verlangen gehalten. Die Steinbrücke im Val d’Ingiustria gehört zu den markantesten Bauwerken der Strecke.
Die Signatur des Königs
Das Bähnchen springt nicht und tanzt nicht, doch hat es von hier an zu kämpfen und zu keuchen. Das Trassee wird steil, die Aussicht so atemraubend, dass man eines gerne vergisst: Diese Linie, die Gotthard- mit der Simplonstrecke verbindend, wurde einst nicht zum touristischen Vergnügen gebaut. Es galt, das Hinterland von Locarnos damaliger Blüte profitieren zu lassen, den damals noch 2400 Einwohnern des Centovalli-Gebiets neue Perspektiven zu erschliessen und ihren Radius zu erweitern (den Schmuggler im Zweiten Weltkrieg dann für ihre Zwecke zu nutzen wussten). Während der Bauzeit belebten Tausende aus allen Sparten beteiligte Berufsleute die Region. Gasthäuser und Geschäfte entstanden. Dem Ziel jedoch, mit dem Verkehrsweg die Talschaft an die Wirtschaft anzuschliessen, war kein durchschlagender Erfolg beschieden. Die Dörfer entwickelten sich kaum nachhaltig weiter.
Initiatoren der von Anfang an elektrifizierten Linie waren der italienische Lehrer Andrea Testore und Locarnos Stadtpräsident Francesco Balli, ein grosser Förderer des Schienenverkehrs. Er gründete auch die heute noch populäre Standseilbahn hinauf zur Madonna del Sasso und zwei Linien, die in den 1960er Jahren eingestellt werden sollten: das Tram von Locarno und die Maggiatalbahn.
Nach langem Hin und Her unterzeichnete der eidgenössische Bundesrat mit seiner Majestät, dem König von Italien, ein Übereinkommen für den gemeinsam betriebenen Verkehrsweg, das noch immer in Kraft ist. Als Projektingenieur wurde Giacomo Sutter gewonnen, dessen Biografie eine Brücke zwischen den Regionen schlug: Er hatte als in Airolo aufgewachsener Bündner an der ETH Zürich studiert. Die ursprünglich auf drei Jahre angelegte Bauzeit der Bahnlinie dehnte sich allerdings dann, vor allem wegen Unterbrüchen aufgrund des Ersten Weltkriegs, auf fast das Vierfache.
So wandern auf einer Zugfahrt durchs Centovalli und seine Siedlungen die Gedanken in die Vergangenheit, während die Gegenwart gemächlich vor den Fenstern vorüberzieht. Minutenlang fährt man direkt durch den Wald, glaubt das Moos zu riechen oder gar hier und dort einen Wichtel zu erspähen, während ein einsames Rustico ganz still und stumm steht. Und inmitten schlichter Bauten kann plötzlich ein repräsentatives Haus auftauchen. Gelegentlich zwängt sich das Gefährt durch einen von 31 Tunneln, der ihm kaum mehr Platz zu bieten scheint als ein Häuschen der Schnecke. Dann wieder öffnen sich Weiten rund um die Schmalspurbahn von nur einem Meter Breite.
So eng ist das Trassee stellenweise, dass man sich fragt, wie man jemals auf die verwegene Idee kommen konnte, hier eine Zuglinie durchzuführen. Wir blicken hinab in Kluften, mitunter scheint keine Hand dazwischen zu passen, und ertappen uns beim Gedanken: Würde sich unser braves Bähnchen jetzt einen Fehltritt erlauben, wäre es geliefert und wir mit ihm.
Es ist wie im richtigen Leben: Hier öffnen sich Abgründe, dort türmen sich Hügel und Berge auf. Und ab und zu steigt etwas Rauch in die Nase (weil draussen gerade Holzabfälle verbrannt werden). Die Jahreszeiten erhält man derweil auf dem Tablett serviert, auch dank den Kastanien- und Buchenwäldern: Im Herbstkleid wird die Strecke als «Foliage-Train» beworben, diese «Laubfahrt» führt durch ein farbenprächtiges Gemälde, wie nur die Natur es hinbekommt.
Nun gut, man geniesst nicht gerade den Komfort des Orientexpresses, aber ist ja auch nicht wochenlang unterwegs. Wer braucht da einen Speisewagen? Bei unserer Fahrt kommt eine Frau vorbei, die Kaffee à 3 Franken 50 aus einer Thermoskanne in Plastikbecher schüttet und noch ein paar verpackte Guetzli im Angebot hätte. Das eingesetzte Roll- und Gleismaterial wiederum zeugt von verschiedenen Epochen, Mentalitäten und Bautechniken, je nachdem fährt man mehr oder weniger gefedert, dringt das Rattern stärker oder weniger stark in Gelenke und Ohr. Nebst den internationalen Zügen verkehren auf Teilstrecken auch regionale.
Betrieb und Infrastruktur werden verantwortet von zwei Unternehmen aus zwei Ländern, und beide finden wohl, ihr Material biete das beste Fahrgefühl. Die Schweizer FART hält fest, ihr Centovalli-Express sei in den letzten Jahren vollständig modernisiert worden – und sie hat auch schon in die Zukunft investiert: 2025 sollen acht nigelnagelneue Kompositionen in Betrieb gehen, die bei Stadler-Rail bestellt sind.

Der in den letzten Jahren modernisierte Centovalli-Express der FART zählt zum Schweizer Rollmaterial.

Im Herbst bietet die Fahrt ein besonders farbenfrohes Naturschauspiel.
Pilgerort und Fussballacker
Bis zur Grenze folgen fünf weitere Stationen, von Verdasio (mit Seilbahnen auf den Monte Cimino und zum per Auto nicht erreichbaren Dörfchen Rasa) bis zu Camedo, wo ein Boot auf einem Anhänger parkiert ist. Wo zum Teufel will das da oben wassern? Vielleicht im nahen Stausee der Maggia Kraftwerke AG – oder in der Sintflut wie die Arche Noah: Camedo ist einer der regenreichsten Orte der Schweiz, wovon drei Landesrekorde zeugen. Als solcher gelten die 318 Liter pro Quadratmeter, die am 7./8. August 1978 fielen. Das Hochwasser zerstörte die Strassen – und die rasch wiederhergestellte Bahnlinie unterstrich ihre Bedeutung für die Region.
Knapp vor Halbzeit der Fahrt erreichen wir die italienische Seite und damit das Valle Vigezzo, in dem die Centovallina im Volksmund zur Vigezzina wird. Auf diesem Teil hält die Strecke einige ihrer grössten Kulturschätze bereit. Auf der Ebene mit sattgrünen Wiesen darf unser Bähnchen etwas Gas geben, für seine Verhältnisse rast es geradezu, für andere bleibt es ein Bummelzug, der selbst auf der Geraden phasenweise schwankt wie eine Kutsche.
Wir steuern auf Re zu, und so kurz der Name, so verrückt die Geschichte dieses Pilgerorts. Die über ihm thronende Wallfahrtskirche in Form einer Basilika ist erst vor hundert Jahren errichtet worden, im Gedenken an ein vor über 500 Jahren registriertes Wunder: Ein Madonnenbild blutete. Der Namenspatronin wird zehn Fahrminuten später, im Hauptort Santa Maria Maggiore, ein grosser Bahnhof bereitet, wie es sich für die Muttergottes gehört. Die italienische Flagge hängt, Touristen tummeln sich im schmucken Städtchen, das seine Gäste mit Attraktionen wie dem Kaminfegermuseum in der Villa Antonia oder weitherum bekannten Weihnachtsmärkten anlockt. In diesem Gebiet erreicht die Reise auf 840 Metern ü. M., was etwa dem Gipfel des Zürcher Üetlibergs entspricht, ihren höchsten Punkt. Hier fanden vor hundert Jahren auch die zwei Gleisbauteams zusammen, die an den entgegengesetzten Enden der Strecke mit ihrer Arbeit begonnen hatten.
Nach unspektakulären Landschaftsszenerien fast wie im Schweizer Mittelland tauchen wir wieder in Wälder ein. Ein verwaister Bagger wartet, worauf auch immer, umringt von Bäumen. Irgendwo liegt ein nicht WM-tauglicher Fussballacker brach, im Hintergrund erheben sich gegen 2000 Meter hohe Berge.
Bald geht es abwärts mit quietschenden Bremsen, am bewaldeten Hang vis-à-vis erscheinen reizende Weiler. Es folgt eine gewaltige Kurve auf einem Viadukt, die Ouvertüre zu einem letzten Feuerwerk an Eindrücken auf dem steil und steiler werdenden Abstieg. Er führt entlang der südlichen Talflanke bis Trontano, wo ein alter Centovalli-Bahnwagen seinen Ruhestand in einem Gärtchen verbringen darf. Einige seiner Altersgenossen werden wir später verwahrlost und verrostet auf einem Nebengleis kurz vor dem Endbahnhof sichten.

Vor über hundert Jahren bauten kühne Arbeiter zwischen Vergio und Marone eine Eisenbahnbrücke über den Spoglio.
Das stille Schlussfeuerwerk
Vorher aber gibt es die eigentliche Achterbahnfahrt, die sich die Centovallina alias Vigezzina mit Sinn für Symbolik für Italien aufgespart hat. Das Gefälle beträgt bis zu 60 Promille, die Haarnadelkurven haben Radien von 50 Metern, das Tempo ist zum Glück höchst moderat. Heil unten in Masera angelangt, nehmen wir erstmals wieder Autos wahr, die Tempo bolzen, Kühe grasen, und durch den Lautsprecher scheppert die Stimme: «Prossima e ultima fermata: Domodossola!» Das Züglein gibt Gas, als könne es kaum erwarten, seinen Heimathafen zu erreichen. Oder ist dieser in Locarno?
Noch wenige Minuten dauert es, bis die unterirdische Endstation das Gefährt verschluckt. Mit Blick auf die Direktverbindungen nach Brig (eine halbe Stunde), Genf (2½ Stunden) oder Bern (1½ Stunden) wird klar, welch wichtige Brücken zwischen der Süd- und der Restschweiz diese Linie schlägt. Sie ermöglicht nicht nur die reizvollste, sondern trotz gemächlichem Tempo noch immer auch die schnellste Bahnreise zwischen Lago Maggiore und Lac Léman.
Leseratten mögen finden, im Auf und Ab der Centovalli-Route würden ihnen die Buchstaben vor den Augen tanzen, und Businessleute die Internetverbindung auf der Strecke bemängeln, so wie hier überhaupt alles viel zu langsam gehe. Verwöhnte mögen ganz pauschal den Luxus vermissen. Aber auf dieser Fahrt sollte man ohnehin nicht lesen, arbeiten oder schlemmen. Man soll nur staunen.
Es hat viel für sich, beschaulich und zeitweise ohne Netz durch die Landschaft zu ruckeln, statt per Hochgeschwindigkeitszug durch topfebene Landstriche zu rasen und dabei fast so schnell im Web zu surfen. Ist nicht auch das Leben in all seinen verschlungenen Gesetzmässigkeiten viel eher kurvenreiche Reise als Autobahn? Diese Erkenntnis ist im Preis von 45 Franken pro Weg (ohne Halbtax) inbegriffen, auch wenn man gar nicht nach B will.
Die Centovallina wird ihren Geburtstag ein ganzes Jahr lang mit Aktionen feiern, und 2024 ist ihr ein Raum im Verkehrshaus Luzern gewidmet (www.fartiamo.ch/100-anni). Das Jubiläumsbuch «100 Jahre Centovallina» (Salvioni Editions) ist ab sofort im Handel.

Rebellen sind gut ausgerüstet …
Die Huthi-Rebellen im Jemen haben ihre Angriffe gegen Israel ausgeweitet. Ein Sprecher der Miliz sagte, sie hätten am Sonntag das Frachtschiff „Galaxy Leader“ mit rund 25 Besatzungsmitgliedern im südlichen Roten Meer gekapert. Mittlerweile hat das Sicherheitsunternehmen Ambrey bestätigt, dass der Eigentümer des Autofrachters als Ray Car Carriers geführt wird, und dessen Muttergesellschaft gehört Abraham „Rami“ Ungar, einem israelischen Geschäftsmann. Offenbar befinden sich jedoch keine Israelis an Bord, die 25-köpfige Besatzung besteht demnach aus Ukrainern, Bulgaren, Philippinern und Mexikanern. Das Schiff fährt unter japanischer Flagge.
Internationale Verwicklungen
Japans Außenministerin Yoko Kamikawa erklärte, Tokio stehe in Kontakt mit Israel und versuche zu vermitteln. „Wir wenden uns nicht nur direkt an die Huthis, sondern drängen auch Saudi-Arabien, Oman, Iran und andere betroffene Länder, die Huthis nachdrücklich zur baldigen Freilassung des Schiffes und der Besatzungsmitglieder aufzufordern.“
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte, der Frachter sei „mit iranischer Unterstützung von der jemenitischen Huthi-Miliz gekapert worden“. Der Iran unterstützt die militante schiitische Gruppierung im Jemen.
Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, dementierte nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP die israelischen Anschuldigungen als „unzutreffend“. Er betonte: „Wir haben wiederholt erklärt, dass die Widerstandsgruppen in der Region ihre Länder vertreten und Entscheidungen und Handlungen auf der Grundlage der Interessen ihrer Länder treffen.“
Eskalation nicht überraschend
Fachleute hatten seit Wochen erwartet, dass die jemenitische Huthi-Miliz Schiffe angreifen werde, die mit Israel oder seinen Verbündeten assoziiert sind. Seit Beginn des jüngsten Kriegs im Gazastreifen, der durch die Anschläge der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden war, wurden mehrere Luftangriffe der Huthis auf Israel abgefangen, bevor sie Eilat erreichen konnten, die südlichste Stadt Israels.
Es habe Befürchtungen gegeben, dass die Huthis zivile Schiffe angreifen und versenken könnten, bestätigt Fabian Hinz, Spezialist für Verteidigungs- und Militäranalysen am Internationalen Institut für Strategische Studien in London. „Aber sie haben sich entschieden, auf einer niedrigeren Ebene zu eskalieren“, so der Experte gegenüber der DW. „Das ähnelt Aktionen des Iran im Persischen Golf, bei denen auch immer wieder Schiffe angegriffen wurden, die irgendwie mit Israel verbunden waren.“ Diese Schiffe und deren Besatzungen seien dann „als politisches Druckmittel in verschiedenen politischen Konflikten eingesetzt“ worden.
Iran bleibt im Hintergrund
Die Rolle des Irans bei der Entführung der „Galaxy Leader“ sei nicht sehr umfassend gewesen, vermutet Fabian. Die Iraner hätten in der Region das Frachtschiff „Behshad“, das sie als Einsatzplattform und vermutlich auch für Spionagezwecke nutzten – und es sei „durchaus möglich, dass sie ein wenig mit nachrichtendienstlichen Informationen geholfen haben“.
Insgesamt hält Hinz die Entführung für ein Werk der jemenitischen Rebellen. Mittlerweile gebe es Meldungen, wonach die Huthis einen ihrer wenigen Helikopter zur Erstürmung des Schiffes eingesetzt haben. Die Huthis unterhielten zudem „eine kleine Marinetruppe, die auf asymmetrische Fähigkeiten spezialisiert ist. Das bedeutet keine großen Kriegsschiffe, sondern Schnellboote oder das Platzieren von Minen auf Schiffen oder das Senden von Raketen.“
Der Jemen kann sich jedoch keine neue Front am Roten Meer leisten. Das Land befindet sich seit neun Jahren im Krieg. 2014 stürzten die Huthi-Rebellen die jemenitische Regierung und übernahmen die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa. 2015 begann die internationale Militärintervention, als Saudi-Arabien mit Luftangriffen gegen die Huthis vorging, später schlossen sich andere Staaten an.
Das Land hat inzwischen eine zersplitterte politische Landschaft und eine desolate Infrastruktur. Der Konflikt, der weithin als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran angesehen wird, hat nach Angaben der Vereinten Nationen zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt geführt.

„Die Huthis wollen die jemenitische Öffentlichkeit auf die palästinensische Befreiungssache einschwören“, so Matthew Hedges, Jemen- und Nahostexperte in London, im DW-Gespräch. Die Miliz versuche, „Unsicherheit und Instabilität zu schüren“ und damit ein „Signal an die gesamte Region“ zu senden: Wir grenzen uns ab von jenen arabischen Regierungen, die ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben oder dies anstreben – etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain oder Saudi-Arabien.
Chaos in der Region soll Hamas nützen
Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain normalisierten ihre Beziehungen zu Israel im Jahr 2020 im Rahmen des von den Vereinigten Staaten vermittelten Abraham-Abkommens. Auch Israel und Saudi-Arabien schienen auf einem ähnlichen Kurs zu sein, doch die Gespräche sind ins Stocken geraten – eine Folge des jüngsten Israel-Hamas-Kriegs.
Diese Ansicht vertritt auch Farea Al-Muslimi, Experte für den Nahen Osten und Nordafrika bei Chatham House, einer in London ansässigen Denkfabrik. „Das Rote Meer ist die jüngste, aber eindeutig die wichtigste Frontlinie der Widerstandsachse im Nahen Osten“, sagte er vor Journalisten. Wahrscheinlich werde es in den nächsten Wochen weitere Angriffe der Miliz geben – auch auf nicht-israelische Schiffe. Al-Muslimi warnt: „Niemand sollte die Rücksichtslosigkeit der Huthis unterschätzen.“
Nach heutiger Erkenntnis begann die Entwicklung des »modernen Menschen« vor etwa 100 000 Jahren , als die damals schon seit 200 000 Jahren bestehende Spezies Homo sapiens zu sprechen begann. Der Erwerb von komplexer Sprache ging mit Denken, Kognition und letztlich Intelligenz im heutigen Sinn einher. Dieses Wunder scheint sich 2023 wiederholt zu haben. Dieses Mal fand das Phänomen jedoch nicht in den Weiten der afrikanischen Steppe statt, sondern in den Rechenzentren US-amerikanischer KI-Forschungsfirmen.

machen wir schon sehr viel richtig für die Gesundheit …
Außerkörperliche Erfahrungen, ein helles Licht am Ende des Tunnels: Darüber, was Menschen erleben, wenn sie sterben, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur spekulieren. Was kurz vor dem Tod im Gehirn passiert, ist inzwischen hingegen gut untersucht. Der Neurologe Jens Greyer erklärt im Interview, wie man die physiologischen Vorgänge während des Sterbens erforscht – und was sie mit Schlaganfällen und Migräneauren gemeinsam haben.

Amerika – first !
Die Frage ist jedoch, ob die Amerikaner derzeit wirklich genau hinhören, was Trump ihnen sagt.
Viele dürften sich vor allem daran erinnern, dass sie unter seiner Präsidentschaft keine Inflation plagte und die USA weder in Osteuropa noch im Nahen Osten in einen Krieg verwickelt wurden.